Der Sudan braucht es viel nötiger:
Vorzugsbehandlung der PA
Von Moshe Elad, Ha'aretz, 10.10.2005
Übersetzung Daniela Marcus
Die palästinensische Autonomiebehörde (PA) wird
im 400seitigen Bericht über die menschliche Entwicklung, der
kürzlich wieder vom Entwicklungsprogramm der UNO herausgegeben
wurde, deutlich hervorgehoben. Der Bericht stuft jedes Land, das der
UNO angehört, gemäß einem Index ein, der die folgenden drei
Hauptkomponenten vereint: Einkommen, Gesundheit und Bildung.
Die PA, die im Bericht "die besetzten palästinensischen Gebiete"
genannt wird, gehört zu einer besonderen und unvorteilhaften
Kategorie, die wie folgt auf Seite 75 des Berichts beschrieben wird:
Hilfe hat nicht immer eine positive Rolle in der Unterstützung der
menschlichen Entwicklung gespielt, zum Teil wegen des Versagens auf
Seiten des Hilfeempfängers und zum Teil, weil sich die Geberländer
zu Gunsten strategischer Betrachtungen über die Bedenken bzgl. der
Entwicklung hinweggesetzt haben.
Es gibt vermutlich keine bessere Art, die besondere Behandlung, die
Geberländer der PA zukommen lassen, zu beschreiben. Manchmal
erreicht diese positive Diskriminierung skandalöse Ausmaße.
Drei Hauptschlüsse können aus einer Untersuchung des umfangreichen
Berichts gezogen werden: 1. Die PA erhielt eine Vorzugsbehandlung,
die ohne Bezug zu ihrer Situation oder ihren Nöten stand. 2. Es gibt
keine Rechtfertigung, der PA eine solch umfangreiche Unterstützung
zu gewähren, wenn es keine Anzeichen dafür gibt, dass diese
effizient umgesetzt wird. 3. Die übermäßige finanzielle Hilfe, die
der PA zukam, hat tatsächlich ihre Entwicklung gehindert.
In einer Welt, in der 2,5 Milliarden Menschen –hauptsächlich in
Afrika, Asien und Zentral- und Südamerika- weniger als 2 Dollar pro
Tag zum Leben haben (wobei die Hälfte von ihnen sogar weniger als 1
Dollar pro Tag zum Leben hat), und in einer Welt, in der in den o.
g. Regionen jährlich 10 Millionen Kinder vor ihrem 5. Geburtstag
sterben und 850 Millionen Menschen von ernsthafter Unterernährung
betroffen sind – in solch einer Welt erhalten 3 Millionen
Palästinenser in der Westbank und im Gazastreifen aus irgendeinem
Grund die zweithöchste finanzielle Unterstützung der Welt, nämlich
288,6 Dollar pro Kopf. Die ausländische Hilfe für –zum Beispiel- den
Sudan, wo 2 Millionen Menschen im vergangenen Jahrzehnt umgekommen
sind und 6 Millionen Menschen gezwungen wurden, ihre Heimat zu
verlassen, beträgt hingegen nur 18,5 Dollar pro Kopf.
Der UNO-Bericht widerspricht auch den tendenziösen Reportagen
verschiedener Gruppen (von denen die meisten gewisse Interessen
hegen), die vor extremen Wirtschafts- und Gesundheitskatastrophen im
Gebiet der PA warnen. Der UNO-Bericht teilt die 177 Länder in drei
Kategorien menschlicher Entwicklung auf: hoch – die Industrieländer,
mittel – Länder mittleren Standards, und niedrig – die schwachen
Länder. Die PA befindet sich in der mittleren Kategorie, wobei sie
besser eingestuft ist als die meisten arabischen Staaten.
Im Bericht steht die PA bzgl. des Armutsindexes an 7. Stelle von 103
Entwicklungsländern, und zwar gemeinsam mit Singapur, Kuba und
Kolumbien und noch vor Ägypten und Saudi Arabien. Der Bericht sagt,
ohne die Intifada wäre die Situation der PA viel besser, doch die
vier Jahre andauernde Gewalt habe die Armutsrate mehr als
verdoppelt.
Die Verfasser des Berichts besitzen nicht die Courage, den nächsten
Schritt zu gehen und zu fordern, dass die Geberländer von ihrem
Eifer, "die besetzten palästinensischen Gebiete" über vernünftige
Forderungen hinaus zu unterstützen, Abstand nehmen.
Das PA-Regime trägt Verantwortung für das fortdauernde Versagen:
Korruption, verschwendete Spenden, Mangel an Transparenz und so
weiter. Wenn z. B. Arafat, Abu Mazen und ihre Kollegen angemessene
Verantwortung bzgl. der Gelder, die sie seit 1994 erhalten, gezeigt
hätten, wenn sie die Infrastruktur von Industrie und Tourismus
entwickelt und Arbeitplätze geschaffen hätten, wenn sie aufgehört
hätten, Terrororganisationen unter dem Deckmantel der
"Aufrechterhaltung von Sicherheitskräften" zu finanzieren, so hätte
heute vermutlich jeder Palästinenser in den Territorien eine Arbeit,
eine Wohnung und sogar einen Kleinwagen.
Die "Rettungsoperationen", die von den USA, Europa und Japan geführt
wurden, versagten nicht nur darin, die Grundprobleme der
palästinensischen Gesellschaft zu lösen, sondern sie laufen auch
Gefahr, effektive Programme für grundsätzliche Änderungen zu
verhindern. Wenn man die PA auf einer Tradition von Hilfe und
Wohltätigkeit aufbaut anstatt auf organisierter, unabhängiger
Arbeit, die durch die PA-Regierung geschaffen wird, dann droht eine
Verschlimmerung der Situation und die Fähigkeit der PA, einen
unabhängigen Staat zu gründen, ist in Zweifel gestellt.
Oberst der Reserve Elad diente in ranghohen Positionen in
den Territorien und beschäftigt sich mittlerweile mit Studien zur
palästinensischen Gesellschaft.
hagalil.com 11-10-2005 |