Was ist aus dem zionistischen Traum geworden?
Der dritte Versuchvon Yossi Sarid, Ha'aretz
/ ZNet Deutschland 17.08.2005, übersetzt von: Ellen Rohlfs
Was ist aus dem zionistischen Traum geworden? Er ist
zerborsten. Ist es noch möglich, die Scherben zusammenzulesen und wieder
zusammenzusetzen? Vielleicht – aber sicher ist es nicht. Ohne einen Traum
lebt man wohl weiter, aber die Existenzgründe sind verschwunden.
Hätten die Gestalter des Zionismus und die Gründungsväter im Geiste
vorausgesehen, welche Gestalt ihre Kreation heute hat, kommen einem Zweifel,
ob der Staat Israel überhaupt gegründet worden wäre. Sie hatten nicht
beabsichtigt, noch einen levantinischen Staat zu gründen. Er passt zwar gut
in diese Region, dank seiner äußerst abstoßenden Erscheinung. Ein Volk kehrt
aber nicht nach 2000 Jahren Exil und unter so einzigartigen Umständen in
sein Land zurück, nur um den Grund für ein Unternehmen zu legen, das
Dehumanisierung ist. Politischer Zionismus trieb seine Räder niemals durch
Anstoßen an, sondern eher und hauptsächlich durch die Kraft der Anziehung.
Und nun hat die Kraft der Anziehung versagt: Juden wohnen sicher(er) in
ihrer Diaspora und werden nicht mehr gestoßen. Israel dagegen liegt auf
einer Sandbank fest - ohne Wind in seinen Segeln. Sollte jemand auf die
Statistiken der Weltbank dieses Monats warten, um die reine Wahrheit über
die Nation zu erfahren? Und wenn jemand dies nicht weiß oder nicht wissen
will, nun weiß er es. Die Weltbank ist nicht nur noch eine verbitterte
Oppositionsgruppe, die immer nur finstere Wolken sieht. Sie ist nicht nur
gut unterrichtet und erfahren; sie zieht ihre zusammengestellten
Erkenntnisse auch nicht aus dem Ärmel. Die Weltbank, die sich auf reiche
Erfahrungen in Afrika und Südamerika stützen kann und auf ihre
Fachkenntnisse in Bananen-, Kaffee- und Kakao-Republiken, stellt fest, dass
unser eigenes Israel der problembeladenste Staat auf der entwickelten Seite
des Planeten ist. Nach dem vergleichenden Bericht der Bank wird Israel sogar
als der gefährlichste Staat der westlichen Welt angesehen – und scheinbar
der gefährlichste von allen und zwar nicht wegen seiner äußeren Feinde,
sondern wegen seiner Feinde im Inneren.
Nach dem „Regierungsleistungsindex“ steckt Israel in einem tiefen Loch : der
durchschnittliche Index von entwickelten Staaten liegt bei 89,7%, während er
bei uns bei 80,8% liegt. Der durchschnittliche „Gesetzes-Durchsetzungsindex“
liegt bei 90.3% bei uns sind es 74,45; der durchschnittliche „politische
Stabilitätsindex“ liegt bei 83,5%, während er bei uns nur bei 15% liegt. Der
„Regierungskorruptionsindex“ ist der letzte Sargnagel des zionistischen
Unternehmens. Die Note, die uns da gegeben wird – 80,8% verglichen mit dem
Durchschnitt von 91,4% - platziert uns gleich hinter Italien, das für seine
Korruption bekannt ist und das die Ränge mit 74,9% anführt. Die Weltbank
forschte nicht auf anderen Gebieten nach Verhältniszahlen . Doch kennen wir
die Wahrheit, die sich auf lokale offizielle Berichte gründet: Israel nimmt
den ersten Platz ein, wenn es um die Kluft zwischen Armen und Reichen geht
und hat den 1. Platz bei der Prozentzahl der Kinder, die in Armut leben:
eines von dreien. Von all dem Überfluss des Abzugs, von dem wir nun die Nase
voll haben, trennt sich Israel von sich selbst, von seiner Vision und hat
keine Zeit, um in den Spiegel zu schauen. Es würde schwierig sein, die
eigene Gestalt wieder zu erkennen. Somit ist das Volk von Israel dabei, sich
einen 2000 Jahre alten Traum zu erfüllen -- und hat sich einen unstabilen,
ineffizienten, diskriminierenden, ungesetzlichen, unverantwortlichen und vor
allem einen korrupten Staat aufgebaut.
Das überrascht nicht so sehr; denn. Herzl selbst war es darum bange. Genau
wie Ahad Ha’am und Nordau, Wolfson und später auch Brenner, dass sich die
Dinge nicht zum Guten wenden werden. Sie kannten die Seele ihres Volkes und
seine Geschichte. Sie hatten allen Grund, sich Sorgen zu machen. Der
„jüdische Genius“ hat keinen guten Namen, wenn es darum geht, politisch
einen souveränen Staat zu regieren. Dieses Volk lässt sich besser auf
kurzfristige Geschäfte ein als auf die Staatskunst. Als wir zweimal
versuchten, ein Reich zu gründen, endete es sehr schlecht. Nun versuchen wir
es ein drittes Mal – und es sieht nicht gut aus.
Wird es uns gelingen, einen neuen Anfang zu machen, bevor die Katastrophe
beginnt? Der Weg des Geistes hat sich nicht bewährt, auch nicht der des
Herzens. Vielleicht über den Weg des Geldbeutels – man entschuldige mich für
die antisemitische Nuance. Wenn dieser Weltbankbericht Investoren
abschreckt, und wenn er die Luft aus unserer aufgeblasenen Aktienbörse
herauslässt, werden die Aktien abstürzen, die Bankkonten schrumpfen und die
Arbeitslosigkeit wird nicht nur die Unterdrückten treffen, sondern auch die
zufriedenen Klassen. Vielleicht kommen wir dann zur Besinnung und retten uns
vor weiterer Zerstörung.
Bis dahin wird das Verheißene Land, in dem alle Hoffnungen erfüllt werden,
als eines erscheinen, das nicht in Zion erneuert wurde, sondern in einem
metaphorischen Uganda. Und das Amerika von Bush und Cheney wird weiter
„Amerika“ sein, der Hauptwohltäter, der das große Mahl aus der Küche der
verhungernden und ausgebeuteten Welt serviert.
hagalil.com 23-08-2005 |