Palästinensische Initiative für die Förderung globalen Dialogs und
Demokratie:
Die Debatte über Demokratie!
Husam S. Madhoun für MIFTAH *
[English]
Ramallah – Am vergangenen Freitag, dem 16. Dezember,
verabschiedete das US-Repräsentantenhaus eine Resolution, die für künftige
finanzielle Unterstützung der Palästinensischen Nationalbehörde den
Ausschluss von Hamas von den kommenden Parlamentswahlen, für den 25. Januar
angesetzt, zur Bedingung macht. Auf der anderen Seite des Atlantiks folgte
bald die Erklärung der Europäischen Union. Dieses Mal kam die Bekanntmachung
nicht vom Europäischen Parlament, sondern von Javier Solana, dem
Außenbeauftragten der Europäischen Union.
In einem Treffen zwischen ihm und dem palästinensischen
Minister für Zivilangelegenheiten, Mohammed Dahlan, drohte Solana mit der
Einstellung der finanziellen Unterstützung an die Palästinensischen
Nationalbehörde, sollte sich die extremistische Organisation Hamas an den
Parlamentswahlen beteiligen. Tatsächlich zeigen diese Erklärungen zwei Dinge
auf: das Messen mit zweierlei Maß und Kontraproduktivität. Die Tatsache,
dass diese Erklärung von der Europäischen Union kommen, die im Vergleich zu
den USA ausgewogener und neutraler ist, fügt sie der schon vorhandenen Wunde
noch an Beleidigung hinzu.
Seit der Gründung der Palästinensischen Nationalbehörde 1994
ist die EU ihr größter Geldgeber und eigentlich auch ihr größter politischer
Unterstützer. So sind die neuesten Bemerkungen von Herrn Solana recht
irritierend. Warum? Weil die Europäische Union, eine Föderation
demokratischer Staaten, damit droht, die ernsthafte demokratische
Entwicklung, die unweigerlich alle Teile der palästinensischen Gesellschaft
erfassen wird, zu behindern. Beispielsweise war während der Regierungszeit
von Präsident Yassir Arafat eine der Hauptkritiken der internationalen
Gemeinschaft, darunter auch der EU, der undemokratische Regierungsstil des
inzwischen verstorbene Präsidenten.
Seit der Ernennung des neuen, mehr moderaten
palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas, hat dieser nicht nur versucht,
dringend notwendige Wirtschaftsreformen durchzuführen, er hat sich auch für
demokratische und institutionelle Reformen innerhalb der Palästinensischen
Nationalbehörde eingesetzt.
Hier stellt sich dann die grundsätzliche Frage: Wenn
Demokratie in diesem Fall nicht nur der Weg, sondern das Ziel sein soll, das
die EU in Palästina sowie im gesamten Nahen Osten zu zu sehen wünscht, warum
dann gegen die fundamentalen Grundsätze der Demokratie angehen? Nach dem
noch zu ratifizierenden Entwurf der EU-Verfassung wird Demokratie
folgendermaßen definiert: "Demokratie in ihrer idealen Form ist der
Grundsatz, dass "das Volk" Kontrolle über die Regierung haben muss, von der
es regiert wird, haben muss. Dieses Ideal wird durch ein Wahlsystem
erreicht, durch das die Mehrheit des Volkes regiert, sei es direkt oder
indirekt durch gewählte Repräsentanten. Liberale Demokratien sind
Regierungsformen, in denen das Gesetz die Grundrechte der Bürger in der
Minderheit schützt."
Deswegen entspricht die Drohung mit dem Stopp der
finanziellen Unterstützung der Palästinensischen Nationalbehörde, sollte
Hamas an den Parlamentswahlen teilnehmen, einer Bedrohung eines
beträchtlichen Teils der palästinensischen Wählerschaft. Noch ärgerlicher
ist die Art und Weise, wie einer schon verarmten Nation mit Boykott der
Finanzhilfegelder gedroht wird.
Zudem stellt sich noch eine weitere Frage: Warum die
Androhung von Einschränkung der finanziellen Hilfe, wenn die Beteiligung von
Hamas an den Parlamentswahlen eine positive Entwicklung bedeuten würde,
dadurch dass Hamas gezwungen würde, weniger radikale politische Ansichten zu
verfolgen und sie sich von den extremistischen Ideologien, auf die sie
aufgebaut ist, lossagen müsste? Mit großer Sicherheit kann man sagen, dass
die palästinensische Führung ebenso wie andere politische Parteien mit Druck
darauf bestehen werden, dass Hamas ihr Hauptziel aufgibt, nämlich die
Zerstörung des Staates Israel. Dazu kommt, wie auch Dr. Hanan Ashrawi
kürzlich in einem Interview mit der BBC erklärt hat, dass der Einbezug der
radikaleren Parteien diese dazu führen würde, sich politisch zu betätigen
als ihre Haltung militärisch umzusetzen. In diesem Fall wäre das
kontraproduktive Ergebnis die Verhinderung des Mäßigungsprozesses von Hamas,
ein Prozess aber, den sie eher früher als später durchlaufen muss.
Damit der Demokratisierungsprozess in Palästina ein echter
ist und nicht nur ein kosmetischer, ist es unumgänglich, dass radikale
Gruppen, besonders Hamas, sich an den Parlamentswahlen beteiligen. Über
Demokratie zu debattieren ist nur dann sinnvoll, wenn sie auch wirklich
vollzogen wird.
Übersetzung: K. Badr
[English]
Husam Madhoun ist der Koordinator für Medien und Information
der Palästinensischen Initiative zur Förderung globalen Dialogs und
Demokratie – MIFTAH.
Quelle: Die Palästinensische Initiative zur Förderung globalen Dialogs und
Demokratie, 20. Dezember
2005
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