Stolzer weißer Mann:
Preußisch Blau
Sie sind dreizehn Jahre alt und finden
Hitler gut. Prussian Blue aus den USA sind die erste Teenieband für
Neonazis.
Von Markus Ströhlein
Jungle World 47 v.
23.11.2005
Diese vier Minuten wollen einfach nicht vergehen. Die
Geige, ein Instrument, das sich in ungeübten Händen zu einem Werkzeug des
Schreckens verwandelt, versucht eine Melodie über unsicher gezupfte
Gitarrenakkorde zu fiedeln. Die zwei dünnen Stimmchen schaffen es, die
richtigen Töne konsequent zu verfehlen. Doch das wirklich Schreckliche ist
nicht die musikalische Form, sondern der Inhalt.
"Die Zeiten sind hart für einen stolzen weißen Mann. Bald wird ein großer
Krieg kommen, ein blutiger, aber heiliger Tag. Eine mächtige Rasse gilt es
zu verteidigen." Das singen nicht etwa stiernackige Boneheads. Die Band
Prussian Blue gibt die Zeilen in dem Song "Victory Day" zum Besten.
"Prussian Blue", das sind die Zwillinge Lynx und Lamb Gaede aus der
kalifornischen Stadt Bakersfield. Sie sind dreizehn Jahre alt. Harmlos sehen
sie aus. Auf den meisten Fotos tragen sie labberige Kapuzenpullis, Jeans und
Turnschuhe. Die blonden Mädchen grinsen in die Kamera, ihre Zahnspangen
glitzern. Lynx und Lamb wären die typischen All-American Girls, trügen sie
nicht auf manchen Fotos T-Shirts mit Hitler-Smileys.
Im Video zu "Victory Day" hüpfen die beiden in Dirndln über saftige, grüne
Wiesen oder schauen ernst bis betreten in die Kamera, wenn sie über das
schlimme Schicksal des weißen Mannes singen. Man möchte die Echtheit des
Videos bezweifeln, so absurd scheint die Szenerie.
Doch Prussian Blue sind echt. Sie haben ihre Band so genannt, weil sie
angeblich von deutschen Einwanderern abstammen und weil sie blaue Augen
haben. Und sie bieten noch eine andere Erklärung ihres Namens: "Es gibt die
Diskussion über das Fehlen der Farbe ›Preußisch Blau‹, die als Rückstand von
Zyklon B übrig bleibt, an den Wänden der so genannten Gaskammern in den
Konzentrationslagern."
April Gaede, die Mutter der Zwillinge, hat ihre Töchter offenbar nicht
erzogen, sondern von klein auf abgerichtet. Die Kinder besuchen keine
öffentliche Schule, sondern werden von der Mutter zu Hause unterrichtet. Der
Großvater der Zwillinge ist ebenfalls ein bekennender Nazi. Die Rinder, die
er auf seiner Farm züchtet, erhalten als Brandzeichen Hakenkreuze. Lynx und
Lamb haben eine kleine Schwester. Sie ist knapp zwei Jahre alt und heißt
Dresden. Sie kann zwar noch nicht schreiben, hat aber trotzdem schon ein
Webblog. Dort beschreibt ihre Mutter unter anderem, wie erbaulich für die
kleine Dresden eine Reise nach Deutschland war.
Die Band ist jedoch nicht einfach eine Freizeitbeschäftigung zweier
verhetzter Teenager aus einer durchgeknallten Familie von Hinterwäldlern.
Der Ehrgeiz der Mutter hat die Band ziemlich weit nach vorn gebracht. Schon
mit neun Jahren sangen die Zwillinge auf Treffen US-amerikanischer
Neonaziorganisationen und wussten mit zackig choreografierten Hitler-Grüßen
die Menge zu begeistern.
Seit dem Jahr 2003 treten sie als Prussian Blue auf und haben sich zu
Shooting Stars der amerikanischen Neonaziszene entwickelt. Ende Oktober
widmete sich ein Dokumentarfilm des Fernsehsenders ABC über die
White-Power-Szene in den USA ausführlich dieser irrwitzigen Band. Vor der
Kamera reden Lynx und Lamb über ihre Liebe zu Adolf Hitler wie andere
Teenager über ihren ersten Freund. Dann geht es mit dem Kamerateam ab ins
Wohnzimmer von Familie Gaede, wo die Zwillinge das Computerspiel "Ethnische
Säuberung" spielen.
Das erste Album von Prussian Blue, "Fragment of the future", ist Ende 2004
erschienen. Darauf ist der Song "Victory Day" zu finden. Er ist eine
Coverversion eines Liedes der US-amerikanischen Band "Rahowa", deren Name
eine Abkürzung für "Racial Holy War" ist. Auch eine Coverversion eines
Titels von "Skrewdriver" haben die Mädchen auf der Platte veröffentlicht. Es
gibt aber auch Eigenkompositionen wie "Aryan Man Awake" oder "Sacrifice". Im
letztgenannten Stück geht es um Rudolf Heß, wie bei allen Songs untermalt
von dilettantischem Folk: "Rudolf Heß, Mann des Friedens, er hat nicht
aufgegeben, er hat niemals aufgehört. Erinnert euch seiner und schweigt."
Erschienen ist die Platte bei Resistance Records, einem führenden
US-amerikanischen Label für Nazirock aller Schattierungen. Zwischen
Skrewdriver, Noie Werte und dem skandinavischen NS-Black-Metaller Burzum
stehen Prussian Blue im Angebot.
Der Manager des Labels ist Erich Gliebe. Der ehemalige Boxer, der unter dem
Namen The Aryan Barbarian in den Ring gestiegen ist, hält große Stücke auf
die Zwillinge, wie er im Interview mit ABC verrät: "Sie sind jung und
talentiert. Und sie haben ein starkes Rassenbewusstsein."
Gliebe ist nicht nur der Manager der Band und des Labels. Er ist auch der
Chef der National Alliance (NA). Unter dem Vorsitz seines Vorgängers William
Pierce wurde sie zu einer der wichtigsten Neonaziorganisation in den USA.
Sie vertreibt etliche Printmedien, besitzt mehrere Plattenlabels und hat
internationale Kontake, u.a. zur NPD. Unter Gliebes Führung hat sie seit dem
Jahr 2002 zwar an Einfluss eingebüßt, Prussian Blue profitieren aber immer
noch von dieser Verbindung ins politisch aktive Lager.
Auf dem von der National Alliance finanzierten Festival "Folk the System
2004" waren sie einer der Hauptacts. In aller Regelmäßigkeit treten sie bei
Kundgebungen und Treffen der Organisation auf. Prussian Blue sind aber nicht
nur die Hauskapelle der NA. Einer ihrer Fans ist David Duke, ein Mitgründer
des "neuen" Ku-Klux-Klan und einer der bekanntesten Rassisten und
Antisemiten in den USA. Wenn der Klan marschiert, marschieren von Zeit zu
Zeit auch Lynx und Lamb mit.
Der Sprung ins große, internationale Geschäft scheint den Zwillingen
zunächst jedoch verwehrt zu bleiben. Die australische Zeitung Sunday Mail
berichtete in der vergangenen Woche, dass ein Veranstalter Prussian Blue für
mehrere Konzerte down under buchen wollte. Der Protest jüdischer Verbände
und von Organisationen der Aborigenes ließ jedoch das Ministerium für
Einwanderung einschreiten. Ein Sprecher des Ministeriums sagte, man werde
Prussian Blue wahrscheinlich die Einreise verweigern. Australische Noenazis
müssen sich also weiterhin mit dem Video zu "Victory Day" begnügen.
hagalil.com
11-07-2005 |