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Mord, Raub, Plünderung:
Vorgeschmack der Hölle

Gespräch mit Jürgen G. Richter über den 9. November 1938 und Antisemitismus heute

Das Gespräch führte Peter Altmann
"antifa" - Magazin für antifaschistische Politik und Kultur

Wenn wir uns in diesen Tagen mit dem 9. November 1938 beschäftigen, dem Tag als die Nazis die Synagogen in Brand steckten, stellt sich die Frage: Geht es dabei eher um historische Erinnerung oder wirken diese furchtbaren Ereignisse bis in unsere unmittelbare Gegenwart hinein?

Das Fanal der brennenden Synagogen strafte alle Lügen, die sich über die wahren Absichten der Hitler-Faschisten Illusionen oder verharmlosende Vorstellungen gemacht hatten. Und doch: Wir treffen Einzelne noch immer, die "nichts wussten". Die auch nach dem 9. November nichts wussten. Nichts wissend die Wohnungen der Deportierten mit plünderten und noch die eingekochte Marmelade aus dem Keller stahlen. Brave Geschäftsleute, die arisierte Läden übernahmen, nette Familien, die im Zwangsausverkauf jüdischen Eigentums das Schnäppchen einer voll möblierten Wohnung machen wollten: Mord, Raub, Plünderung - der 9. November 1938 ist der Vorgeschmack der kommenden Hölle.

Sieben Jahre später, am 9. November 1945, schrieb der ehemalige Frankfurter Oberrabbiner Leopold Neuhaus in der "Frankfurter Rundschau": "Der Synagogenbrand war das Fanal zur Zerstörung überhaupt. Konzentrationslager, Beschimpfung, Degradation, Verachtung, Ächtung des jüdischen Menschen, Ausrottung von Millionen von Juden, die nichts anderes 'verbrochen' hatten, als nur das eine, dass sie als Juden geboren waren. Welcher Jude und welcher Mensch von Kultur und Bildung kann dies je aus seinem Gedächtnis löschen?"

Wenn wir die Opfer jemals vergessen, wird ihr Tod endgültig. Ihr Auftrag an uns ist aber ganz eindeutig: Wo immer und in welchem Gewand der Antisemitismus seine Fratze zeigt, sind wir es, diejenigen, die noch leben, die an Stelle der Toten für diese Zeugnis ablegen. Und sagen: Keinen Fußbreit den Feinden der Menschheit!

Bedeutet die Aktualität des öffentlichen Gedenkens an den 9. November, aber auch die anhaltende Aufklärung über Auschwitz, die seit Jahren eine breite Öffentlichkeit erreicht, dass der Antisemitismus zurückgedrängt wurde?

Martin Luther King war es, der festgestellt hat, dass sich Antisemitismus heute oft im Gewand des "Antizionismus" zeigt. Die ins Internationale greifende Problematik jüdischen Lebens in Deutschland hat auch immer viel mit dem Staat Israel zu tun. Es ist durchaus Sitte geworden, einerseits zu behaupten, Kritik an Israel sei hierzulande Tabu und dürfe leider nicht geäußert werden, um dann lauthals und oftmals, bis in die politischen Eliten hinein, israelische Politik verbal mit nazistischen Verbrechen gleichzusetzen. Wobei sich die klassischen Muster "rechts" und "links" da oft gleichen. Als Jude in Deutschland, selbst als jüdischer Schüler im Gemeinschaftskundeunterricht - ich weiß das von meinem Sohn - ist man stets und ständig zur Kommentierung und Rechtfertigung der jeweils aktuellen israelischen Politik angefragt. Das erste Angebot, das man dann von seinem nichtjüdischen Gegenüber gemacht bekommt, ist doch - bitte schön - Ariel Scharon oder die Politik der USA als das eigentliche Problem im Nahen Osten zu identifizieren und augenblicklich die Partei Uri Avneris oder anderer gerne zitierter jüdischer Kritiker des Staates Israel zu ergreifen. Zahlt man diesen Eintrittspreis, ist man guter Jude und gern gesehener Gesprächs- und Redepartner. Verweigert man aber diesen wohlfeilen Obulus und tritt stattdessen für eine differenzierte Ursachen-/Wirkungs-Analyse ein, wird man schnell mit antisemitischen Stereotypen vom Schlage "Alttestamentarische Rachsucht" konfrontiert.

Aber es gibt ja nicht nur antisemitische Haltungen und Tätlichkeiten, sondern auch demokratische, antifaschistische Kräfte, die, wie die VVN-BdA, an der Seite der jüdischen Menschen stehen...

Wir Juden in Deutschland vertrauen dieser Demokratie und unseren nichtjüdischen Freundinnen und Freunden, die uns jeden Tag das Gefühl geben: Ihr gehört hierher! Diese Freunde, die mit uns leiden, wenn jüdische Friedhöfe geschändet werden, wenn in Bochum die NPD mit gerichtlicher Erlaubnis gegen das geplante jüdische Gemeindezentrum demonstrieren darf. Ein Skandalon, das man noch wenige Jahre zuvor für unmöglich gehalten hätte. Wenn in Sachsen große Teile der Jugend bei den Wahlen den braunen Rattenfängern hinterherlaufen, wenn in Berlin als orthodoxe Juden erkennbare Menschen von arabischen Jugendlichen zusammengeschlagen werden. Diese Freundinnen und Freunde zünden viele Lichter an gegen Indifferenz, Dummheit, Rassenwahn und Intoleranz. Manchmal tragen auch junge Demonstranten dieses Licht, wenn sie - manchmal trotz Versammlungsverbots - gegen die Nazi-Aufmärsche protestieren.

Was erwarten Sie sich in unserem Land zum 9. November?

Lassen Sie mich noch einmal Oberrabbiner Neuhaus zitieren: "In memoriam 9. November 1938! Ihr deutschen Menschen, die ihr abrücket von diesen Schändern des deutschen Namens: An jedem 9. November haltet für eine Weile den Atem an, in memoriam dessen, was nie wieder gutzumachen ist!"

hagalil.com 09-11-2005

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