Hizbollahs al-Manar:
Tödliche Sendung
Von Daniel Kilpert
Jungle World 2 v.
11.01.2006
Die meisten islamistischen Organisationen verfügen über
eigene Zeitungen und Radiostationen. Die vom Iran gesteuerte Terror-Miliz
Hizbollah besitzt mit der TV-Station al-Manar ein einzigartiges
Propagandainstrument, das sieben Tage die Woche und 24 Stunden täglich eine
große Auswahl an Nachrichten, Kommentaren und Entertainment bietet. Ihre
Direktiven erhält sie direkt aus dem Büro des Hizbollah-Generalsekretärs,
Sayyid Hasan Nasrallah. Die meisten Mitarbeiter sind ehemalige Kämpfer.
Al-Manar (auf deutsch: "der Leuchtturm") glorifiziert Selbstmordanschläge,
ruft zum Jihad auf und verbreitet Antisemitismus der extremsten Sorte.
Mittlerweile haben die europäischen und amerikanischen Satellitenanbieter
al-Manar zwar aus dem Programm genommen. Zwei Anbieter übertragen den Sender
jedoch weiterhin: Arabsat mit Sitz in Saudi-Arabien und Nilesat, bei dem die
ägyptische Regierung der Mehrheitsanteilnehmer ist. Damit ist al-Manar in
Europa – anders als in Amerika, Asien, Australien und weiten Teilen Afrikas
– auch weiterhin zu empfangen. Dem Landesverfassungsschutzamt
Baden-Württemberg zufolge spielt der Sender hierzulande durchaus eine Rolle:
Zur pro-palästinensischen Demonstrationen im April 2002 wurde von al-Manar
aufgerufen; so wurden mehr als 10 000 Menschen auf die Straße gebracht. Und
sogar in einigen Berliner Nobelhotels braucht der Gast nicht auf die Hetze
von al-Manar zu verzichten: Unter anderem das Radisson SAS in Berlin-Mitte
empfängt den Sender.
Avi Jorisch vom Washington Institute for Near East Policy bezeichnet
al-Manar als "eine operative Waffe in der Hand einer der gefährlichsten
terroristischen Organisationen der Welt". Seinen Sitz hat der 1991
gegründete Sender in einer von Schiiten bewohnten Gegend in einem Vorort von
Beirut, der stark von der Hizbollah geprägt ist. Vor der TV-Station stehen
bewaffnete Sicherheitskräfte der Hizbollah. Das Archiv des Senders ist aus
Angst vor israelischen oder amerikanischen Angriffen im Kellergeschoss
untergebracht. Nach Auskunft des Landesverfassungsschutzamtes
Baden-Württemberg zählt al-Manar "zu den beliebtesten Fernsehsendern unter
Arabern weltweit". Schätzungen zufolge gehört al-Manar zu den fünf
wichtigsten Fernsehstationen in der arabischen Welt und erreicht zehn
Millionen Zuschauer täglich.
Mitarbeitern des Senders zufolge, die von Avi Jorisch für sein Buch "Beacon
of Hatred. Inside al-Manar Hizbullah Television" interviewt wurden, ist
al-Manar dazu da, "Menschen auf den Weg zu helfen, das zu verüben, was im
Westen im allgemeinen als Selbstmordattentat bezeichnet wird". Der Sender
verfügt über direkte Kontakte zu praktisch allen militanten islamistischen
Gruppen und hilft ihnen durch Exklusiv-Interviews und Hintergrundberichte
bei der Rekrutierung und Imagepflege. So geben palästinensische
Terrorgruppen ihre Kommandoerklärungen bevorzugt an al-Manar, der ständige
Korrespondent im Gaza-Streifen etwa hat enge Verbindungen zum Islamischen
Jihad und schreibt auch für deren Zeitungen. Typisch sind Interviews wie ein
im September vergangenen Jahres ausgestrahltes Gespräch mit dem verurteilten
Islamisten Ahmad Rami, Leiter des Radio Islam in Schweden, der auf al-Manar
unter anderem erklärte, die Juden hätten die USA, Frankreich und den
gesamten Westen okkupiert. Außerdem gelte der wahre Kampf des Islam den
Juden, da das Judentum keine Religion, sondern eine kriminelle und
gefährliche Mafia sei.
Berühmt und berüchtigt wurde al-Manar vor allem durch die Berichterstattung
über den Kampf der Hizbollah gegen Israel im Südlibanon. Damals waren
Kamerateams direkt mit Hizbollah-Terroristen unterwegs und oft auch schon im
Vorfeld von Attacken am Schauplatz. Al-Manar hoffte, dass Israelis den Tod
ihrer eigenen Soldaten in Echtzeit am Fernsehschirm verfolgen könnten. Zu
diesem Zweck gab es sogar Sendungen auf Hebräisch. Alle hebräischsprachigen
Mitarbeiter von al-Manar sind ehemalige Hizbollah-Kämpfer, die in
israelischen Gefängnissen die Sprache erlernt haben. Die Hizbollah brüstet
sich heute mit der Behauptung, die Sendungen hätten eine wichtige Rolle beim
Rückzug Israels aus dem Südlibanon gespielt. Mit dem Irak-Krieg fand
al-Manar neben dem Kampf gegen Israel ein neues Hauptthema: den "Widerstand
gegen den großen Satan USA".
Neben den Nachrichten gibt es viele selbst produzierte Sendungen. Während
des muslimischen Fastenmonats Ramadan wurde auf al-Manar eine antisemitische
Serie ausgestrahlt, die an die "Protokolle der Weisen von Zion" angelehnt
ist und behauptet, die Juden hätten einen geheimen Plan zur
Weltbeherrschung. In einer Episode wird ein jüdischer Ritualmord an einem
christlichen Kind dargestellt, der dazu diene, "aus seinem Blut Matzen für
Pessach zu backen". Al-Manar war es auch, der nach dem 11. September
behauptete, die Anschläge seien in Wirklichkeit "von den Juden, Israel und
dem Mossad" begangen worden und 4 000 Juden hätten überlebt, da sie gewarnt
worden seien. Für die Propaganda besonders wichtig sind auch die Musikclips,
in denen Terroristen als Märtyrer gefeiert werden. Für die Kleinsten gibt es
ein eigenes Kinderprogramm mit Zeichentrickfilmen und Spielen, die dazu
ermuntern, Selbstmordattentäter zu werden.
In Frankreich zwang die Aufsichtsbehörde im Dezember 2004 nach einem
Regierungsbeschluss den Satellitenanbieter Eutelsat, die Ausstrahlung von
al-Manar einzustellen. Spanien und Holland folgten dem französischen
Beispiel, mittlerweile haben sieben Satellitenanbieter al-Manar aus dem
Programm genommen. Kurz nach dem französischen Verbot setzte der
US-amerikanische Senat al-Manar auf die Anti-Terror-Liste. Nun können
Mitarbeiter des Senders nicht mehr in die USA einreisen oder können
ausgewiesen werden.
Kritik an der Entscheidung kam von der Organisation Reporter ohne Grenzen.
In einer Erklärung schrieben sie: "Auch wenn einige (sic!) der
antisemitischen Äußerungen, die von al-Manar gesendet wurden, unentschuldbar
sind, so bereitet es uns Sorgen, diesen Fernsehsender in dieselbe Kategorie
wie Terroristengruppen einzuordnen." Der Internationale Journalistenverband
(IFJ), dem in Deutschland mit den in verdi zusammengeschlossenen
Journalisten und dem Deutschen Journalistenverband die beiden größten
Berufsorganisationen angehören, verurteilte das französische Vorgehen als
"Zensur". Es gäbe bald keine Fernsehsender mehr, wenn diese jedes Mal
geschlossen würden, wenn in einem Sender "anstößige und inakzeptable
Äußerungen" gemacht werden.
Auf dem Sender hatte auch die Deutsche Telekom über ihre im Libanon tätige
Tochterfirma Fal Dete Telecommunications geworben, wie der Spiegel in einer
Notiz Mitte November 2005 meldete. Und finanzierte den Sender so indirekt
mit. Die Konzernzentrale zeigte sich zwar schockiert, kündigte aber nur
zaghaft eventuelle Konsequenzen an. Wenn dies noch einmal passiere, müsse
man eben darüber nachdenken, sich von der betreffenden Firma zu trennen.
Erst vor etwa drei Jahren stoppten die meisten transnationalen Unternehmen,
darunter Pepsi, Coca-Cola, Milka und Maggi, ihre Werbung, als ihnen bekannt
wurde, in welches Umfeld sie da geraten waren. Die Telekom sollte so
eigentlich nicht mehr auf den Wiederholungsfall warten müssen, um
Konsequenzen zu ziehen.
hagalil.com
12-01-2006 |