Britische Abschiebungen in den Irak:
Bruch mit internationalem Flüchtlingsrecht
Thomas Uwer - Wadi e.V.,
Hans Branscheidt - Mesop e.V.
Die seit 1993 im Nordirak tätige Hilfsorganisation WADI
und die Mesopotamische Entwicklungsgesellschaft (Mesop) kritisieren scharf
die von der britischen Regierung vorgenommenen Zwangsabschiebungen
irakischer Flüchtlinge. Seit Mitte August werden in Großbritannien
abgelehnte Asylbewerber aus dem kurdischen Nordirak gewaltsam in Flugzeuge
nach Arbil/Nordirak gesetzt.
Angaben von Flughafenangehörigen in Arbil erreichten
einige der Abgeschobenen den Irak in Handschellen. Die Abschiebungen
erfolgen in ein Land, in dem tagtäglich Menschen ermordet werden. Keine
stichhaltigen Prognosen können derzeit über die Zukunft des Irak gegeben
werden. Abschiebungen erfolgen zudem gegen den erklärten Willen der
kurdischen Regionalregierung im Norden des Landes sowie der irakischen
Regierung, die eine zusätzliche soziale und politische Destabilisierung
fürchtet. Der Präsident Irakisch-Kurdistans, Massud Barzani, verurteilte
ausdrücklich die Entscheidung der britischen Regierung. Mit ihrem Vorgehen
bricht die Britische Regierung international verbriefte Schutzstandards für
Flüchtlinge, an die auch Großbritannien und die EU gebunden sind.
Wadi und Mesop erinnern daran, dass das Flüchtlingswerk
der Vereinten Nationen in England erst am 16. August ausdrücklich darauf
hingewiesen hat, dass derzeit kein Teil des Iraks sicher sei. "Both Iraq and
Kurdistan can not be considered safe and Kurdish Refugees should not be put
at risk by forced removal," heißt es in der Stellungnahme des UNHCR. Damit
korrigierte das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen die über
Jahre vertretene Auffassung, wonach der Nordirak in bestimmten Fällen als
sichere Ausweichalternative gewertet wurde.
Hintergrund der veränderten Lageeinschätzung ist die
Tatsache, dass sich die Aktivitäten terroristischer Gruppen zunehmend auch
auf den Norden des erstreckten. Angesichts des ungeklärten Konflikts über
die Region Kirkuk, die von Kurden genauso wie von Turkmenen und Arabern
beansprucht wird, bewirkt eine zwangsweise Rückführung von Flüchtlingen
einen zusätzlichen Druck, der zur Verschärfung der Lage führt. "Es ist
unmenschlich und politisch verantwortungslos, Flüchtlinge gegen ihren Willen
in den Irak zu verschicken", erklärt Thomas Uwer, Sprecher von Wadi. Alle
europäischen Regierungen haben Reisewarnungen für den Irak ausgesprochen und
ihre Bürger aufgefordert dieses Land nicht zu besuchen, für abgeschobene
Asylbewerber aber soll der Irak sicher sein, so Hans Branscheidt für den
Vorstand von Mesop.
Seit Jahren suchen die Regierungen der EU nach
Möglichkeiten, kurdische Asylbewerber loszuwerden. Erst mit der Eröffnung
eines internationalen Flughafens in Arbil gibt es nun eine direkte
Flugverbindung. Wadi fürchtet, dass andere europäische Regierungen dem
britischen Vorbild folgen könnten. Mehr als zehntausend irakische
Flüchtlinge alleine in Deutschland verfügen lediglich über einen prekären
Aufenthaltsstatus. Von Seiten der Ausländerbehörden wird mitunter
erheblicher Druck auf irakische Flüchtlinge ausgeübt, »freiwillig« in den
Irak zurückzukehren. Wadi befürchtet deshalb, dass auch deutsche Behörden
als Trittbrettfahrer des britischen Vorstoßes mit der erzwungen Abschiebung
von Irakern beginnen könnte und fordert eine deutliche Klarstellung von
Seiten der Regierung. "Der Bruch mit dem internationalen Flüchtlingsrecht
durch die britische Regierung darf nicht dazu führen, dass deutsche Behörden
sich ermutigt fühlen, ebenfalls ihre Verpflichtungen zum Flüchtlingsschutz
über Bord zu werfen", erklärt Uwer. Alleine im Jahr 2004 entzog das
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fast 7000 irakischen Flüchtlingen
ihren Status.
Die Erfahrung, so Thomas von der Osten-Sacken,
Projektkoordinator von Wadi, habe zudem gezeigt, dass viele Kurden
freiwillig zurückkehren, sobald die Sicherheitssituation dies zulasse.
Andere leben seit Jahren in Europa und haben hier ihren Lebensmittelpunkt.
Die Europäische Union ist gefordert, langfristige politische Perspektiven zu
entwickeln, anstatt aus einseitigen Abschottungsinteressen, die
Lebensperspektiven dieser Menschen zu zerstören.
WADI e. V.
Herborner Str. 62
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Tel: ++49-69-57002440, Fax: 57002444
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Mesopotamische Entwicklungsgesellschaft e. V.
Postbox 35
D-61440 Oberursel
Tel: ++49-6171-74135, Fax: 73269
Email: mesop@online.de
hagalil.com 31-08-2005 |