Mitten in Tel Aviv:
Die gefürchtete Sicherheitskontrolle
Von Thorsten Schmitz
Jeder, der schon einmal in Israel war, kennt diesen Moment
- und fürchtet ihn: die Sicherheitskontrolle am Flughafen in Tel Aviv. Vier
Stunden soll man idealerweise früher am Check-In sein, damit die Beamten
prüfen können, ob kein Terrorist Sprengstoff in fremde Taschen geschmuggelt
hat, der später ferngezündet werden könnte.
Das Hauptaugenmerk, erklärte mir eine befreundete
Kontrolleurin einmal, legten Sicherheitsbeamte auf junge Frauen. Weil es zu
den Strategien von Terroristen gehöre, junge Frauen in Liebesgeschichten zu
verwickeln, um Gefahrengut in deren Taschen zu schmuggeln. Soweit die
Theorie. In der Praxis bin ich weder jung noch Frau.
Trotzdem hat es mich nun erwischt, obwohl ich als
Israel-Korrespondent der SZ längst viele Kontrolleure mit Vornamen kenne,
Hebräisch spreche, ein Visum besitze, seit sieben Jahren beim
Regierungspresseamt registriert bin, eine Cousine habe, die am Flughafen
arbeitet - und auf dem Weg in die Redaktion nach München war, um dort in der
Arena am Rande eines Friedensfußballspiels den israelischen Außenminister
Schimon Peres zu interviewen. Anstatt mich nach fünf bis sieben Fragen ("Wer
hat den Koffer gepackt?") zu entlassen, bat mich die Kontrolleurin zur
Seite.
Zu Beginn stellte sie Fragen, die mir auch meine Eltern
gestellt hatten. Weshalb ich nach München reiste, um Peres zu interviewen?
Den könne ich doch auch in Tel Aviv sprechen. Unruhig wurde ich, als die
sehr junge Kontrolleurin mich nach einiger Zeit bat, die Namen ALLER
Redakteure der SZ aufzuzählen. Ich versicherte ihr, ich sei bereit alles zu
tun, könne mich aber leider nicht an die Namen von 300 Redakteuren erinnern.
Jetzt warf sie mir einen Blick zu, der nichts Gutes verhieß.
Und tatsächlich: Während alle Passagiere des Jumbo Jets (auch
die verdächtigen jungen Frauen) längst beim Einsteigen waren, wurde ich
gebeten, mein Laptop anzuschalten. Sie wolle Artikel von mir lesen. Ich
fragte die Kontrolleurin, ob sie Deutsch spreche, sie verneinte. Mit dem
Curser landete ich dann auf einer Reportage über deutsche Juden, die vor den
Nazis ins damalige Palästina geflüchtet waren. Und wie beim Lotto landete
der rot lackierte Nagel der Beamtin auf einem Wort des Artikels, das ich
übersetzen solle: "Niederschlesien", bei dessen Übertragung ins Hebräische
ich passen musste. "Halbschuhe" war das nächste Wort, das sie übersetzt
haben wollte - bis ich dann explodierte. Das half. Ihr Chef kam ein zweites
Mal herbeigeeilt, murmelte "Jeder fängt mal an" und überreichte mir meine
Bordkarte.
Ich rannte zum Flugzeug. Die Stewardess an der Tür setzte ihr
Lufthansa-Lächeln auf: "Auf Sie haben wir gewartet!" Vier Tage und ein
Peres-Interview später landete ich wieder in Tel Aviv. Nach der
Passkontrolle passiert man den Kordon aus Sicherheitsleuten, die sich
verdächtige Einreisende herauspicken. Und: Da war er wieder, der Vorgesetzte
meiner Kontrolleurin! Als ein Beamter anhob, zu fragen, schritt der Chef
dazwischen und seufzte: "Lass den gehen, der macht nur Ärger."
hagalil.com 03-08-2005 |