Boykott von Jean Marie Lustiger:
Gute und schlechte Konvertiten
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Der Vatikan plant mal wieder eine "Ohrfeige für das
jüdische Volk". Mit diesen Worten verurteilte der Oberrabbiner von Rom die
"mangelnde Rücksicht" der katholischen Kirche, weil sie ausgerechnet den 79
Jahre alten Kardinal Jean Marie Lustiger damit beauftragte, eine
"Versöhnungszeremonie" zwischen Juden und Katholiken aus Anlass der
Verabschiedung von "Nostra Aetate" vor genau vierzig Jahren zu leiten.
Lustiger ist in Polen als Jude geboren, hat Auschwitz
überlebt, wo seine ganze Familie ermordet worden ist und ließ sich taufen,
nachdem er von einer katholischen Familie gerettet wurde. Lustiger spricht
sogar Jiddisch. Dennoch wird er von vielen Juden als Verräter an ihrem Volk
betrachtet. In "Nostra Aetate" hatte der Vatikan 1965 das jüdische Volk von
dem Vorwurf des Gottesmordes freigesprochen, bis dahin ein Dogma der Kirche,
das im Laufe der letzten zweitausend Jahre Millionen Juden bei christlichen
Verfolgungen das Leben gekostet hat. Die Oberrabbiner Israels wollen wegen
der Beteiligung von Lustiger die Zeremonie boykottieren, heißt es in einem
Bericht der Zeitung Jedijot Achronot vom Sonntag.
Lustiger wird nicht verziehen, den christlichen Glauben
angenommen zu haben, aber wie der Zufall so will, veröffentlichte Israels
Ministerpräsidentenamt ebenfalls am Sonntag eine erhebliche Zunahme von
Religionsübertritten zum Judentum. Allein bis September 2005 hätten 5800
religionslose Einwanderer aus Russland, nicht als Juden anerkannte Äthioper
und "hunderte Christen", das Zertifikat erhalten, Angehörige des jüdischen
Volkes zu sein. "Wir freuen uns über
jeden, der sich dem jüdischen Volk anschließt", sagte Rabbi Klein, der
stellvertretende Leiter der Abteilung für Religionsübertritte im
Ministerpräsidentenamt. Im ganzen Jahr 2004 hätten nur 3599 Menschen den Weg
zum Judentum eingeschlagen. Klein sagte, dass nur vereinzelte Konvertiten
Moslems waren. © Ulrich W. Sahm /
haGalil.com
hagalil.com 03-10-2005 |