TERROR!
Schwerer Anschlag in Hadera
von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 26. Oktober 2005
Der Anschlag in Hadera hatte niemanden überrascht. In der Kleinstadt
nördlich von Tel Aviv, nahe der Grenze zum Westjordanland, sprengte sich ein
palästinensischer Selbstmordattentäter an einer Felafel-Imbissstube auf dem
belebten Markt. Die dreißig physisch Verletzten wurden teilweise per
Hubschrauber in die Krankenhäuser gebracht. Fünf tote Israelis wurden
gemeldet. Hinzu kamen noch die Schock-Verletzten. Ein Polizeisprecher redet
von einem "kleinen Auto mit zwei Angehörigen der Minderheiten", das vom
Tatort geflohen sei. "Angehörige der Minderheit" ist in Behördenhebräisch
die Umschreibung für Palästinenser.
Während der jüdischen Feiertage in den vergangenen zwei Wochen befand sich
schon die israelische Polizei in höchster Alarmbereitschaft wegen über
fünfzig akuter Informationen über geplante Anschläge. Wie in früheren Jahren
waren fromme Juden, zum Gebet in den Synagogen ihre Waffen mitzunehmen.
Die islamische Dschihad Organisation hatte schon vor einigen Tagen einen
"großen Anschlag" angekündigt. Sie wollte den Tod von Louay Sa'adi rächen,
den israelische Soldaten eher zufällig entdeckten und bei einem Feuergefecht
getötet haben, zusammen mit einem weiteren Spitzenkämpfer dieser
Organisation. Der 26 Jahre alte Sa'adi war aus dem Gefängnis freigelassen
worden, als Preis für die Freilassung eines im Libanon gefangenen
israelischen Geschäftsmannes. Deutsche Vermittler hatten den
Gefangenenaustausch zustandegebracht.
Sa'adi habe seit seiner Freilassung aus dem Gefängnis an zahlreichen
Anschlägen in Israel mitgewirkt oder sie organisiert, darunter einer Bombe
bei einem Tel Aviver Nachtklub im Februar. Dabei kamen zehn Israelis ums
Leben. Nach israelischen Angaben habe der Geheimdienst Sa'adi nach gesucht,
weil Informationen über weitere von ihm geplante Anschläge vorgelegen
hätten. Auch der Anschlag in Hadera könnte noch von Sa'adi vor seinem Tod
geplant worden sein.
Seit dem Tod von Sa'adi gab es eine erhebliche Anheizung der Stimmung.
Raketen wurden vom Gazastreifen auf die israelische Stadt Sderot
abgeschossen. Die israelische Armee antwortete mit Artilleriefeuer "in
Richtung der Abschuss-Gegend der Kassam-Raketen". Zur Warnung an die
Bevölkerung durchbrachen israelische Kampfjäger zudem die Schallmauer über
dem Gazastreifen.
Am Mittwoch Morgen, wenige Stunden vor dem Anschlag in Hadera, kritisierte
der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas das eigenwillige Vorgehen der
Dschihad Islami Organisation: "Diesmal war Israel nicht der Aggressor." Vor
den Parlamentariern bezeichnete er den Beschuss israelischer Ortschaften als
"lächerlich, unverantwortlich und nicht akzeptabel". Wie der
palästinensische Mediendienst weiter berichtet, sagte Abbas: "Es ist
traurig, weil Israel uns bestraft, indem es irgendwelche Männer in Tulkarem
tötet. Aber die Raketen (auf Israel) bedeuten letztlich für uns eine weitere
Strafe."
Sicherheitskreise rätselten, wie der Selbstmordattentäter nach Israel
eindringen konnte. In der Gegend von Tulkarem und Hadera ist der
"Anti-Terror-Sperrwall", wie Israel offiziell die den von Palästinensern als
"Apartheidsmauer" verurteilten Zaun bezeichnet, schon lange fertig.
Mutmaßlich gelang es dem Attentäter mit dem Sprengstoff in einem Fahrzeug
mit israelischem Kennzeichen die Sperren an einem der Übergänge zu
passieren. Schon zwei Stunden nach dem Anschlag kannte die Polizei offenbar
die Identität des Attentäters. Ohne seinen Namen zu veröffentlichen hieß es,
dass es sich um einen freigelassenen Gefangenen handelte, der "kein Blut an
den Händen hatte". Militärreporter sagten, dass Israel die Grenzübergänge
schließen könnte, was jedoch bedeuten würde, dass auch die Siedler aus dem
Westjordanland nicht mehr nach Israel wechseln könnten.
Ein Sprecher des israelischen Außenministeriums hatte kurz nach dem Anschlag
eine offizielle Reaktion parat: "Heute hörten die Bürger Israels die Sprüche
von zwei Führern, dem iranischen Präsidenten Achmedinedschad, der erklärte,
dass Israel von der Landkarte verschwinden sollte, und des Hamasführers in
Gaza, Dr. Mahmoud Asahar. Der sagte im Interview mit Haaretz, dass die Hamas
nur einer zeitweiligen Ruhepause zustimme, aber weiter das Ziel anstrebe,
ganz Palästina vom Jordan zum Mittelmeer zu befreien, weil das Gebiet ein
islamisches Heiligtum sei. Das Gefährliche an solch gewalttätiger Sprache
dieser Männer ist, dass ihnen sofort Taten folgen, wie in Hadera."
© Ulrich W. Sahm / haGalil.com
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26-10-2005 |