Den schlechten Ruf aufpolieren:
Falls Hamas die Palästinenserwahlen gewinnt
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Der westliche Diplomat in Ramallah schwört, "noch nie
einen Vertreter der Hamas getroffen zu haben". Sogar mit Victor Batharse
(PFLP), Bürgermeister von Bethlehem, tauscht er keine Freundlichkeiten aus.
"Der muss den Verbrechen der PFLP abschwören. Er sitzt mit den Stimmen der
Hamas im Amt, obgleich er unabhängiger Kandidat war."
Die Europäer haben zunehmend Probleme. Finanziell unterstützen sie die
Palästinenser mehr als jedes andere darbende Volk der Welt. Ohne politische
Bedingungen an die Vergabe ihrer Steuergelder zu knüpfen und teilweise sogar
ohne Nachweise über den Verbleib der Spenden zu fordern, wurden die
Zahlungen erhöht, als Arafat zur Intifada aufrief und Selbstmordattentate
zum legitimen Widerstand hochstilisiert wurden. Dass sich palästinensische
Polizisten, also Gehaltsempfänger der Europäer, in ihrer Freizeit als
Kämpfer der El Aksa Brigaden betätigten und von Israel als Terroristen
gesucht wurden, galt den Beamten in Brüssel nicht als Beweis für eine
indirekte Terrorunterstützung.
Immerhin hat Brüssel die islamistische Hamas-Organisation auf ihre
Terror-Liste gesetzt. Damit verbietet sich die EU Kooperation mit dem
potentiellen Wahlgewinner am kommenden Mittwoch. Zusätzlich haben die
EU-Länder ihren Diplomaten in Ramallah verboten, mit Hamasleuten zu reden.
Das führte schon zu kuriosen Zuständen, nachdem die Hamas bei Kommunalwahlen
etwa in Tulkarem das Bürgermeisteramt erobert hatte. Was tun, wenn
Absprachen zu dem von Deutschland finanzierten Klärwerk zwischen Tulkarem
und Emek Hefer (in Israel) getroffen werden müssen? "Mit dem Bürgermeister
reden wir nicht, aber die Projekte werden weitergehen. Die werden wir mit
den Bürgern direkt koordinieren", sagte ein Diplomat, ohne zu erklären, wie
das denn funktionieren könnte.
Die Israelis sind da pragmatischer. Der Bürgermeister von Emek Hefer sagte
kürzlich: "Natürlich rede ich mit Tulkarems Bürgermeister. Wir sind doch
Nachbarn. Die Abwässer fließen weiter, gleichgültig wer in Tulkarem
regiert."
Jüngste Umfragen schließen bei nur noch 2 Prozent Vorsprung für die
Fatahpartei einen Wahlsieg der Hamas nicht mehr aus. Sollte Hamas an der
Regierungsverantwortung beteiligt werden, entstünde für die EU ein echtes
Dilemma. "Da wird es ein großes Palaver in Brüssel geben", prophezeit der
Diplomat. Die Europäer haben sich schon damit abgefunden, dass die in der
Roadmap geforderte "Zerstörung der terroristischen Infrastruktur" und die
von Präsident Mahmoud Abbas beschworene Entwaffnung der Extremisten
unrealistisch sei. Dass sich Israel infolge dieser europäischen Erkenntnis
mit dem Terror abzufinden habe, wird nicht offen gesagt. Die EU akzeptiert,
dass Abbas zu schwach sei, um mit seinen mangelhaft bewaffneten Polizisten
gegen Hamas oder Dschihad vorzugehen. Deshalb unterstützt sie die Politik
der "Einbindung" von "Freiheitskämpfern" in die offiziellen Streitkräfte und
zahlt sogar die Gehälter-Zeche. Künftig könnte passieren, dass auch
"Hamas-Terroristen", wie die Europäer sie bezeichnen, durch "Einbindung"
europäisch entlöhnt würden. "Darüber haben wir nicht gewagt nachzudenken",
kommentiert der Diplomat den Albtraum.
Immerhin will die Hamas ihren schlechten Ruf aufpolieren. Dafür zahlt sie
180.000 Dollar an den PR-Experten Naschat Aktasch aus Ramallah. "Die Hamas
hat ein Problem mit ihrem Ansehen", gesteht Aktasch der britischen Zeitung
Guardian. "Die Israelis haben ein sehr negatives Ansehen der Palästinenser
und der Hamas geschaffen. Ich habe einen Vertrag, das richtig zu stellen."
Die Hamas betreibt laut ihrer blutrünstigen Charta die Zerstörung Israels
und hat durch ihre Selbstmordattentate seit 1993, lange vor Ariel Scharons
Amtszeit, hunderte Israelis ermordet und tausende verletzt. Gleichwohl
behauptet Aktasch: "Manche glauben, dass Hamas gerne Menschen in den Tod
schicke. Die Hamas glaubt nicht an Terror oder an den Mord von Zivilisten,
aber Scharon hat halt Knöpfe gedrückt, die Menschen wütend machen." Ohne
wirklich daran zu glauben, den Ruf der Hamas "korrigieren" zu können,
formulierte er Empfehlungen für seine zahlenden Klienten: "Sagt niemals,
dass Ihr gegen Israelis als Juden seid. Redet nicht von der Zerstörung
Israels, redet über palästinensisches Leid. Feiert nicht die Tötung von
Menschen und färbt Eure Bärte."
Tatsächlich färbte der Hamaskandidat Muhamad Abu Tir aus Jerusalem seinen
Rauschebart so Orangerot wie die Farbe der rechtsradikalen israelischen
Rückzugsgegner. Er verinnerlichte auch schon, gegenüber ausländischen
Journalisten seinen glühenden Antisemitismus zügeln zu müssen: "Ich bin
nicht gegen Juden als Juden, sondern nur gegen Juden als Unterdrücker." Ein
anderer Hamasführer gab sich ebenso gemäßigt: "Wir fordern, die Juden ins
Meer zu werfen. Aber wir meinten nie, dass sie ertrinken sollten. Sie
könnten doch auch Boote besteigen."
© Ulrich W. Sahm / haGalil.com
hagalil.com 25-01-2006 |