10. Archivwissenschaftliches Kolloquium:
Jüdisches Archivwesen
Archivschule Marburg, 13.-15. September 2005
Jüdisches Archivwesen im eigentlichen Sinne des Wortes
als eine auf die Erhaltung und Erschließung des in allen Bereichen des
jüdischen Lebens entstandenen Schriftguts gerichtete institutionelle
Tätigkeit nahm in Deutschland mit der Gründung des Gesamtarchivs der
deutschen Juden am 1. Oktober 1905 seinen Anfang. Am 1. Oktober 2005 jährt
sich zum 100. Mal der Gründungstag des Gesamtarchivs der deutschen Juden in
Berlin.
Das Gesamtarchiv sollte das historische Archivgut der
jüdischen Gemeinden, Organisationen und Vereinigungen sammeln, sichern und
auswerten und zugleich eine Übersicht über die Quellen zur jüdischen
Geschichte in anderen Archiven erstellen, also eine Quellenkunde zur
Geschichte der deutschen Juden erarbeiten. Seine Archivgeschichte endete
organisatorisch mit der 1939 zwangsweise erfolgten Übergabe der Bestände an
die nationalsozialistische Zentralstelle für jüdische Personenstandsregister
und physisch mit der nach 1943/1950 erfolgten Zerstreuung der Bestände, die
heute zum größten Teil in den Central Archives for the History of the Jewish
People in Jerusalem sowie im Berliner Centrum Judaicum liegen, zum Teil aber
auch verschollen sind.
Zur Erinnerung an die Gründung des Gesamtarchivs
veranstaltet die Archivschule Marburg in Kooperation mit dem Zentralrat der
Juden in Deutschland und der Nachfolgeinstitution des Gesamtarchivs, dem
1987 in Heidelberg gegründeten Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte
der Juden in Deutschland, vom 13.-15. September das diesjährige 10.
Archivwissenschaftliche Kolloquium. Gefragt wird nach dem Stellenwert und
der Organisation des jüdischen Archivwesens in der Diaspora, nach
verstreuter Überlieferung und nach Arten der Überlieferung, nach
Zugänglichkeit und nach Benutzung von Archivgut jüdischer Provenienz. Das
Tagungsprogramm umfasst 22 Fachbeiträge von Referenten aus Deutschland,
Frankreich, Großbritannien, Israel, Polen, der Schweiz und den USA. Das
Staatsarchiv Marburg hat freundlicherweise seine Räumlichkeiten für die
Tagung bereitgestellt.
Abgesehen von wenigen Publikationen zur Geschichte
einzelner Sammlungen, Institutionen und Persönlichkeiten findet sich die
Selbstreflektion des Fachgebiets Jüdisches Archivwesen bisher weitgehend
noch in ihren archivwissenschaftlichen Anfängen, die nicht allein mit dem in
Deutschland durch die NS-Zeit bewirkten Kontinuitätsbruch zusammenhängen.
Das wissenschaftliche Kolloquium zum 100jährigen Jubiläum des Gesamtarchivs
der deutschen Juden soll dieses Defizit an historischer Besinnung und
grenzüberschreitender Kommunikation wenigstens in Ansätzen auflösen und will
als Forum für einen offenen und im Sinne der fachlichen Konturierung
nutzbringenden Austausch dienen.
Jüdische Archive unterscheiden sich von anderen
hinsichtlich ihrer Organisationsformen, hinsichtlich der in ihre Obhut
gelangenden Quellen und auch hinsichtlich der von ihnen angewandten
Arbeitsmethoden. Bei all diesen Besonderheiten bleiben sie Teil der
allgemeinen Archivlandschaft, und in erheblichem Umfang werden die
anstehenden Aufgaben auch im Rahmen staatlicher Programme gefördert.
In vielen Bereichen ihrer Tätigkeit arbeiten jüdische
Archivare wie alle anderen Archivare, z.B. bei der Verzeichnung von Akten
oder bei der Anwendung von bestandserhaltenden Verfahren. Aber es gibt auch
eine Reihe von Problemen, Methoden und Entwicklungslinien, die mit der
besonderen Situation des Jüdischen Archivwesens zusammenhängen. Im
Vordergrund des Kolloquiums steht daher das archiv-wissenschaftliche Bemühen
um die Herausarbeitung der charakteristischen Züge eines sich langsam
abzeichnenden Fachgebiets Jüdisches Archivwesens.
Zum Programm des Kolloquiums
(PDF)
hagalil.com 07-09-2005 |