Shfaram:
Ein Lynchmord bleibt ein Lynchmord
Leitartikel Ha'aretz, 09.08.2005
Übersetzung Daniela Marcus
Niemand wird leugnen, dass der Mord von vier
unschuldigen Menschen in Shfaram durch einen jüdischen Terroristen
am letzten Donnerstag abscheulich war und eine dringende
Bestandsaufnahme auf Seiten der führenden Köpfe der Regierung und
der Sicherheitseinrichtungen bedarf. Man kann auch den Ärger und die
Frustration der arabischen Israelis verstehen. Sie leiden auf jeden
Fall durch institutionalisierte Diskriminierung und Vorurteile und
durch Hetze und Drohungen von politischer Natur.
Dennoch kann man einige der Reaktionen von Seiten der führenden
Köpfe der arabischen Öffentlichkeit nach dem Terroranschlag nicht
ignorieren. Ein solches Beispiel ist die Behauptung von
Knessetmitglied Azmi Bishara, der wie folgt zitiert wird: "Der
Sicherheitsdienst des Shin Bet (Inlandsgeheimdienst) hatte gute
Gründe, diesen Terroranschlag nicht zu verhindern, denn dieser
Anschlag dient Scharon." Diese Bemerkung ist sowohl verachtenswert
als auch dumm.
Auch die Bemerkungen von Hanna Asleh (dessen Sohn Asil während der
Vorfälle im Oktober 2000 getötet wurde) sind nicht akzeptabel, trotz
aller Sympathie für den Schmerz, den er persönlich erlitten hat.
Asleh sagte: "Das Massaker folgt einer Reihe von Aktionen, die der
Staat gegen uns ausgeführt hat. Diese Nation ist seit ihrer Gründung
im Jahr 1948 eine faschistische."
Die Verurteilung "dieser Nation" und ihrer Staatsführer kam in
Erwiderung des mörderischen Aktes, der von einem Einzelnen
ausgeführt worden war. Bemerkungen wie die oben genannten lassen
Sorge darüber aufkommen, dass selbst dann, wenn die Vorurteile
korrigiert werden und die Diskriminierung verschwindet, die Kluft
zwischen den Extremisten in der arabischen Öffentlichkeit und dem
Staat nicht überbrückt werden kann.
Noch besorgniserregender ist die Reaktion seitens des hocharabischen
Beobachterkomitees, des ranghöchsten Führungsgremiums der arabischen
Gemeinschaft. Am Ende seines Treffens, das am Samstag stattfand,
entschied das Komitee unter anderem zu fordern, die Polizei solle
keine Untersuchungen gegen die Einwohner Shfarams wegen des Mordes
an dem Soldaten, der den Schussangriff im Bus ausgeführt hatte,
vornehmen. Bereits am Samstag hatten die Mitglieder des Komitees
richtig eingeschätzt, was nach dem Angriff des Mörders im Bus
geschah: Er wurde von Polizisten gefesselt, die nach dem
Schussangriff in den Bus eingedrungen waren, und seine Waffe wurde
entwendet. Einige Einwohner von Shfaram kletterten daraufhin auf den
Bus, griffen den Mörder an, schlugen ihn und lynchten ihn mit
Unterstützung von anderen, die Steine durch das Fenster warfen. Die
Polizisten wurden aus dem Bus geworfen oder waren gezwungen, zu
fliehen, weil ihr eigenes Leben bedroht war. Einige der Polizisten
wurden verletzt, während sie versuchten, den gefesselten Mörder zu
schützen oder während sie aus dem Bus flüchteten.
Kein Land, in dem das Gesetz ordnungsgemäß umgesetzt wird, würde
erlauben, dass ein solcher Vorfall, bei dem Menschen das Gesetz in
die eigenen Hände nehmen, ignoriert wird. Kein Land würde erlauben,
dass keine Untersuchung der Umstände und derjenigen, die involviert
sind, durchgeführt wird und von vornherein Anklagen gegen
Verdächtige ausbleiben. Die Behauptung, eine solche Untersuchung
könne die Stimmung in Shfaram aufheizen, ist nicht akzeptabel. Die
Polizei verhaftete und verhörte ja auch –wie es in solchen Fällen
üblich ist- jüdische Jugendliche, die Ende Juni in den versuchten
Lynchmord eines jungen palästinensischen Einwohners des Dorfes Muasi
im Gazastreifen verwickelt waren. Es gibt auch das Beispiel von
Yoram Skolnik, der im April 1994 zu einer Gefängnisstrafe verurteilt
wurde, weil er einen gefesselten Araber ermordet hatte. Das gleiche
Gesetz, das für jüdische Gesetzesübertreter in den Territorien gilt,
muss auch für diejenigen Araber gelten, die das Gesetz in Shfaram
übertreten haben.
Es ist die Pflicht der Polizei, die gerade erst damit begonnen hat,
die Umstände des Todes des Mörders Eden Natan Zada zu untersuchen,
die Befragung bis zum Ende durchzuführen und entsprechende
Schlussfolgerungen zu ziehen. Die Untersuchung muss bedingungslos
und ohne nicht dazugehörige Betrachtungen durchgeführt werden. Sie
muss durchgeführt werden in dem Verständnis, dass es nicht
akzeptabel in Israel ist, wenn diejenigen, die in eine solche Sache
verwickelt sind, nicht den vollen Preis für ihre Taten zahlen.
hagalil.com 09-08-2005 |