Ein Leitartikel
in "Jedioth achronoth" kritisiert den voyeuristischen Umgang mit dem
Gesundheitszustand des Premierministers. Im Gegensatz dazu lobt "LeMonde"
gerade die an den Tag gelegte Offenheit und meint Frankreich solle sich an
Israel ein Beispiel nehmen.
Der Gesundheitszustand von MP Sharon hat zwei Aspekte, den öffentlichen
und den persönlichen. Auf öffentlicher Ebene steht dem Rechtsberater der
Regierung, Meni Mazuz, die nächste bedeutungsvolle Entscheidung bevor, um
die man ihn nicht beneiden kann. Er muss entscheiden, ob Sharon "auf Dauer
verhindert" sein wird, das Amt des Regierungschefs auszuüben. Das ist
natürlich eine sehr schwere Entscheidung, die jedoch getroffen werden muss.
Selbst die optimistischsten Prognosen geben keine Hoffnung darauf, dass
Ariel Sharon sich wieder so weit erholen wird, um dieses anstrengende und
fordernde Amt auszuüben.
Was den persönlichen Aspekt betrifft, ist es an der Zeit, den Mann in
Ruhe zu lassen, meint Jedioth: Es ist beschämend und grenzt schon fast an
Pornographie, sich mit jeder Handbewegung, jedem "spontanen Husten" und den
Gehirnteilen eines Menschen zu befassen. Daran ändert auch die Tatsache
nichts, dass dieser Mann der Ministerpräsident ist.
Ariel Sharon ist ein stolzer Mensch. Als seine Frau Lili schwer krank
war, ließ er die Öffentlichkeit nicht an seinen Gefühlen teil haben. Die
Fasson zu bewahren ist für ihn fast ein heiliges Gebot. Man kann sich
vorstellen, wie er sich fühlen würde, wenn er wüsste, welches Festival hier
mit seiner "Urinproduktion" betrieben wird.
Seit Jahrzehnten steht Ariel Sharon im öffentlichen Leben, und er nahm
teil an schicksalhaften Entscheidungen. Über diese öffentlichen Tätigkeiten
musste ausführlich berichtet, sie mussten kritisiert und in allen
Einzelheiten analysiert werden. Heute ist dieser Mann sehr schwer krank. Er
kämpft um sein Leben. Es ist an der Zeit, dass die Öffentlichkeit und die
Medien ihn in Ruhe lassen.
In einigen Tagen, wenn sich ein Bild seines gegenwärtigen und künftigen
Zustands ergeben wird, muss natürlich darüber informiert werden. Aber bis
dahin gibt es sehr viel wichtigere Themen, mit welchen sich befasst werden
kann. Es ist an der Zeit, die "offene Welle" zu schließen.
Im Gegensatz dazu steht die Ansicht eines Leitartiklers der französischen
Tageszeitung "LeMonde": "Die Einlieferung des israelischen MP ins
Krankenhaus und das Verhalten der Medien im Zusammenhang mit dem
Gesundheitszustands Sharons sollten französischen Politikern als Modell und
Lektion dienen". Hier wird die israelische Transparenz, wie sie bei den
Pressekonferenzen vor dem Hadassa-Krankenhaus zum Ausdruck kommt,
ausdrücklich gelobt: "Israel ist ein Land im Kriegszustand, in dem es noch
immer militärische Zensur gibt, wenn es um die Sicherheit des Landes geht.
Aber Israel ist auch eine Demokratie, in der Politik ein Thema ist, das von
den Medien verfolgt und kontrolliert wird, und in der der Gesundheitszustand
der politischen Führer nicht tabu ist. Eine solche Offenheit ist im
Zusammenhang mit dem Zustand eines französischen Politikers wäre völlig
unvorstellbar. Es genügt an den Aufwand zu erinnern, der hier mit der
Geheimhaltung des Aufenthalts von Jasser Arafat in einem französischen
Krankenhaus betrieben wurde."