MEMRI Special Dispatch – 27. September 2005
Kein "Aber"
mehr:
Diskussion um Muslime in
Schweden
Als Reaktion auf die Anschläge in London
vom 7. Juli und eine Morddrohung durch schwedische Islamisten,
veröffentlichte Hassan Moussa
[1], Imam der Großen Moschee in Stockholm einen Aufruf in der
schwedischen Tageszeitung Expressen. Schweden solle sich auf nationaler
Ebene vereinen, um gegen die Bedrohung durch Islamisten zu kämpfen.
Der Journalist Salam Karam
reagiert in einem Artikel auf den Aufruf Moussas und warf der Führungsebene
der Großen Moschee in Stockholm vor, mit den Muslimbrüdern und der Hamas zu
sympathisieren. Die Sozialdemokraten in Schweden kritisierte er dafür, diese
extremistischen Gruppen in Schutz zu nehmen.
Im folgenden dokumentieren wir Auszüge aus beiden Artikel:
Artikel von
Imam Hassan Moussa [2]:
'Nach
den Anschlägen in London gibt es kein 'aber' mehr'
"Die
Anschläge in London haben mich sehr schockiert. Wie viele andere
überfiel mich bei den Fernsehbildern aus London Wut, Entsetzen und
Verzweiflung. Wahrscheinlich ging es den meisten so, aber
unglücklicherweise nicht allen. Nach dem 7. Juli wurde mir klar, dass es
keine Kompromisse keine Entschuldigungen, aber auch kein Verständnis
mehr geben darf. Stattdessen müssen wir zusammenhalten und alles
daransetzen, um die, die Hass und Tod verbreiten, zu stoppen.
Ich habe mich dafür entschieden, das Wort 'aber' aus meinen Predigten zu
streichen. Nach den Anschlägen in London gibt es kein 'aber' mehr,
jedenfalls nicht von mir. Ich möchte kein 'aber' oder andere
Entschuldigungsversuche für Selbstmordattentate in Europa mehr hören. Ich
will nie wieder hören, 'Aber was ist mit den Opfern im Irak' oder 'Aber denk
doch mal, was die USA alles gemacht haben' oder 'Aber denk doch mal an die
[gescheiterte europäische] Einwanderungspolitik'."
'Er
wollte von mir, dass ich den islamistischen Terror nicht mehr verurteile'
"In der Freitagspredigt, die ich nach dem 7. Juli in der Großen Moschee in
Stockholm gehalten habe, habe ich die Anschläge vorbehaltlos verurteilt. Ich
habe darüber gesprochen, dass wir endgültig mit den Kräften
auseinandersetzen müssen, die den Islam durch das Verunstalten und Töten
unschuldiger Menschen diskreditieren. Ich war derart verzweifelt über die
Fernsehbilder aus London, dass ich während meiner Freitagspredigt meine
Tränen nicht zurückhalten konnte. Das hat heftige Reaktionen hervorgerufen.
Ich wurde daraufhin in meiner eigenen Moschee von Leuten bedroht, die es für
verurteilenswert hielten, dass ich um 'englische Kinder geweint habe'.
Leider gibt es eine Minderheit unter schwedischen Muslimen, die extreme
[politische] Ansichten haben und mit den Attentätern von London
sympathisieren. Unter ihnen sind reguläre Besucher verschiedener islamischer
Gemeinden, wie zum Beispiel der Großen Moschee von Stockholm, in der ich
aktiv bin.
Die negativen Rektionen auf meine Predigt enttäuschten und deprimierten
mich. Die Tatsache, dass sich viele dafür bedankten, dass ich ein wachsendes
Problem für die Mehrheit der schwedischen Muslime thematisiert habe, tröstet
mich zwar, mindert meine Bedenken aber nicht.
Einen Tag nach meiner Freitagspredigt [...] bekam ich eine Todesdrohung. Ein
Mann kam zu mir und forderte mich auf, den islamistischen Terror nicht mehr
zu verurteilen. Seine Drohung schien so ernst gemeint, dass meine Frau und
ich eine Anzeige bei der Polizei erstatteten.
Die Entwicklungen der letzten Zeit beunruhigen mich nachhaltig. Ich habe das
Gefühl, dass vielen nicht bewusst ist, wie ernstzunehmend die Situation ist.
Schweden ist mit Sicherheit nicht so gefährdet von einem Terroranschlag
getroffen zu werden wie London, aber es ist auch nicht auszuschließen. Die
schwedische Gesellschaft muss endlich aufwachen [und realisieren], dass es
auch in ihrem Land extreme Muslime gibt. Selbst wenn es nur wenige sind,
hassen sie eine offene und tolerante Gesellschaft und wollen nicht, dass wir
als Muslime, ein eindeutiger Teil der westlichen Welt, nämlich Europas und
Schwedens, sind. Und es handelt sich dabei um Menschen, die gewillt sind,
ihre Ziele mit allen Mitteln zu erzwingen."
Bevor es zu
spät ist, brauchen wir ein Bündnis auf nationaler Ebene gegen diesen Hass
"Meiner Meinung nach ist die Situation so bedrohlich, dass wir ein
Bündnis kreieren sollten - eine nationale Einheit. Ein Rat mit
Repräsentanten aus allen politischen Parteien, den großen religiösen
Gemeinschaften, Priestern, Rabbinern und toleranten Imamen, aber auch
Vertreter von der Polizei und den Sozialämtern. Bevor es zu spät ist müssen
wir gemeinsam gegen die vorgehen, die eine Bedrohung für uns alle
darstellen.
Die Mehrheit der Muslime in Schweden ist [natürlich] über jede Form der
Gewalttätigkeit und des Hasses empört. Wenn man also, wie einige Vertreter
der Folkpartiet [3], alle schwedischen Muslime kollektiv verurteilt, tut man
lediglich bin Laden und seinen Freunden einen Gefallen.
Es gibt keine Entschuldigungen für das, was in London passiert ist. England
hat Millionen von Muslime aufgenommen. Dort hatten sie die Möglichkeit sich
ein gutes Leben aufzubauen. Ihre Kinder konnten unter sicheren Bedingungen
groß werden und eine erstklassige Ausbildung genießen. Die Terroranschläge
in London zeigten, was einige dieser Jugendlichen davon hielten. Das ist
eine Schande und nicht zu verzeihen. Mit dem uns vorliegenden Resultat kann
man konstatieren, dass sich Großbritannien zu tolerant und naiv verhalten
hat."
Großbritanniens Ausweisung seiner Hassprediger ist vollkommen gerechtfertigt
"Die britische Regierung hätte [schon vor den Attentaten] drastische
Maßnahmen gegen die Hassprediger ergreifen sollen, selbst wenn dies zur
Schließung einiger islamischer Gemeinden geführt hätte. Das haben liberale
Muslime [in Großbritannien] schon seit langem gefordert, aber sie fanden
damit [bei keiner Regierung] Zustimmung.
Ich möchte die britische Regierung dafür beglückwünschen, wie sie [mit den
Folgen] der Anschläge umgegangen ist. Die Ausweisung der Hassprediger ist
völlig gerechtfertigt. Aber es ist wichtig, dass die Menschenrechte jedes
Einzelnen gewahrt werden, selbst wenn es sich um Kriminelle handelt, die
ausgewiesen werden. Das ist die Voraussetzung dafür, wenn Demokratie und
Toleranz über Hass und Extremismus gewinnen sollen. Schweden ist nicht
England. Aber die Situation ist immer noch sehr ernst und aus diesem Grund
plädiere ich für eine nationale Einheit gegen den Hass."
Reaktion des
muslimischen Journalisten Salam Karam [4]:
Das eigentliche
Problem ist der Mangel an Offenheit
"Wir begrüßen das Eingeständnis von Scheich
Hassan Moussa, dass es in unseren Moscheen Extremismus gibt. Hassan
Moussa verschweigt jedoch das eigentliche Problem. Die Autorität der
schwedischen Moscheen wird langsam immer stärker von einer politisch
orientierten Gruppe, nämlich der Muslimbruderschaft, übernommen. Viele
der Mitglieder [der Moschee] sympathisieren mit dieser Gruppe. Mit
seinem Vorschlag zur Gründung eines Rates, der sich dem Kampf gegen
Extremismus widmet, setzt Moussa implizit voraus, dass die
Muslimbruderschaft alle Muslime repräsentieren solle und damit ihren
Einfluss in den Moscheen vergrößern kann.
Die Probleme und Herausforderungen, welchen die Muslime heutzutage
gegenüberstehen, sind für uns alle von Bedeutung und sollten öffentlich
besprochen werden. Der Mangel an Offenheit ist heute das große Problem in
unseren Moscheen. Während meiner Besuche in den schwedischen Moscheen und in
Gesprächen mit den Vertretern der muslimischen Organisationen habe ich
festgestellt, dass innerhalb einer kleinen aber gefährlichen Gruppe der
Extremismus wächst."
Moussa verschweigt die
Wahrheit über unsere Moscheen
"Dies wurde bis heute von den muslimischen Organisationen in Schweden
verneint. Allerdings gibt jetzt Hassan Moussa, Imam der Großen Moschee von
Stockholm und Vorsitzender des schwedischen Imam-Rates, zu, dass auch sein
Leben bedroht wurde.
[...] Moussa beweist Mut, dass er diese Drohungen öffentlich thematisiert.
Für Schweden ist der Augenblick gekommen, sich mit dem Extremismus
auseinander zu setzen. [...]
Eine Schwierigkeit ist die fehlende und aufrichtige Bereitschaft der
muslimischen Vereinigungen dieses Landes, die Probleme, die zu Extremismus
führen, zu lösen. Scheich Hassan Moussa sagt hinsichtlich der Führungsebene
in einigen unserer Moscheen, und wie diese letztlich den Extremismus
fördert, nicht die Wahrheit.
In Schweden leben etwa 400 000 Menschen muslimischer Herkunft. Ich bin einer
von ihnen. Die große Moschee [...] in Stockholm, in der [...] Moussa predigt
und die Gemeinde, die [institutionell] mit ihr verbunden sind, haben sich in
den letzten Jahren als Vertreter aller Muslime in Schweden und als Vorreiter
des Pluralismus präsentiert.
Dies ist eine riskante Art, die heterogene Gruppe der schwedischen Muslime
zu beschreiben. Ein großer Teil dieser 'Muslime' praktiziert den Islam
nicht. Viele andere sind Schiiten und haben eigene Gemeinden. Tatsächlich
vertritt die Große Moschee [von Stockholm] nicht einmal alle sunnitischen
Muslime. Es ist unter Islamwissenschaftlern, Sprechern der Muslime und unter
den schwedischen Imamen bekannt, dass die Große Moschee [in Stockholm] von
einer kleinen Gruppe angeführt wird, von denen einige aus arabischen Ländern
kommen."
Schweden ist ein ideales
Land für die Muslimbruderschaft
"Diese Gruppe sympathisiert [...] mit der Muslimbruderschaft, [...] welche
eine strenge Auslegung des Islam propagiert. Die Muslimbruderschaft hat zwar
die Anschläge vom 11. September verurteilt, [...] Selbstmordattentate gegen
Israelis jedoch gerechtfertigt.
Ebenso pflegt die Organisation ein enges Verhältnis zur palästinensischen
Hamas, deren Ideologie starke Parallelen zum Nationalsozialismus aufweist
und welche für viele grausame Terroranschläge gegen israelische Bürger
verantwortlich ist.
Für die Muslimbruderschaft ist Schweden in vielerlei Hinsicht ein
ausgezeichnetes Land und sie teilt die Ideale der [schwedischen]
Sozialdemokraten hinsichtlich des Wohlfahrtstaates. Führende Vertreter der
muslimischen Gemeinden sind auch in der Sozialdemokratischen Partei aktiv
und pflegen gute Beziehungen zu Schwedens christlichen Sozialdemokraten,
Broderskapsrörelsen [Bruderschaftsbewegung].
Die Sozialdemokraten hingegen neigen dazu, vielleicht aus Dankbarkeit für
die Unterstützung, die sie aus der Führungsriege der Moscheen erhalten, die
Tatsache zu verdrängen, dass es in einigen unserer Moscheen extremistische
Tendenzen gibt. Dadurch erhielt die Muslimbruderschaft die Möglichkeit,
ungestört ihre Ideologie [in den Gemeinde] zu verbreiten."
Die Führung der Moscheen
nennt muslimische Kritiker "Juden"
"Schwedens Moscheen werden langsam aber sicher von der Muslimbruderschaft
unterwandert. Diese Elite akzeptiert keine andere Denkweise. [...] Muslime,
die nicht mit der Ideologie der Muslimbrüder übereinstimmen oder zumindest
mit ihnen sympathisieren werden von Spitzenpositionen ausgeschlossen [...]
oder schikaniert.
Ehemalige Mitglieder der muslimischen Verbänden Schwedens, die aus Angst vor
Racheakten nicht namentlich genannt werden möchten, haben berichtet, dass
sie aufgrund ihrer Kritik an der Muslimbruderschaft aus den Organisationen
ausgeschlossen wurden. Andere erzählten von Telefonanrufen, in welchen sie
von den Leitern der Moscheen als 'Juden' im Sinne von 'Unmenschen'
beschimpft wurden.
[...] Ich habe bei verschiedenen Besuchen der Großen Moschee [in Stockholm]
im vergangenen Jahr festgestellt, dass während des Freitaggebets zweideutige
Botschaften gepredigt wurden. Während die Inhalte der arabischen Predigten
voller Hass auf die Vereinigten Staaten waren, wurde in schwedischen
[Predigten] ein Loblied auf die USA angestimmt. Als ich darüber in einem
Artikel am 23. Mai 2004 im Svenska
Dagbladet berichtete, hat sich die [sozialdemokratische]
Ministerin Mona Sahlin geweigert, dies zu kommentieren. Warum? Für mich
stellt sich daraufhin folgende Frage: Welche Position beziehen Mona Sahlin
und die Sozialdemokraten hinsichtlich der Extremismusbekämpfung wirklich?"
Man kann dem Extremismus
nur mit Offenheit begegnen
"Zur Bekämpfung des Extremismus in unseren Moscheen
schlägt Hassan Moussa im Meinungsteil dieser Zeitung [...] die Gründung
eines [nationalen Einheits-] Komitees vor. Dieser Vorschlag impliziert, dass
Hassan Moussa selbst und mit ihm die muslimischen Organisationen, welche an
die Großen Moschee [in Stockholm] angekoppelt sind, die schwedischen Muslime
vertreten. Dieser Vorschlag ist ein Versuch, die Macht der
Muslimbruderschaft in den schwedischen Moscheen zu institutionalisieren. Und
das auf der Hand liegende Resultat ist, dass eine kleine Gruppe schwedischer
Muslime das Privileg erhält, darüber zu bestimmen, wer ein 'Extremist' ist
und was in unseren Moscheen 'richtig' oder 'falsch' ist. Ist das der Weg,
den Schweden einschlagen wird, um den Extremismus zu bekämpfen?
Schweden ist dafür bekannt, Freiheit und
Toleranz zu fördern. Indem ich die muslimischen Vereinigungen kritisiere und
auf die Probleme, mit denen sich Muslime in Schweden konfrontiert sehen,
hinweise, will ich in keiner Weise, den Islam oder die Muslime schädigen. Im
Gegenteil: Ich will, dass mehr Menschen von der Realität der Muslime wissen
und sich mehr Schweden muslimischer Herkunft in die Diskussion einschalten.
Dies ist für Schwedens Sicherheit und Zukunft von großer Bedeutung.
Ich hoffe ebenfalls, dass führende muslimische Organisationen bereit sind,
sich einer genauen Prüfung zu unterziehen und einen offenen Dialog zu führen
und versuchen, die geäußerte Kritik positiv zu nutzen. Nur durch diesen
öffentlichen Diskurs werden wir es schaffen, den Gruppen, welche Hassan
Moussa als extremistisch bezeichnet, entgegen zu treten. Und das ist etwas,
was ebenfalls für die Sozialdemokraten relevant ist."
Anmerkungen:
[1]
Hassan Moussa ist der Imam der Großen Moschee in Stockholm und Vorsitzender
des Rats der Imame in Schweden.
[2]
Expressen
(Schweden), 6. September 2005
http://expressen.se/index.jsp?d=1180&a=431580
[3] Moussa
bezieht sich offensichtlich auf einen am 29. August erscheinen Artikel der
Angeordneten der Folkpartiet Nyamko Sabuni in
Expressen. In ihrem Kommentar
schrieb Sabuni: "Ich mach mir auch darüber Sorgen, dass unabhängige
muslimische Schulen zu Rekrutierungsgebiet für zukünftige
Selbstmordattentäter werden könnten." (http://expressen.se/index.jsp?a=427766)
[4]
Expressen (Schweden), 9. September 2005
http://expressen.se/index.jsp?d=1180&a=433592.
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