CNN-Analyse:
Iran und der nächste Weltkrieg
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Der amerikanische Nachrichtensender CNN hält einen
Weltkrieg für wahrscheinlich, falls Iran sein Atomprogramm fortentwickeln
sollte und die USA dieses als Gefahr für die eigenen Interessen sehen. Nach
einem Scheitern aller diplomatischen Bemühungen um die Beilegung des
Konflikts könnten die Amerikaner einen militärischen Angriff auf die
iranischen Atomanlagen planen.
Gemäß der Analyse könnten die Amerikaner von ihren Flugzeugträgern im
persischen Golf aus die Anlagen aus der Luft angreifen. Es müssten dann aber
auch Bodentruppen folgen, deren Ausgangsbasen in Irak oder Afghanistan
liegen würden. CNN rechnet mit einer "vernichtenden militärischen Antwort
des Iran". Teheran verfüge über eine stehende Armee mit über einer Million
Soldaten, chemischen und biologischen Waffen sowie entsprechenden
Trägerraketen. Iran könnte den persischen Golf verminen und die Öltanker
angreifen. Das wiederum würde die Ölzufuhr zu den wichtigsten amerikanischen
Alliierten im Westen aber auch nach China blockieren. Die Analyse endete mit
der Vermutung, dass China sich dann militärisch gegen die USA wenden könnte,
weil die als Auslöser des Kriegs betrachtet würden.
Die Möglichkeit eines israelischen Angriffs auf Iran anstelle der Amerikaner
wurde von CNN gar nicht erst erwogen. Genau das aber halten britische
Zeitungen wie die Sunday Times offenbar für das realistischere Szenario. Da
wird zum Beispiel erwähnt, dass die Amerikaner mit etwa 180.000 Soldaten in
Irak und Afghanistan zu wenige Truppen zur Verfügung hätten, obgleich sie im
Schlimmsten Fall ihre Truppen aufstocken könnten. Weil es den Amerikanern an
Mannstärke fehle, müssten eben die Israelis den Krieg führen. Unerwähnt
bleibt aber, dass die gesamte israelische Armee (ohne Reservisten), Boden-
Luft, und Seestreitkräfte zusammengerechnet nicht einmal die
Mannschaftsstärke der amerikanischen Einsatztruppen im Irak erreicht.
Laut dem Jaffa Center for Strategic Studies gebe es 140.000 Bodentruppen und
36.000 Luftwaffensoldaten. Während CNN auf Landkarten zeigte, von wo
amerikanische Soldaten über die iranische Grenze vorrücken könnten, verfügt
Israel über keine gemeinsame Grenze mit Iran. Laut Sunday Times wolle Israel
die Soldaten für das "Aufräumen am Boden" per Helikopter einfliegen. Die
Entfernung von Israel nach Iran beträgt rund 2000 Kilometer. Das entspräche
einem Hubschrauberflug ohne Stopp und Auftankmöglichkeit von Berlin bis
Ankara. Die Israelis müssten noch dazu über feindliches Gebiet wie Syrien
fliegen. Sonst müssten sie Jordanien, die Türkei oder die Amerikaner im Irak
um eine Überfluggenehmigung bitten. So bliebe eigentlich nur ein
israelischer Luftangriff mit ihren amerikanischen F-16 Kampfmaschinen, die
dann mit ebenso aus den USA importieren bunkerbrechenden Bomben bestückt
würden.
Man muss kein Militärexperte sein, um zu erkennen, dass ein israelischer
Angriff auf Iran, noch dazu mit Bodentruppen, eher unwahrscheinlich klingt,
wenn die Amerikaner mit mehr Soldaten und den gleichen Waffen viel näher am
Ziel sind. Als weiteres Argument gegen eine israelische Beteiligung an einem
Angriff auf Iran wird in Jerusalem auch die Gefahr eines Raketenangriffs der
Hisbollah vom Libanon aus genannt. Diese von Iran gelenkte Schiitenmiliz
verfügt angeblich über 10.000 Mittelstreckenraketen. Diese könnten die
wichtigsten Ballungszentren um Tel Aviv treffen. Ebenso könnte Irans
Verbündeter Syrien mit seinen chemisch oder biologisch bestückten
Scudraketen jeden Punkt in Israel treffen. Präsident Ahmadi-Nidschad plant
dieser Tage übrigens einen offiziellen Besuch in Damaskus.
Aus guten Gründen erklärte der amtierende Premierminister Ehud Olmert am
Dienstag, dass Israel "nur im Einklang und vollen Einvernehmen" mit den
Europäern und den Amerikanern handeln werde, da alle gleichermaßen betroffen
seien.
PS: Szenarien über einen möglichen direkten Krieg zwischen Iran und Israel
sind heute auch in der "Welt" und anderswo erschienen. Nur scheint niemand
mal auf die Landkarte zu schauen oder sich die Absurdität eines 2000
Kilometer weiten Hubschrauberflugs zu überlegen.
© Ulrich W. Sahm / haGalil.com
hagalil.com 18-01-2006 |