Volkseigener Brauch:
Kein Fest zur Geburt eines "Juden"
Von Andreas Speit
In der neonazistischen Szene herrscht
vorweihnachtliche Freude. Die Geburt eines "Juden" feiern sie
allerdings nicht. Das Weihnachtsfest ist für sie einer von vielen
"volkseigenen Bräuchen" die "christlich umgestaltet" wurden. Eine
kulturelle Niederlage, die den politischen Niedergang einleitete.
Die Christianisierung Germaniens hätte das "Volk" von seinen
"ureigenen Göttern" und "artgerechten Gebräuchen" entfremdet. Nur
mit Hinterlist sei es dem "Judäa-Christentum" gelungen, das
Germanentum niederzuringen.
"Werte der Germanen", wie Naturverbundenheit und
Kampfeswille, gingen verloren. Dass es kaum Überlieferungen gibt,
lässt viele politische Interpretationen zu. Beim Julfest wollen sie
mit Beginn der Wintersonnenwende die alten Götter und Bräuche wieder
beleben. So erscheint der Weihnachtsmann als "guter Hirte unserer
Volksseele". In Szenepublikationen erklären sie, dass der "ewige
Mahner uns alle fragt, ob wir auch artgemäß leben". Seine Rute sei
eine "Lebensrute, durch deren Berührung man Fruchtbarkeit" erlange.
Kurz vor der Wintersonnenwendfeier hatte deshalb am
Samstag die niedersächsische "Nationaldemokratischen Partei
Deutschlands" (NPD) in Bad Essen und Reppenstedt zur Weihnachtsfeier
geladen. Am "Parkhotel" in Bad Essen nahe Osnabrück waren NPD-Fahnen
gehisst. Seit kurzem hat der NPD-Bundestagskandidat Gustav Arnold
Eggerking das Hotel von seiner Schwester gepachtet, zum Schrecken
des Kurorts, wo sich ein Bürger-Bündnis gegen den Pächter gebildet
hat. Der Gemeinderat befürchtet, dass "eine rechtsextremes Zentrum"
entstehe und fordert, alle "rechtstaatlichen Mittel einzusetzen".
Immerhin bewarb Eggerking das Hotel im extrem-rechten
"Nation & Europa" als "Tagungsort für Nationale, ideal für Feste und
Feiern". Die "Einweihungsfeier mit Live-Bands" am 10. Dezember
misslang jedoch: Wegen der Rechtsrockbands wurde das Fest verboten.
Am Samstag war das nicht möglich. Allerdings überprüfte die Polizei
am Stadtrand und erneut vor dem Anwesen die etwa 100 Besucher ganz
genau, ein Wintersonnenwendfeuer war untersagt. Ob die Neonazis beim
germanischen "Toten- und Fruchtbarkeitsfest" dem vermeintlichen
Ritus folgend einen Eber opferten oder Johannesminne tranken,
verrieten sie nicht. Auch nicht, ob, wie vom neonazistischen
Frauenprojekt "Triskele" empfohlen, artgerechter "Lebkuchen" oder
"Bratapfel" gereicht wurde. Die Frauengruppe, die "zur kämpfenden
Front" gehören will, betont, dass bei der "heiligen Jahresnacht" dem
"Werden und Vergehen" gedacht werden soll. "Leben ist Kampf", heben
sie hervor.
Zur Weihnachtsfeier im "Gasthaus Reppenstedt" bei
Lüneburg kamen 30 Neonazis. Hans-Gerd Wichmann, Exlandeschef der
"Republikaner", hatte mehr Gäste erwartet. Immerhin war
NPD-Bundesvize Peter Marx angereist. Das Weihnachtsfest sollte
helfen, das "Zugehörigkeitsgefühl" vor den Kommunalwahlen zu
stärken. Heiligabend dürften Wichmann & Co. mit ihren Familien den
Julleuchter anzünden.
Andreas Speit arbeitet als Autor über die rechte
Szene Norddeutschlands. Zuletzt veröffentlichte er das Buch
"Braune Kameradschaften".
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der taz - die tageszeitung
taz muss sein:
Was ist Ihnen die
Internetausgabe der taz wert?
© Contrapress media GmbH
Vervielfältigung nur mit Genehmigung des taz-Verlags
haGalil onLine
20-12-2005 |