Keine Überraschungen:
Schlechte Omen für Gaza
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Am Montag früh um 7 Uhr verschlossen zwei israelische
Soldaten das Tor zum Gazastreifen: Ein letztes Mal und hoffentlich für
immer. Doch fast sofort wurden die
schlimmsten Befürchtungen wahr. Der ungezügelte Sturm von Palästinensern mit
Lastwagen und Eselskarren auf die verlassenen Siedlungen war vorherzusehen.
Wie die Raben fielen sie über verbogene Fensterrahmen und zerbrochene
Satellitenschüsseln her. Das ist allzumenschlich im verarmten Gazastreifen.
Nur wieso hat Israel mit der Autonomiebehörde eine dreitägige Frist
abgesprochen zwischen dem Abzug der Militärs und dem Einlass der Zivilisten
für die Massenplünderung. Israel wusste, dass die palästinensische Polizei
nicht die Kraft hätte, den Ansturm abzuwehren. Warnungen von Präsident
Mahmoud Abbas vor zurückgelassenen Minen und Sprengsätzen der Siedler war
ein müde belächelter Versuch, den Ansturm zu verhindern.
Auch das Entzünden der Synagogen wurde vorhergesagt. Alle
wussten es, die Rabbiner und die israelischen Minister. Welcher Teufel ritt
die israelische Regierung, ihren Beschluss rückgängig zu machen und die
Gotteshäuser den Palästinensern zu überlassen? Zurecht reden die
Palästinenser von einer "Provokation" und werden jetzt wegen ihres
"barbarischen Aktes" (Außenminister Silvan Schalom) verurteilt. Das war
innerisraelischer Wahlkampf auf Kosten der Palästinenser.
Aber für zwei Vorfälle können die Palästinenser keine Schuld
auf Israel abwälzen. Am Morgen landete eine erste Kassam-Rakete aus dem
Gazastreifen nahe der israelischen Stadt Sderot und provozierte eine wütende
Reaktion des israelischen Verteidigungsministers: künftig gebe es "null
Toleranz" bei Attacken und eine entsprechend scharfe Reaktion. "Wir haben
auch Granatenwerfer", sagte Schaul Mofaz und deutete Artilleriebeschuss
palästinensischer Wohngebiete an, falls die Palästinenser Raketen auf
israelische Wohngebiete werfen. Das hat es während der Intifada nie gegeben.
Am Nachmittag wurde ein Palästinenser bei der
Philadelphi-Achse erschossen, dem Grenzstreifen zwischen Gaza und Ägypten.
Wegen der vielen Toten in dieser befestigten Zone wäre das vor zwei Tagen
keine Meldung wert gewesen. Doch geschossen haben nicht Israelis, sondern
ägyptische Grenzschützer. Hat eine neue Ära begonnen oder wurden nur die
Akteure ausgetauscht? © Ulrich Sahm
/ haGalil.com
hagalil.com 12-09-2005 |