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Näher/innen in Dhaka protestieren nach dem Tod von Kollegen: „Das Töten von Arbeitern ist unmenschlich, wir fordern den Lohn der letzten Monate“

(C) Moleres / Laif verdi.de / publik 12-05

Bilike Schmattes:
Die Näherinnen aus der Black Box

Textilkonzerne lassen ihre Kleidung vornehmlich in Südostasien unter menschenunwürdigen Bedingungen produzieren. Doch der Widerstand der Arbeiter/innen wächst – zwei Frauen aus Bangladesch tragen ihn drei Wochen durch die Bundesrepublik.

von FRANK LUDWIG

„Die Achtung der Menschenrechte ist ein elementarer Grundsatz menschlichen Zusammenlebens. Menschenverachtende Arbeitsverhältnisse und -bedingungen widersprechen diesem Grundsatz. Bei der Ausgestaltung unserer Handelsbeziehungen achten wir daher auf die Einhaltung sozialer Mindeststandards.” So heißt es im Verhaltenskodex des Kaffeerösters und Textilkonzerns Tchibo – öffentlich einsehbar auf dessen Homepage. „Blanker Hohn”, so sieht es Rina Begum. Die 34-Jährige ist eine von zwei Millionen Näher/innen, die für Textilkonzerne wie Tchibo in Bangladesch Kleidung produziert. Bis zu 90 Stunden an sieben Tagen in der Woche.

Sie nähen im Akkord wie in einer Legebatterie

Rinas Biografie ist exemplarisch für die riesige Masse von Arbeitsmigrant/innen, die in den großen Städten des Landes versuchen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Mit 14 verlässt Rina, die wie 57 Prozent der Bevölkerung weder lesen noch schreiben kann, ihr Dorf in Richtung Dhaka, um ihre Familie finanziell zu unterstützen. In der Hauptstadt Bangladeschs arbeitet sie zunächst vier Jahre als Hausmädchen. Mit 18 fängt die Näherin dann in den riesigen Textilfabriken Dhakas an. Insgesamt 16 Jahre näht sie in den Fabriken, in denen auf sechs Etagen wie in einer Legebatterie bis zu 1400 Näher/innen im Akkord arbeiten. Für Tchibo, GAP, Umbro und andere Konzerne. Immer zu den gleichen unwürdigen Bedingungen. Ohne Arbeitsvertrag und geregelte Arbeitszeiten.

Auf Einladung der Clean Clothes Campaign (CCC), der internationalen Kampagne für saubere Kleidung (siehe Info-Punkt), ist Rina drei Wochen in der Bundesrepublik, um für die Rechte der Arbeiter/innen in den Fabriken zu kämpfen. Dafür hat die zierliche Frau ihr Land das erste Mal verlassen. „Anstrengend und aufregend zugleich” ist das für die schüchtern wirkende Näherin, die in diesen drei Wochen mit einer ihr völlig unbekannten Welt konfrontiert wird. Unterstützung findet Rina jedoch bei Shaida Sarker. Die Funktionärin des gewerkschaftlichen Dachverbandes der Textilarbeiter/innen (NGWF), der ca. 20000 Mitglieder zählt, hat selbst zweieinhalb Jahre als Nä-herin gearbeitet. Seit drei Jahren organisiert sie nun als Gewerkschafterin die Arbeiter/innen in den Fabriken.

Gemeinsam mit Vertretern der CCC machen die beiden Frauen bei Podiumsdiskussionen in vielen deutschen Städten auf die Arbeitsbedingungen aufmerksam. Besonders öffentlichkeitswirksam ist ihr Protest vor einer Tchibo-Filiale in Berlin gewesen. Dort ist mit Hilfe einer Black Box, in der drei Näher/innen von einem Aufseher immer wieder zur Arbeit angetrieben werden, der Arbeitsalltag in einer Fabrik nachgestellt worden. „Die Menschen haben Schlange gestanden, um durch die kleinen Löcher der Box einen Blick in das Innere zu bekommen”, sagt Rina. Während der Veranstaltungen berichtet sie immer wieder von ihrem Arbeitsalltag: „Ich habe jeden Tag von 8 Uhr bis 20 Uhr gearbeitet, manchmal bis tief in die Nacht. Aus Angst, den Akkord nicht zu schaffen, habe ich auf die Mittagspause verzichtet. Um nicht auf die Toilette zu müssen, habe ich nichts getrunken und stattdessen Betelnüsse gekaut. Wenn es Produktionsengpässe gab, habe ich sogar in der Fabrik geschlafen.”

Der Kaffeeröster, der seinen Umsatz mittlerweile zum großen Teil mit der Kleidungsmarke TCM macht, soll durch diese öffentlichen Proteste zur Einhaltung seines eigenen Verhaltenskodex gezwungen werden und auch den erweiterten Kodex der CCC umsetzen. Dieser sichert den Arbeiter/innen unter anderem gewerkschaftliche Organisationsfreiheit zu, die in Bangladesch zwar gesetzlich festgeschrieben ist, in den Fabriken jedoch strikt geahndet wird. Um all das zu erreichen, haben Rina und Shaida in Hamburg mit Verantwortlichen des Unternehmens gesprochen. „Die Sozialreferentin hat uns nicht ernst genommen und immer nur auf den Verhaltenskodex verwiesen”, sagt die Gewerkschafterin enttäuscht. Tchibo verpflichtet sich darin nicht nur zur Achtung der Menschenrechte und zur Einhaltung gesetzlicher und sozialer Mindeststandards, sondern auch zur unabhängigen Überprüfung der Arbeitsbedingungen. Laut Gesetz gilt in Bangladesch maximal die 60-Stunden-Woche bei einem freien Tag pro Woche. Die Einhaltung der Arbeitsstandards und -zeiten wird laut Tchibo von unabhängigen, so genannten Auditfirmen kontrolliert, die im Auftrag des Konzerns Fabriken besichtigen und überwachen sollen – unangekündigt. Tatsächlich laufen die „Kontrollen” oft nach demselben Muster ab: Zwei Wochen vorher vereinbaren Auditfirma und Geschäftsleitung einen Termin. Am Tag der Kontrolle sind die „Aufseher dann freundlicher als sonst und ermahnen uns sogar zur Pause”, so Rina.

Bis letztes Jahr hat Rina für Basic Apparels, einem Tchibo-Zulieferer, gearbeitet, der den Ruf hat, sogar etwas höhere Löhne zu zahlen als andere. 24 Euro hat sie umgerechnet für ihre Arbeit im Monat bekommen. Mit den Überstunden ist es manchmal sogar etwas mehr gewesen. Die Lohnkosten für die Produktion eines T-Shirts liegen bei einem Prozent des Verkaufspreises. Nach Abzug von Trans-portgebühren, Fabrikkosten und Mar-kenwerbung, die 25 Prozent ausmacht, bleiben 50 Prozent für den Einzelhandel. Trotz dieser Zahlen kürzt Basic Apparels letztes Jahr den Lohn. Rina geht mit anderen Arbeiterinnen auf die Straße, nimmt ihr Streikrecht wahr. Die Polizei reagiert repressiv. Rina und acht weitere Kolleginnen sitzen neun Tage in Haft. Danach wird sie entlassen. „Rausgeschmissen haben sie mich”, sagt sie. „Insgesamt 230 haben sie vor die Tür gesetzt, alles Gewerkschafter/innen.”

Tchibo ist nur ein Beispiel globaler Ungerechtigkeit

Seit dem Sommer ist die Näherin arbeitslos. Zurzeit bekommt sie eine kleine Unterstützung von der NGWF. Auch deswegen sind die beiden Frauen in Deutschland: Sie fordern von Tchibo die Wiedereinstellung der 230 Gewerkschafter/innen. Es geht der Kampagne aber nicht nur um Tchibo. „Tchibo ist nur ein Beispiel”, sagt Shahida Sarker: „Unser Ziel ist es vielmehr, die Menschen allgemein über globale Ungerechtigkeiten aufzuklären.” Die Konsument/innen von Tchibo fordert sie auf, in den Filialen gegen die Arbeitsbedingungen zu protestieren. Das sieht auch Rina so: „Wir haben in den drei Wochen viele Menschen durch unseren Protest aufgeklärt. Wir werden ihn auch zu Hause fortsetzen, bis sich die Arbeitsbedingungen für alle Arbeiter/innen wirklich verbessern.” Nicht nur bei Tchibo.

www.cleanclothes.org

Starker Stoff bei Lidl & Co
Auch bei Lidl, Aldi, Plus und Wal-Mart landen Billig-Textilien aus Südostasien in den Ramschkisten. Und so wie inzwischen die Wettbewerbsspirale in den Herstellerländern weiter die Löhne und Arbeitsbedingungen der Näher/innen drückt, werden auch in Deutschland die Folgen einer schier grenzenlos billigen Produktion immer deutlicher.
Konsumenten haben die Schnäppchenjagd zum Hobby gemacht oder sind so arm, dass das Geld nur für billig reicht. Die Discounter geraten dabei längst auch in die Preisspirale nach unten. Mit der Konsequenz, dass sich die Arbeitsbedingungen ihrer Beschäftigten zunehmend verschlechtern. Die Gewerkschaften hält man sich deshalb am liebsten fern bei Lidl & Co.

hagalil.com 28-11-2005

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