Von Andreas Speit
Die großen Werbeplakate am Straßenrand fallen auf. Reh und
Ente blicken treu von den Plakaten, auf denen steht: "Schau mir in
die Augen! Bitte, bitte, iss mich nicht!" Auch von Flugblättern
guckt ein glückliches Ferkel. "Du isst mein Fleisch! Was passiert
mit deinem?", heißt es auf den Infoblättern, die in ökologischen
Geschäften und alternativen Kneipen ausliegen. Erst der kleine
Hinweis, dass weitere Informationen bei "Universelles Leben" (UL) zu
erhalten seien, offenbart, wer hinter den Plakaten und Flugblättern
steckt.
Die esoterisch-christliche "Glaubensgemeinschaft" strebt einen
"Christusstaat" an. UL hat "eher Züge einer totalitären,
geldgierigen Wirtschaftssekte", meinte schon 1998 Hans-Walter
Jungen, Gründer der Bürgerinitiative gegen UL im unterfränkischen
Hettstadt. Nach Gerichtsurteilen darf UL als eine "pseudoreligiöse
Organisation" mit "antisemitischen Tendenzen" bezeichnet werden.
In Hamburg und Bremen veranstalten die "Urchristen" der
"Prophetin" Gabrielle Witteke auch nicht bloß "tierfreundliche"
Kochkurse. Wie auch in Hannover und Oldenburg lädt UL dort zu
religiösen Veranstaltungen ein. In Würzburg befindet sich das
Zentrum der weltweit 10.000 "Urchristen und die meisten der etwa
3.000 deutschen Anhänger leben in den nahe gelegenen Orten
Marktheidenfeld und Hettstadt.
UL unterhält eine "Christusklinik" und "schule", sowie
Kindergärten. Zahlreiche ökologische Firmen wie "Gut zum Leben" und
"Lebe gesund" stehen UL nahe. Dieses Tier- und Naturschutzdenken
gehört fest zum Glaubenskonzept, um sich vom "Gesetz von Ursache und
Wirkung" zu befreien. "Erde, Menschen und alle Seinsformen befinden
sich im großen Kreislauf der Allschöpfung", verkündet Witteke, die
sich, nachdem sie 1975 erstmals Jesus Christus in sich gehört habe,
als "Posaune Gottes" versteht.
Die unangefochtene "Prophetin", deren Offenbarungen "absolutes
Gesetz" sind, erklärt, dass insbesondere vegetarische Ernährung und
materieller Verzicht die "kosmische Energie" harmonisch fließen
ließen. Das weltliche Elend, kann UL-Publikationen entnommen werden,
hätten vor allem die "kirchlich-institutionellen Machtmonopole"
verschuldet; diese dürften nach UL-Logik auch die angenommenen
jüdischen Weltmachtbestrebungen verursacht haben.
"Verschwörungstheorien sind UL eigen. Nach endzeitlichen
Katastrophen erwartet es die Wiederkunft Christi", erklärt Andreas
Finke von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen.
Über die religiösen Themen hätten sie aber kaum Zulauf. "Deshalb
werben sie vor allem mit ihren Tierschutzpositionen", betont er.
"Wir sind noch eine kleine Gemeinde", sagt auch ein Hamburger
UL-Anhänger. Von den etwa 40 Stühlen des UL-Zentrums sind 10 Plätze
besetzt. Durch die zwei großen Räume, hell gestrichen und sanft
ausgeleuchtet, klingt Harfen- und Klaviermusik. Jeden Freitagabend
kann hier, wie in etwa 90 "Kosmischen Lebensschulen", "zwanglos Gott
erlebt" werden.
Kurz vor 19.30 Uhr tritt besinnliche Stille ein. Live sendet das
UL-Radio "Santec" aus dem Versammlungsraum in Marktheidenfeld die
Offenbarungen. Nach der Seligpreisung aus der Bergpredigt - "die da
Leid tragen, sie sollen getröstet werden" - folgen Gabrielles
Erläuterungen. Man betet gemeinsam für die Menschen, die in Niger
verhungern und für die Tiere, die nach der Ernte den Jägern offen
ausgeliefert seien. In diesem meditativen Moment soll man sich das
Leid vergegenwärtigen sowie die eigene Verantwortung erkennen.
Harmlos erscheinen diese Abende. Die Gruppe sei dennoch
"totalitär" und Witteke sei die einzige Lehrautorität, hebt Finke
von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen
hervor.