MEMRI Special Dispatch – 8.
September 2005
Britischer Islamist:
'Die größten Feinde der Muslime kommen aus den eigenen
Reihen'
Die in London erscheinende
arabischsprachige Tageszeitung Al-Quds Al-Arabi veröffentlichte am 29.
August einen Artikel des britischen Islamisten Dr. Azzam Al-Tamimi. In
seinem Beitrag konstatiert Tamimi, muslimische Kritiker seien die
schlimmsten Feinde des Islam, während der Islam Unterstützung aus
nicht-islamischen Kreisen zu seinen Gunsten nutzen müsse.
Al-Tamimi bezieht sich dabei
hauptsächlich auf liberale arabische und muslimische Autoren, die nach
den Anschlägen in London die britische Politik der Toleranz gegenüber
islamistischen Hass- und Gewaltpredigern kritisiert hatten.
Al-Tamimis Argumente gleichen
den Anschuldigungen, die der von der Londoner Tageszeitung Al-Sharq
Al-Awsat als "notorischer Fundamentalist" bezeichnete Scheich Omar Bakri
Mohammad erhoben hatte. [1]
Im folgenden dokumentieren wir
Auszüge aus dem Artikel:
Allianz zwischen
muslimischen Verrätern und liberalen Demokratien
"Seit den Anschlägen vom 7. Juli gab es wiederholt Angriffe auf den Islam
und Muslime, nicht nur in Großbritannien, sondern im ganzen gemeinhin
als 'Westen' bezeichneten liberal-demokratischen System, in Europa und
darüber hinaus.
Es besteht kein Zweifel, dass die Kräfte der extremen Rechten, die
rassistischen Bewegungen [...] und die zionistische Lobby in diesem
demokratischen System voller Verbitterung und Hass sind und dass ihnen
diese Ereignisse die Möglichkeit gaben, ihr Gift zu versprühen. [...]
Trotzdem haben alle menschlichen und materiellen Ressourcen, die diesen
Kräften zur Verfügung stehen, inklusive ihres [Einflusses] in Politik
und Medien, [ihren Interessen] längst nicht so gedient, wie eine
fanatische Gruppe von Muslimen. Diese Gruppe versuchte möglichst schnell
- genau so wie die Politiker und Autoren, die dem Islam feindlich
gesinnt sind - die hochgeschätzten Ulama und die Muslime allgemein zu
verdammen. Sie vermieden es, die gerechte Sache des Islam in Palästina,
dem Irak, Kaschmir und Tschetschenien zu verteidigen, [während sie] die
Verletzungen von Menschenrechten, bürgerlichen Freiheiten und
Rechtsstaatlichkeit, die unter dem Vorwand der Bekämpfung des
[islamischen] Extremismus geschehen, [rechtfertigten]."
Muslimische Verräter tragen
Mitschuld an westlicher Respektlosigkeit dem Islam gegenüber
"Die Staatschefs des liberalen Westens [...] haben viel moralische
Unterstützung von einer Gruppe von Muslimen erhalten, die sich von ihrem
Glauben und der islamischen Nation abgewandt hat. In manchen Fällen
erfolgte diese Unterstützung in Form von fatwas, in anderen Fällen durch
Beratung der Führer liberaler Demokratien. Tony Blair, George W. Bush
und die Staatschefs Australiens und Neuseelands hätten es nicht gewagt,
dem Islam gegenüber respektlos aufzutreten, gäbe es [keine Verräter aus
unseren eigenen Reihen]. [4] [Diese Verräter sind es], die [den
westlichen Staatschefs] in ihrem fieberhaften Versuch, den Islam zu
zerstören, helfen. Der Islam aber steigt trotz dieser Bemühungen zu
neuen Höhen auf.
Trotz ihrer geringen Anzahl sind [diese Verräter] weit verbreitet. Einige
von ihnen sind sogar Herrscher islamischer Staaten, die ihrer eigenen
Bevölkerung Lied zufügen. Einer dieser [Herrscher] ließ nur Stunden,
nachdem die Anschläge vom 7. Juli durch die Medien gingen, Hunderte
verhaften. Danach ordnete er die Ausweisung hunderter ausländischer
Studenten aus den religiösen Schulen seines Landes an. [...] [5]
Obwohl diese [Herrscher] ernsthaften Schaden verursachen, ist die von
ihnen ausgehende Gefahr harmlos im Vergleich zu der, die von in
liberalen Demokratien lebenden Verrätern ausgeht. Sie haben plötzlich
eine Rolle für sich entdeckt, in der sie in die Öffentlichkeit treten
und sich den Herrschern andienen."
Abschiebungen gehen auf
Anraten der Verräter zurück
"Es sind [diese Verräter], die Tony Blair und seinem Gefolge all jene
Maßnahmen unterbreiteten, die das Parlament im September [verabschieden]
soll. Und an erster Stelle steht dabei die Abschiebung aller, die den
Jihad und das Martyrium im Namen Allahs preisen oder die Mujahideen in
Palästina, dem Irak und Afghanistan unterstützen. [...]
Sie legten [Blair] nahe, alle islamischen Gruppen zu verbieten, deren
Rhetorik ihnen nicht gefiel, auch wenn [diese Gruppen] sich bisher
keinen gewalttätigen oder terroristischen Akt haben zuschulden kommen
lassen - wie die [Hizb ut] Tahrir.
Sie schlugen [Blair] vor, islamischen Persönlichkeiten wie [Abd Al-Rahman]
Al-Sudayis, dem Imam der Haram-Moschee in Mekka, oder dem großen
Gelehrten [Scheich Yussuf] Al-Qaradawi auf Grund ihrer Reden, in denen
sie die zionistische Besatzung Palästinas kritisieren, die Einreise zu
verweigern.
Sie schlugen [Blair] vor, dass sich jeder, der sich unserer Gesellschaft
und unseren Werten nicht anpassen wolle, ein anderes Land suchen solle.
Sie schürten in [Blair] die Furcht vor den Reaktionen der Öffentlichkeit
auf die Anschläge vom 7. Juli, woraufhin er anordnete, muslimischen
Frauen sollten die Kopftücher abgenommen werden, um sie so vor Angriffen
auf der Straße zu schützen.
Einige von ihnen behaupteten, die Muslime Großbritanniens würden von den
großen [muslimischen] Organisationen nicht repräsentiert. [...] Sie
argumentierten, die Verantwortlichen in diesen Organisationen stünden
entweder unter dem Einfluss des Gründers der ägyptischen Muslimbrüder,
Hassan Al-Banna, dem des Gründers der Jama'a Al-Islamiyya in Pakistan,
Abu Al-Al'a Al-Mawdudi, oder seien Anhänger Muhammad Ibn Abd Al-Wahabs,
eines der größten Reformer [des Islam] im 18. Jahrhundert." [...]
Ohne Verräter wären die
Muslime im Westen in einer stärkeren Position
"Die Position der Muslime in Großbritannien und anderen Staaten des
liberal-demokratischen Systems wäre nicht so schwach, gäbe es nicht
jene, die den muslimischen Gruppen im Dienste der Feinde des Islam und
der Muslime einen Dolch in den Rücken stoßen."
Der Unterschied zwischen
Verrätern und Helden der britischen Linken
"Es ist großartig, dass die Muslime nicht-muslimische Männer und Frauen
finden, die zu ihnen stehen und sie in dieser belastenden Situation
unterstützen, während gleichzeitig jene, die angeblich zur islamischen
Nation gehören und behaupten, deren Glauben und Gesetze zu verteidigen,
Verrat begehen. Es besteht ein himmelweiter Unterschied zwischen diesen
[Elenden] und Helden [org. giant] wie Ken Livingstone, dem Bürgermeister
von London [...] und anderen britischen Linken, angeführt von dem
Kämpfer George Galloway, der sich mit den Muslimen verbündet und sie
gegen die Rassisten und die Zionisten in Schutz genommen hat. [...]
Das, was jetzt auf britischer Ebene passiert und sich in unterschiedlicher
Ausprägung in vielen Staaten des vor dem Zusammenbruch stehenden
liberalen Systems findet, bestätigt zweifellos, dass die Welt heutzutage
in zwei Lager gespalten ist. Eins ist das Lager derer, die trotzt
unterschiedlichen Glaubens und unterschiedlicher Rasse unter der Führung
von George Bush in der Verteidigung von Lüge und Ungerechtigkeit
zusammenstehen. Das andere Lager ist das, welches trotz
unterschiedlichen Glaubens und unterschiedlicher Rasse zusammensteht, um
Wahrheit und Gerechtigkeit zu verteidigen.
Wer unsere muslimischen Rechte, Allah ungehindert anzubeten und unsere
unterdrückten Brüdern und Schwestern in Ost und West zu unterstützen,
verteidigt, ist nicht notwendigerweise muslimisch; wer darauf aus ist,
unseren Glauben und unsere Gesetze zu verletzen und unsere islamische
Nation zu bekämpfen, ist nicht notwendigerweise anderen Glaubens. Jeder,
der sich am 21. August die Sendung Panorama in der BBC ansah, konnte
Zeuge dessen werden. Ohne die Hilfe, die ihm von Seiten einiger
britischer Muslime während der jahrelangen Recherche oder der Produktion
der Sendung zuteil wurde, hätte [der Moderator] John Ware den Islam
nicht [in so einer Weise] beleidigen, verhöhnen und defamieren können."
[6]
Verräter sind voller
Verbitterung und Hass
"[Die Verräter] gehören zu einer kleinen Gruppe voller Verbitterung und
Hass. Diese resultieren aus den großen Erfolgen der bahnbrechenden
islamischen Organisationen wie der Muslim Association of Britain, des
Muslim Council of Britain und der Islamic Foundation in Leicester. Die
Sendung [Panorama] versuchte, diese Organisationen zu schädigen, indem
sie ihnen Extremismus und Terrorismus vorwarf. Nicht die Worte der
Vertreter dieser Organisationen, die in der Sendung interviewt wurden,
waren problematisch, sondern das, was [voreingenommene Verräter], die
sich selbst und ihre Organisationen glorifizieren wollten, über sie
sagten. [Die Organisationen der Verräter] repräsentieren kaum jemanden
außer die Verräter und ihre Familien und schaden so dem größeren
islamischen Interesse."
Die Feinde sind unter uns
"Während unseres langwierigen Verteidigungskriegs gegen Ungerechtigkeit
und Aggression werden wir [in unserer Mitte] immer wieder auf
Autoritäten, Politiker, Autoren und Akademiker stoßen, die im
oppositionellen Lager stehen. [...] Sie sind der Feind, wir müssen uns
vor ihnen hüten. Ebenso werden wir in unserem Lager solche finden, die
nicht an den Islam glauben und seinen Gesetzen nicht folgen, uns aber
gleich gesinnt sind. Sie sind für uns in der heutigen Zeit ungemein
wichtig, in der wir als Minderheit dem Hass des Rassismus und Zionismus
ausgesetzt sind. Wir müssen uns gegenseitig stärken und mit ihnen
verbünden, um Gerechtigkeit und Wahrheit zu unterstützen und
Ungerechtigkeit und Lügen entgegen zu treten – immer da, wo es
Auseinandersetzungen oder Kämpfe zwischen den beiden Lagern gibt."
Anmerkungen:
[1] In einem Interview mit Al-Sharq Al-Awsat sagte Bakri: "[Die
muslimische Gemeinde] in Großbritannien arbeitet mit dem britischen
Geheimdienst, den Sicherheitsdiensten und der Armee zusammen. [...]"
Weiter sagte er: "Ich klage jene an, die von der britischen Regierung
rekrutiert wurden; sie müssen sich für ihre Taten vor Gott
verantworten." Al-Sharq Al-Awsat (London), 30. August 2005.
[2] Einen Kommentar Al-Tamimis zu den Anschlägen in London finden Sie
unter:
http://www.memritv.org/search.asp?ACT=S9&P1=742.
[3] Al-Tamimi spricht hier von "Leuten wie Abu Rughal". Abu Rughal diente
laut islamischer Überlieferung der Invasionsarmee des abassinischen
Kommandeurs Abraha, der die Ka’ba in Mekka zerstören wollte, als Führer.
Islamischer Überlieferung zufolge ereignete sich dies im Jahr der Geburt
des Propheten und wird vermutlich in der Sure 105 (Surat Al-Fil)
behandelt. Der Name Abu Rughal wird häufig als abfällige Bezeichnung
eines Verräters verwendet, der einer ausländischen Invasionsarmee hilft.
[4] Dies bezieht sich wahrscheinlich auf den pakistanischen Präsidenten
Musharraf.
[5] Zur Panorama-Sendung vgl.
http://news.bbc.co.uk/1/hi/uk_politics/4681857.stm. Einen Bericht über
die BBC-Sendung aus der ZEIT finden Sie unter:
http://www.zeit.de/online/2005/35/Islam_MCB?page=1
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