Israels Abkopplunsplan:
Zur Erneuerung des Friedensprozesses
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Einleitung
In den letzten Monaten flackerten die
Hoffnungen und Aussichten auf einen Frieden im Nahen Osten wieder auf. Der
Tod Yassir Arafats und die Wahl seines Nachfolgers Mahmoud Abbas haben
Erwartungen einer neuen Ära in den Beziehungen zwischen Israelis und
Palästinensern geweckt. In diesem Zusammenhang sollte Israels
Abkopplungsplan vom Dezember 2003, umgesetzt im Sommer 2005, als ein
wichtiger Schritt in die richtige Richtung verstanden werden.
Seitdem Judäa und Samaria (das Westjordanland) und der Gazastreifen im
Sechs-Tage-Krieg von 1967 unter israelische Verwaltung gerieten, war der
Status dieser Gebiete stets klärungsbedürftig. Israel wurde gezwungen, zur
Selbstverteidigung Kriege zu führen, und die umstrittenen Gebiete galten
nicht als Besatzungsgebiete, sondern waren als Teil zukünftiger
Verhandlungen für einen dauerhaften Frieden vorgemerkt.
Obwohl Israel historische Verbindungen, Sicherheitsbedürfnisse und andere
lebenswichtige Interessen hat, die unmittelbar mit diesen umstrittenen
Gebieten zusammenhängen, hatte Israel niemals die Absicht, über eine
umfangreiche palästinensische Bevölkerung zu herrschen. Israel ist wie immer
bereit, die vitalen Interessen der Palästinenser in diesen Gebieten zu
berücksichtigen. Ziel ist es, eine gerechte Regelung zu schaffen, die es
beiden Völkern erlaubt, in wahrem Frieden und in Sicherheit zu leben. Israel
hat seine Bereitschaft, Land gegen Frieden einzutauschen, bereits 1979 in
dem Friedensvertrag mit Ägypten unter Beweis gestellt, als die gesamte
Sinaihalbinsel an Ägypten zurückgegeben wurde. Diese Entscheidung war mit
schmerzlichen Opfern verbunden, darunter die Räumung der Stadt Yamit und die
Aufgabe aller Siedlungen im Sinai.
Ministerpräsident
Sharon stellt der Knesset den Abkopplungsplan vor
(GPO / Amos Ben Gershon)
Im Abkopplungsplan, formuliert 2003, erwägt Israel den
Rückzug aus dem Gazastreifen und vier Siedlungen im Norden des
Westjordanlandes, eine Initiative, die erstmals die Möglichkeit einer
friedlichen Koexistenz mit der Palästinensischen Behörde unter der neuen
Führung von Mahmoud Abbas auf die Probe stellen wird. Dieser mutige Schritt
zur Beendigung des Stillstands im Friedensprozeß folgt einer Zeit von vier
Jahren blutigen Terrors, der Israelis und Palästinensern unsägliches Leid
zugefügt hat.
Die Vorbereitungen zur Umsetzung des Abkopplungsplans der israelischen
Regierung, der von der Knesset, dem israelischen Parlament, im Oktober 2004
verabschiedet worden war, erhielten einen wichtigen Auftrieb durch den
Gipfel von Sharm el-Sheikh im Februar 2005. Während dieses Treffens
erklärten der israelische Ministerpräsident Ariel Sharon und der Vorsitzende
der Palästinensischen Behörde Abbas ein Ende der Gewalt; damit erneuerten
sie formal den Friedensdialog.
Der Abkopplungsplan ersetzt keineswegs die notwendigen Verhandlungen. Doch
er kann einen wichtigen Beitrag leisten zur Erneuerung des Friedensprozesses
nach dem Modell der „Road Map“, die von den Vereinigten Staaten, der
Europäischen Union, Rußland und den Vereinten Nationen getragen wird -
vorausgesetzt natürlich, dass die Palästinensische Behörde die Infrastruktur
des Terrors beseitigt. Israel möchte, dass die direkten Verhandlungen
zwischen Israel und den Palästinensern über den endgültigen Status in der
Aufnahme voller, friedlicher Beziehungen zwischen Israel und einem
palästinensischen Staat resultieren.
Der Plan birgt natürlich seine Risiken, aber er bietet eine Gelegenheit, die
Israel auf keinen Fall versäumen möchte. Außenminister Silvan Shalom hat
diesen Umstand in einer Ansprache vor der Kennedy School of Government in
Harvard am 7. März 2005 mit folgenden Worten zum Ausdruck gebracht:
“Wir wissen, daß die Bemühungen zur Lösung unseres Konflikts mit den
Palästinensern positive Auswirkungen auf ein breites Spektrum
internationaler Angelegenheiten haben, und wir fühlen uns dieser Aufgabe
verpflichtet. Wir sind bereit, die Risiken des Friedens einzugehen.”
..."Die Abkopplung verfolgt zwei
Ziele: die Verbesserung der Sicherheit Israels durch eine Reduzierung des
Terrors und die Förderung der israelischen Wirtschaft durch die Anhebung der
Lebensqualität"...
Entwicklung des Plans
Der Abkopplungsplan wurde vom israelischen Kabinett am 6. Juni 2004
beschlossen und von der Knesset am 25. Oktober 2004 verabschiedet.
Vorgestellt wurde er jedoch bereits am 18. Dezember 2003 von
Ministerpräsident Ariel Sharon in einer Ansprache auf der 4.
Herzliya-Konferenz.
Ministerpräsident
Sharon auf der Herzliya-Konferenz
(GPO / Moshe Milner)
Sharon sagte den Teilnehmern dieses jährlichen „Gipfeltreffens“
hocheinflußreicher israelischer und internationaler Führungskräfte: “Wie
alle israelischen Bürger sehne ich mich nach Frieden. Ich weiß, wie wichtig
es ist, alle erdenklichen Schritte zu unternehmen, um einen Fortschritt bei
der Lösung des Konflikts mit den Palästinensern zu erzielen. Doch angesichts
der übrigen Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind, beabsichtige
ich nicht, unbegrenzt auf die Palästinenser zu warten, wenn sie sich nicht
entsprechend um eine Beendigung des Konflikts bemühen.”
Ministerpräsident Sharon stellte den Plan in den Zusammenhang der „Road
Map“, deren Akzeptierung durch Israel er ein Jahr zuvor auf der
Herzliya-Konferenz verkündet hatte:
“Die ‚Road Map‘ ist der einzige politische Plan, der von Israel, den
Palästinensern, den Amerikanern und der Mehrheit der internationalen
Gemeinschaft akzeptiert worden ist. Wir sind zu seiner Umsetzung bereit:
zwei Staaten - Israel und ein palästinensischer Staat - leben nebeneinander
in Ruhe, Sicherheit und Frieden.”
Sharon wies darauf hin, daß eine wesentliche Bedingung der „Road Map“ die
Forderung nach einem Ende des Terrorismus und einer Auflösung der
terroristischen Organisationen ist:
“Das Konzept hinter diesem Plan geht davon aus, daß nur Sicherheit zum
Frieden führen wird - allein in dieser Reihenfolge. Ohne die
Errungenschaften umfassender Sicherheit - innerhalb eines Rahmens, in dem
die Terrororganisationen aufgelöst werden - wird es nicht möglich sein,
einen wahren Frieden, einen Frieden für künftige Generationen, zu schaffen.”
Der Ministerpräsident rief die Palästinenser auf, sich den Herausforderungen
einer friedlichen Koexistenz zu stellen:
“Wir möchten, daß Sie sich selbst in ihrem eigenen Land regieren: einem
demokratischen palästinensischen Staat mit territorialer Kontinuität in
Judäa und Samaria und einer wirtschaftlichen Lebensfähigkeit, der normale
Beziehungen in Ruhe, Sicherheit und Frieden mit Israel hat. ... Wir hoffen,
daß die Palästinensische Behörde dabei eine Rolle übernehmen wird. Doch wenn
die Palästinenser in wenigen Monaten noch immer nicht ihren Anteil an der
Implementierung der ‚Road Map‘ erfüllt haben, dann wird Israel einseitige
Sicherheitsschritte einer Abkopplung von den Palästinensern einleiten.”
Die Abkopplung verfolgt zwei Ziele, sagte Sharon: die Verbesserung der
Sicherheit Israels durch eine Reduzierung des Terrors und die Förderung der
israelischen Wirtschaft durch die Anhebung der Lebensqualität.
“Wir sind an direkten Verhandlungen interessiert, aber wir beabsichtigen
nicht, die israelische Gesellschaft zu Geiseln der Palästinenser zu machen.
Ich habe bereits gesagt: Wir werden nicht unbegrenzt auf sie warten.”
Und Sharon bemerkte, “der Abkopplungsplan verhindert nicht die Umsetzung der
‚Road Map’. Vielmehr handelt es sich um einen Schritt, den Israel zur
Verbesserung seiner Sicherheitslage ergreifen wird, weil andere
Möglichkeiten fehlen. Der Abkopplungsplan wird nur dann umgesetzt werden,
wenn die Palästinenser sich weiterhin ihren Verpflichtungen entziehen und
die Implementierung der ‚Road Map’ aufschieben.”
Heute besteht berechtigter Optimismus, daß der Abkopplungsplan erfolgreich
dazu beitragen wird, Friedensbemühungen voranzutreiben, wo frühere Versuche
gescheitert sind. Der Tod Arafats und die Wahl Mahmoud Abbas’ zum
Vorsitzenden der Palästinensischen Behörde haben neue Möglichkeiten
geschaffen, die Hauptpunkte des Plans mit der palästinensischen Seite zu
koordinieren. Der erneuerte Dialog und die Koordination zwischen Israel und
der Palästinensischen Behörde werden hoffentlich zusammen mit den
palästinensischen Schritten zur Beendigung des Terrors und der Beseitigung
seiner Infrastruktur eine geregelte Übergabe der Sicherheitsverantwortung
ermöglichen und garantieren, daß die Umsetzung des Abkopplungsplans
tatsächlich die Bedingungen vor Ort verbessert, so daß ein Fundament
entsteht, auf dem die Verhandlungen zwischen beiden Seiten wieder
aufgenommen werden können.
Hauptpunkte des
Abkopplungsplans
Dossier zum Rückzug:
http://www.israel-nachrichten.de/israel/dossier-gaza.htm
hagalil.com 01-11-2005 |