Kein Kommentar:
Gelassenes Abwarten Israels
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Der amtierende Premierminister Ehud Olmert ist kein Mann
der großen Worte. Bei einer ersten Kabinettssitzung nach den Wahlen in den
Palästinensischen Gebieten, wies Olmert seine Minister an, das Wahlergebnis
öffentlich nicht zu kommentieren. Die islamistische Hamas erkämpfte 76 von
132 Sitzen im Parlament und hat die seit vierzig Jahren unangefochtene
Fatah-Partei mit nur noch 43 Mandaten schmerzhaft abgeschlagen. Nach einer
Sitzung seines Sicherheitskabinetts, an dem auch Außenministerin Zipi Livni
und Militärs teilnahmen, veröffentlichte die Regierung eine offizielle
Verlautbarung als vorläufig einzige Richtlinie. Der Wahlsieg der Hamas habe
eine "neue Lage" geschaffen.
Die internationale Wegekarte zur Wiederaufnahme des Friedensprozesses
(Roadmap) verpflichtete die Autonomiebehörde in ihrem Gebiet, alle
Terrororganisationen zu entwaffnen und aufzulösen. Israel halte an der
Roadmap fest. Vor etwa einem Jahr beschloss die Autonomiebehörde, Neuwahlen
mit Beteiligung der Hamas abzuhalten. Autonomiechef Mahmoud Abbas
verpflichtete sich gegenüber Israel und der internationalen Gemeinschaft,
die Hamas zu entwaffnen und in eine politische Organisation umzuwandeln, "in
Übereinstimmung mit Vorkehrungen der Roadmap".
Die internationale Gemeinschaft - so die Verlautbarung weiter- habe die
Reihenfolge umgekehrt: Erst Wahlen und danach Auflösung der
Terrororganisationen. Israel fordert nun den Palästinenserpräsidenten auf,
seine Verpflichtungen einzulösen. Alle Terrororganisationen sollten
unverzüglich entwaffnet und aufgelöst werden, um weitere Anschläge zu
verhindern.
Ohne die Hamas beim Namen zu nennen, erklärt die Regierung, dass Israel
nicht mit bewaffneten Terrororganisationen verhandeln werde, die zur
Zerstörung des Staates Israel aufrufen. In jedem Fall werde Israel den
Terror "mit schwerer Hand" weiter bekämpfen.
Ein großer Teil der internationalen Gemeinschaft habe die Hamas zur
Terrororganisation erklärt, heißt es in der Erklärung: "Die internationale
Gemeinschaft kann nicht eine Situation akzeptieren, in der eine
Terrororganisation an einer (Regierungs-)Verwaltung teilnimmt und
internationale Legitimierung anstrebt."
Zu den wenigen öffentlichen und offiziellen Erklärungen gehört eine Äußerung
der Außenministerin. Sie wiederholte, dass Hamas eine geächtete
Terrororganisation sei. Die internationale Gemeinschaft solle sich an ihre
eigenen Vorgaben halten. Nach einem Telefongespräch mit dem russischen
Außenminister erklärte Moskau, dass es nicht mehr die Errichtung eines
palästinensischen Staates unterstützen wolle, solange die Hamas nicht
Israels Existenzrecht anerkenne.
Premier Olmert telefonierte mit dem ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak
und Jordaniens König Abdullah. Er erklärte, dass Israel keinen Kontakt mit
einer Regierung mit Hamas-Beteiligung aufnehmen könne und Mubarak erfuhr:
"Keine Kooperation Israels mit der Hamas."
Seitdem schweigt Israel und bezog eine "wait and see" (Abwarten und Schauen)
Haltung. Joseph Bachar, Generaldirektor im israelischen Finanzministerium,
beim Weltwirtschaftsforum in Davos sprach von "technischen Problemen" bei
der Überweisung von etwa 40 Millionen Euro. Es handelt sich um einbehaltene
Steuern und Zölle, die Israel für palästinensische Importwaren einzieht und
automatisch nach Ramallah überweisen sollte. Die "technischen Probleme"
dürften eher ein diplomatisches Druckmittel auf die Autonomiebehörde sein.
Wegen verschwenderischer Wahlgeschenke sitzt sie auf leeren Kassen, muss
aber schon am Mittwoch 130.000 Angestellten die Gehälter auszahlen. Neben
den Geldern aus Israel fehlt der Behörde auch der wenige Tage vor den Wahlen
eingefrorene EU-Haushaltszuschuss in Höhe von 60 Millionen Euro. Schon am
Mittwoch steht das finanzielle Aus bevor.
Am Wochenende verlautbarten "israelische Regierungskreise" dass
Hamas-Politiker nicht mit VIP-Ausweisen ausgestattet würden. So können sie
nicht durch Israel von Gaza in das Westjordanland reisen. Hamasführer Ismail
Hanije höhnte, dass es gute Videoverbindungen nach Ramallah gebe. Um über
eine Regierungsbildung zu verhandeln, forderte er Präsident Abbas auf, sich
zur Hamas nach Gaza zu begeben.
Hamas-Chef Haled Maschal, heute in Damaskus, solle gar nicht erst versuchen,
in die Autonomiegebiete einzureisen. "Der würde sofort verhaftet", sagte ein
Regierungsbeamter. Maschal überlebte 1996 ein stümperhaftes Attentat von
Mossadagenten in Jordanien. Um nicht den Frieden mit Jordanien aufs Spiel zu
setzen, schickte Israel ein Antidot gegen das Gift, das man Maschal auf
offener Straße ins Ohr gespritzt hatte. Ebenso wurde Israel zur Freilassung
des legendären Hamasgründers Scheich Ahmed Jassin zustimmen. Im März 2004
wurde der Rollstuhlfahrer mit einer israelischen Rakete "liquidiert".
© Ulrich W. Sahm / haGalil.com
hagalil.com 29-01-2006 |