Wie ein Islamismuskritiker
bedroht wird:
Mordaufruf im Internet
Von Ulrich Neumann und Fritz Schmaldienst, Bericht für Report Mainz vom
17. Oktober 2005
Erstmals ist jetzt auch in Deutschland eine Morddrohung
von fanatischen Islamisten aufgetaucht. Ausgesprochen gegen einen deutschen
Wissenschaftler. Wie ernst das zu nehmen ist, wissen wir spätestens seit der
Ermordung des holländischen Regisseurs Theo Van Gogh. Der
islamkritische Filmemacher Theo Van Gogh. Ende vergangenen Jahres wurde er
in Amsterdam auf offener Straße von einem muslimischen Extremisten
hingerichtet, bereits zuvor mit Mord bedroht von Glaubensbrüdern des
Mörders. Damals schien Holland für uns noch weit weg. Doch der religiös
motivierte Irrsinn ist inzwischen auch in Deutschland angekommen.
Irgendwo in Deutschland. Wir treffen den Islamwissenschaftler Hans-Peter
Raddatz. Wir dürfen nicht sagen wo, denn sein Leben ist gefährdet. Seit
Jahren ist Raddatz einer der wichtigsten Interpreten des Islam und
islamistischer Bestrebungen hier bei uns. Nach seiner Auffassung sind
westliche Demokratie und islamistische Herrschaftsordnung unvereinbar.
Deshalb wird er von Fundamentalisten heftigst angefeindet. Nun hat der Hass
radikaler Muslime auf Raddatz eine neue Qualität erreicht.
Das Internetportal muslim-markt.de, das bedeutendste deutschsprachige
Kontaktforum für Muslime, aber auch ein Tummelplatz von Extremisten. Hier
wurde vor vier Wochen ein Text veröffentlicht, auf den ersten Blick ein
Gebet, aber dann folgen diese alarmierenden Zeilen.
Zitat:
»Und wenn Herr Raddatz ein Hassprediger und Lügner ist, dann möge der
allmächtige Schöpfer ihn für seine Verbrechen bestrafen und diejenigen, die
trotz mehrfacher Hinweise auf die verbreiteten Unwahrheiten von Raddatz
immer noch darauf bestehen, auch.«
O-Ton, Prof. Ursula Spuler-Stegmann, Islamwissenschaftlerin, Universität
Marburg:
»Dieser Aufruf gegen Herrn Raddatz ist ganz eindeutig eine Morddrohung, die
verpackt ist in die Form eines Gebetes, angeblichen Gebetes, aber in
Wirklichkeit steht dahinter eine Verfluchung.«
O-Ton, Prof. Tilman Nagel, Islamwissenschaftler, Universität Göttingen:
»Sicher ist das eine Konsequenz wohl islamistischen Denkens. Der Islamismus
will ja letzten Endes alle anderen Ansichten vertilgen.«
Zum Beispiel solche wie die von Hans-Peter Raddatz. Seine Bücher
provozieren. Er argumentiert, dass der Islam nicht die Religion des Friedens
sei, wie in der öffentlichen Debatte auch von Islamisten oft behauptet wird.
O-Ton, Hans-Peter Raddatz, Islamwissenschaftler:
»Wir reden in Islam nicht nur über eine Religion. Wir reden insbesondere
auch über ein sehr stringentes Rechtssystem. Man kann es in Teilen sogar
totalitär nennen, weil die Gläubigen in Anführungsstrichen unter einem sehr
sehr strikten Kontrollsystem stehen. Und man braucht nur an die Stellung der
Frau zu erinnern. Allein schon die Verhüllung der Frau ist eine
Uniformierung, die ihre Individualität entsprechend einebnen soll.«
Solche Aussagen reizen Islamisten massiv. Hans-Peter Raddatz ist ein
ausgewiesener Kenner des Orients, hat viele Jahre im arabischen Raum gelebt,
spricht die Sprache.
Frage: Als Sie das erste Mal diesen Gewaltaufruf lasen, wie ist es Ihnen da
gegangen?
O-Ton, Hans-Peter Raddatz, Islamwissenschaftler:
»Ganz besonders fühlt man sich dadurch betroffen, indem man weiß, dass auch
die Familie eingeschlossen wird. Dass es also nicht nur um die Person des
Delinquenten selbst geht, wie mich in diesem Fall, sondern, dass das auch im
weiteren Sinn die Familienangehörigen betrifft.«
Betreiber des Muslim-Marktes, also der Internetseite, auf der die
Morddrohung verbreitet wurde, ist Dr. Yavuz Özoguz aus Delmenhorst. Ein
Interview zum Thema Mordaufruf hat er verweigert.
Wer ist dieser Dr. Özoguz? Von sich selbst behauptet er immer wieder,
friedfertig zu sein und die Gesetze zu achten. Tatsächlich ist er seit
Jahren im Visier der Verfassungsschützer, gilt als fundamentalistischer
Islamist.
Bisher
einmalig:
Mordaufruf gegen einen deutschen Islamkritiker.
O-Ton, Sprechchöre Demonstrationsteilnehmer:
»Ist die Welt denn taub und stumm?«
O-Ton, Dr. Yavuz Özoguz:
»Israel bringt Kinder um.«
Özoguz in seinem Element auf einer Demonstration iranischer
Fundamentalisten. Einig sind sie sich hier in der Feindschaft auf Israel.
Auf Hunderten Seiten Text im Internet outet er sich noch eindeutiger.
Die terroristische Hamas und Hisbollah sind für ihn
Wohltätigkeits-organisationen, Selbstmordattentäter – opferbereite
Widerstandskämpfer.
Der ermordete Filmemacher Van Gogh ist kein Islamkritiker, sondern ein
Verbrecher. Und Deutschland ist auf dem Weg in eine gottlose Gesellschaft,
der ein muslimischer Gottesstaat allemal vorzuziehen ist.
Dr. Özoguz ist für die Strafverfolger kein unbeschriebenes Blatt. Ein
Verfahren in Oldenburg wegen Volksverhetzung im Internet wurde zwar Anfang
dieses Jahres eingestellt, Özoguz musste jedoch 1.000 Euro zahlen. Vor
Gericht beteuerte er, sich zukünftig gesetzestreu zu verhalten. Man glaubte
ihm. Doch jetzt droht dem Islamisten wegen des Mordaufrufes eine neues
Verfahren.
Der weltweit angesehene Islamwissenschaftler Prof. Tilman Nagel, hier bei
einem Vortrag vor wenigen Tagen in München. Er hat für die
Staatsanwaltschaft in einem Gutachten festgestellt, dass es sich bei dem
Gebet auf den Seiten muslim-markt.de um einen strafwürdigen Aufruf handelt.
Zitat:
»Der Gebetsaufruf missachtet das rechtsstaatliche Gewaltmonopol und die
Religionsfreiheit, indem er die Muslime auffordert, das Recht in die eigenen
Hände zu nehmen und die Zielperson der „Bestrafung“ namentlich benennt.«
Jetzt interessiert sich die Staatsanwaltschaft Oldenburg erneut für Özoguz
und das vorliegende Gutachten.
O-Ton, Bernard Südbeck, Staatsanwaltschaft Oldenburg:
»Wenn man der Ansicht des Islamwissenschaftlers folgt, der diesen Mordaufruf
als solchen qualifiziert und gelesen hat und begutachtet hat, dann wird man
insoweit ein weiteres Ermittlungsverfahren, ein Strafverfahren, einleiten
müssen gegen Herrn Javuz Ö., den Betreiber des Muslim-Markt.«
Universität Bremen: Dr. Özoguz arbeitet hier seit langem als Ingenieur –
unbehelligt. Obwohl der Arbeitgeber seit Jahren mit den islamistischen
Aktivitäten von Özoguz konfrontiert ist, heißt es: Das sei dessen
Privatsache. Auch wir konfrontieren den Rektor mit dem Mordaufruf und dem
Gutachten. Jetzt will er erneut prüfen.
O-Ton, Prof. Wilfried Müller, Rektor Universität Bremen:
»Wenn ich zum Ergebnis komme, dass Herr Özoguz hier aufgerufen hat,
versteckt oder nicht versteckt, zum Mord oder zur Tötung, dann würde es
arbeitsrechtliche Konsequenzen geben.«
Der Mordaufruf gegen Hans-Peter Raddatz ist inzwischen vom Muslim-Markt
verändert worden. Der Name Raddatz ist verschwunden und durch Herr X
ersetzt. Doch der Wortlaut blieb erhalten.
O-Ton, Hans-Peter Raddatz, Islamwissenschaftler:
»Jeder, der den ersten Aufruf gelesen hat, weiß natürlich, um wen es sich
hier handelt. Im Grunde bedeutet diese zweite Stufe eine Verschärfung, eine
Bestätigung, und ist umso dubioser, um so ernster natürlich auch zu nehmen.«
Damit sich ein Fall Van Gogh in Deutschland nicht ereignet, sind jetzt die
Behörden gefordert.
Der Orientalist Hans-Peter Raddatz:
Gegen den
Mainstream
Vom bundesdeutschen Mainstream der
Orientalisten unterscheidet sich Hans-Peter Raddatz durch seine kritische
Distanz zum Islam und seine scharfe Kritik an oberflächlich-harmonisierenden
Allgemeinplätzen.
Im Film über Peter Raddatz (http://www.swr.de/report/archiv/sendungen/051017/05/05101705.ram
im
report mainz), sagte Prof. Wilfried Müller, Rektor der Universität
Bremen, wenn Özoguz mit Volksverhetzung, Mordaufruf und ähnlichem in
Zusammenhang gebracht werden könne, werde dies mit Sicherheit
personalpolitische Konsequenzen haben.
Wie sich zeigt, wurde Özoguz bereits vor einem Jahr rechtmäßig verurteilt,
Konsequenzen scheint das aber bislang keine gehabt zu haben.
TAZ (siehe Link von Monika): "Wegen Volksverhetzung ist der Betreiber
eines großen deutschen muslimischen Internet-Portals zu drei Monaten Haft
auf Bewährung verurteilt worden. Der Verurteilte habe nahe gelegt, "dass
es die Gaskammern der Nazis nicht gegeben habe", begründete Hanspeter
Titzmann, Direktor des Amtsgerichts Delmenhorst, gestern das Urteil
gegenüber der taz.
Yavuz Özoguz, der als Umweltverfahrenstechniker im öffentlichen Dienst an
der Universität Bremen arbeitet, hatte auf seiner Website "Muslim-Markt"
(www.muslim-markt.de)
eine Rede des iranischen Revolutionsführers Ali Khamenei veröffentlicht.
Darin seien die Gaskammern als "Märchen" bezeichnet worden, "dessen
Authentizität gar nicht klar ist", so die Staatsanwaltschaft in ihrer
Anklage. Sie sah in der unkommentierten Wiedergabe die Absicht, eine
"feindselige Haltung gegen die in Deutschland lebenden Juden zu erzeugen".
Die von Özoguz ins Deutsche übersetzte Ansprache konnte nach Angaben des
Amtsgerichts noch bis Anfang der Woche im Internet nachgelesen werden,
inzwischen ist sie entfernt worden".
hagalil.com 21-10-2005 |