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Fuchs oder Löwe?
Warum wählt man?

Von Alice Schwarz

Nachdem sich die israelische Öffentlichkeit über den Blitzsieg des Amir Peretz in den internen Wahlen der Arbeitspartei etwas beruhigt hatte, wandte sich die Aufmerksamkeit dem "Phänomen Peres" zu.

Seine Niederlage beschäftigte diese Woche weiter intensiv die Kommentare. In größerem Maßstab gesehen geht es um die wichtige Frage, wieso und warum ein Politiker gewählt wird. Dahinter steckt mehr als nur das Interesse für das Schicksal eines führenden Funktionärs; es geht um das innere Getriebe und Gefüge der Demokratie.

Volkes Stimme ist angeblich Gottes Stimme. Aber wie kann sich diese aus den Stimmen eines vielköpfigen Wesens namens Publikum zusammensetzen, in dem es ebenso viele kluge Leute wie auch totale Trottel gibt?

Sind demokratische Wahlen ein Barometer der Intelligenz eines Volkes oder ein Resultat seiner Triebe?

Oder geht es einfach um den Apparat?

An Hand der Abwahl von Schimon Peres und der Anwahl von Amir Peretz rumorte es besonders stark im Hexenkessel der Massenmedien. Einige interessante Theorien wurden vorgeführt.

Ejtan Haber verglich in "Jedioth Achronoth" den Sieg von Amir Peretz mit dem eines Langstreckenläufers. In den ersten Runden gibt es einen "Pulk" von Läufern, die dicht beieinander laufen und einander Windschutz geben. Knapp vor der Schlussrunde bricht dann plötzlich und unerwartet einer aus der Menge, oft ein Außenseiter, auf den man kaum gesetzt hat. Er sprintet nach vorne, setzt sich an die Spitze und siegt.

Aber warum und wieso? Der Erfolg des "neuen Mannes" sei vor allem darauf zurückzuführen, dass er neu ist. Viele Wähler haben ganz einfach die Nase voll von den alten Gesichtern. Dass er "das Blaue vom Himmel versprach", hat natürlich auch nicht geschadet; aber viele, die ihn wählten, haben gar nicht viel von seiner Ideologie gewusst. Nichts, außer dass es den Armen besser und den Reichen schlechter gehen soll.

In vielen Punkten hat er gar keine Ideologie. Er war eben neu, eine Abwechslung, jemand anderer, der seine Versprechungen vielleicht halten wird (oder vielleicht auch nicht, weil unmöglich).

Ein Punkt ist klar geworden: Amir Peretz hat gewisse alte Mapai-Methoden zurückgebracht. Altangesessene Israelis erinnern sich noch genau, wie das zuging. Eine nicht geringe Rolle spielte das rote Parteibuch, das gewisse Privilegien mit sich bringen konnte. Betriebsräte waren allmächtig. Sehr wichtig waren auch die durchführenden Organe. Im Roten Haifa kamen oft die Hapoel-Ordner bei Mapai-Versammlungen zum Einsatz.

Es konnte durchaus vorkommen, dass sie unerwünschte Zwischenrufer aus dem Saal hinausbeförderten. Als Uri Avnerys Skandalzeitschrift "Haolam Hase" solches an den Tag brachte, ließ Bürgermeister Aba Chuschi sie kurzerhand an den Kiosken konfiszieren... Das ging schon damals nicht gut aus und geht heute erst recht nicht. Heute sorgt die Polizei ziemlich unparteiisch für Ordnung. Doch der organisierte Aufmarsch kann immer noch bewerkstelligt werden. Genau so wie der persönliche Druck auf den Wähler.

Das Volk sah die verdiente Ehrung des ermordeten Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin auf dem nach ihm benannten Platz im Fernsehen. Es sollte eine überparteiliche und allumfassend globale Veranstaltung sein. Der Fernsehzuschauer sah aber nicht, was wir, da anwesend, aus der Nähe wahrnahmen: der beinahe schon übertriebene Kult um die Ikone Rabin wurde unterfüttert mit Zehntausenden jungen Mitgliedern der Arbeitenden und Lernenden Jugend sowie "Schalom Achschaw", die in Blauhemd per Autobus herbeigekarrt wurden.

Sie füllten den Platz mit Enthusiasmus und Tonnen von Abfällen. Riesige Spruchbänder feierten "Frieden jetzt" und den umstrittenen Vertrag von Genf. Hätte Rabin das gewollt? Peretz sonnte sich in der Anwesenheit internationaler Prominenz wie den Clintons, die bewegend sprachen, und auch Jossi Beilin war strategisch anwesend. Massenbegeisterung kann man mit den entsprechenden Mitteln hervorragend organisieren.

Das nahm der bewegenden Veranstaltung nichts von ihrer Größe, den echten Gefühlen, dem tiefen Eindruck insbesondere im Fernsehen. Aus der Nähe sah man aber die Fädenzieher. Und war ein bisschen verstimmt. Es störte einen auch, dass die Seelenlichtverkäufer ein so gutes Geschäft machten, so eindrucksvoll das Meer von brennenden Kerzen auch nachher war.

Schimon Peres stand gleichfalls auf dem Podium, und das bewies sein Format. Er hatte den tiefen Sturz, die demütigende Niederlage, die so-und-so-vielte Wahlkatastrophe seines langen Lebens, anscheinend völlig überwunden. Peres stand auf dem ihn gebührenden Platz, zehn Jahre nach jenem schrecklichen Tag. Er stand vor dem Videobild der Versammlung von damals, der Aufnahme des Friedenslieds mit Besetzung Rabin/Peres auf der gleichen Tribüne von damals. Er hielt wieder eine großartige Rede, - und wenn morgen gewählt wird, würde er höchstwahrscheinlich wieder verlieren.

Er ist aus einem anderen Holz geschnitzt, sagte sein Sohn, der Geschäftsmann Chami Peres, in einem Interview. Ein anderer hätte sich nach der katastrophalen, weil diesmal unerwarteten und doch so oft wiederholten Niederlage wenigstens einige Tage nicht blicken lassen. Peres erhielt die Hiobsbotschaft um vier Uhr Morgens, in seiner Kanzlei. Er wurde grau im Gesicht und ging schlafen. Am nächsten Morgen stand er zeitig auf, turnte wie immer, zog sich sorgfältig an und erkundigte sich nach seinem Terminkalender. Alle vorgesehenen Termine wurden eingehalten. Am Freitag Abend war er der Star bei einer Veranstaltung des Strategischen Forums des Geschäftsmannes Chaim Saban, der bekanntlich in Deutschland den Fernsehsender Sat I kaufte, sanierte und gewinnbringend wieder verkaufte und zu dessen Veranstaltung in Jerusalem Botschafter, Minister, Knesset Mitglieder, US-Senatoren und internationale Forscher und Geschäftsleute kamen. Peres war wie immer sorgfältigst gekleidet, im eleganten Anzug mit passender geschmackvoller Krawatte. Nichts war ihm anzumerken. Er sprach mit Enthusiasmus und Überzeugung. Nach der Ansprache von Peres brachte ihm das illustre Publikum eine stehende Ovation dar. Ministerin Zippi Livni machte den Anfang mit Aufstehen und Applaudieren.

Warum ist Peres der Liebling der Umfrageteilnehmer und der Verlierer bei den Wählern? Es fehlt nicht an Theorien. Sie sind so zahlreich wie Sand am Meer und die Versuche zur Erklärung der Massenpsychologie.

1988 lud vor den Wahlen das Informations-Hauptquartier des Maarach (damalige Arbeitspartei) einen kanadischen ex-israelischen Wissenschaftler ein. Er sollte erhellen, warum eine solche Differenz zwischen den siegreichen Wahlprognosen für Peres und den Resultaten an der Urne besteht. Die Umfragen erfolgen per Telefon, der Forscher ließ die Befragten auch im persönlichen Gespräch zu Wort kommen.

Es stellt sich heraus, dass man an Telefon nicht immer die Wahrheit "aus dem Bauch" sagt. Man sagt, wovon man glaubt, man müsse es sagen. Im Gespräch von Angesicht zu Angesicht kann man den Leuten auf den Zahn fühlen. Da kommt oft etwas ganz anders heraus.

Man forderte unter anderem die Befragten zu Assoziaionen auf: an welches Tier denken sie bei einem gewissen Politiker? Bei Peres dachten sie an einen Luchs oder Fuchs. Bei Scharon an einen Löwen, Bären oder Elefanten.

Offenbar wünschen sich mehr Leute einen Löwen, Bären oder Elefanten als Ministerpräsident. An welches Tier sie bei Peretz dachten, ist noch nicht ermittelt.

Das ist kein gutes Kriterium, um die Zukunft eines Landes zu bestimmen, aber offenbar oft wirksam. Doch Scherz beiseite: Man kann nur hoffen, dass die Wähler im kommenden Februar oder März sich mehr vom Kopf und weniger vom Bauch bestimmen lassen. So wichtig es sein mag, dass er nicht leer ist.

hagalil.com 20-11-2005

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