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Der Rückzug in vollem Gang:
Hysterie, Geduld und Gewaltbereitschaft

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem

"Nehmt sie doch, tragt sie zu den Bussen, deportiert sie doch." Ein hysterischer Siedler mit Bart und großem gestickten Käppchen auf dem Kopf griff immer wieder seine neunjährige Tochter im rotkarierten Kleid, hob sie den Polizisten entgegen und schrie die an: "Ihr seid keine Juden, Ihr seid schlimmer als die Nazis, nehmt sie doch." Die Szene wiederholt sich. Und jedes Mal bespuckte er "diese gottverdammte Flagge, die nicht mehr menschliche und jüdische Werte repräsentiert".

Die Polizisten schauten weg, einige hatten Tränen in den Augen, einige wandten sich ab. Das völlig verschreckte Mädchen heulte. Auf die blauen Einsatzjacken der Polizisten ist ein kleines israelisches Fähnchen aufgestickt, wohl Teil der "psychologischen Kampfführung" der israelischen Sicherheitskräfte. Die haben sich seit Monaten mit Psychologen genau auf solche Zwischenfälle "und schlimmere" vorbereitet. Ami Ayalon, ein ehemaliger Geheimdienstchef und heute Friedensaktivist kommentierte die Szene: "Das dreht mir den Magen um. Wie kann ein Vater eigenhändig seiner kleinen Tochter ein Trauma fürs Leben verpassen? Eltern sollten ihre Kinder beschützen und nicht für ihren Kampf missbrauchen." Siedlersprecher Elijahu Benzur hatte eher Verständnis für den Vater: "Schaut Euch doch dessen Verzweiflung an. Er soll aus seinem Haus deportiert werden. Für ihn bricht eine Welt zusammen. Er dürfte sich fühlen, wie jüdische Familien in Europa vor 60 Jahren." Empört reagierten andere Teilnehmer in der Gesprächrunde: "Auf diesen Siedlervater wartet eine von der Regierung bereitgestellte Villa ein paar Kilometer vom Gazastreifen entfernt. Die Siedler werden doch nicht in Gaskammern deportiert."

Wenige Minuten nach acht Uhr morgens erhielten Tausendschaften Soldaten, darunter auch der Luftwaffe, des Grenzschutzes, der Polizei und der Anti-Terror-Spezialeinheiten den Marschbefehl mit dem Codewort: "Bibelstunde". Bulldozer begannen, rund um besonders exponierten Siedlungen wie Morag Erdwälle aufzuschütten. Sie dienen als Sichtblenden gegen die unweit zuschauenden Palästinenser, damit da keiner das Feuer eröffnet, sowie tausende Sicherheitsleute gegen ein paar dutzend zurückgebliebene Siedler und hunderte infiltrierte Rechtsextremisten vorgehen. Das sind in der Militärsprache so genannte "illegal Anwesende", von Anderen auch "Brooklyn Boys" genannt, Rechtsradikale aus Israel oder aus dem Westjordanland.

In Morag verschanzten sich ultraorthodoxe Eltern mit ihren Kleinkindern im Kindergarten. Soldaten kamen. Geduldig hörte sich ein junger Offizier, Schai Gornitzky, die Klagen der Eltern an. "Das ist wie die Zerstörung Jerusalems", jammerte einer im grünen Hemd und meinte die Zerstörung des Tempels von Jerusalem vor zweitausend Jahren und dem Beginn der Zerstreuung des jüdischen Volkes in alle Welt. Ein anderer Frommer hatte eine kleine Schere mitgebracht. Reihum machte er Schnitte in die Hemden der Männer, ein typisch jüdische Trauersitte. Viele Tränen flossen. "Wir weinen auch, aber im Herzen", sagte mit unendlicher Geduld der Offizier. Dann war es so weit. Eine 19-jährige Soldatin nahm einen vierjährigen Lockenkopf auf den Arm, lächelte ihn an und streichelte ihm die Wangen. Eine 18-jährige Uniformierte schob einen Kinderwagen vor sich her. Der Offizier umarmte den noch heulenden Siedler und zog ihn behutsam zum Bus für den Abtransport. "Das war der Augenblick, wovor ich die meiste Angst hatte", gestand Offizier Gornitzky, ehe er den Befehl erhielt, nun auch die Synagoge zu räumen.

Bei der Synagoge von Morag heulte Rabbi Wassermann aus Givataijm (bei Tel Aviv) ein minutenlanges "Huhuhu" und "Oijoijoi" in die Mikrophone der Presse. Trotz der überzeugend echt gespielten Erregung kam er wortstark und kühl zur Sache: "Damit die ganze Welt es hört. Hier machten wir ein Paradies und jetzt wird es mit eienr Hölle geschlossen." Der Rabbi hatte sich mit den Rückzugsgegnern in der Synagoge verschanzt. Aber gegen rund zweitausend Soldaten hatten die fanatischen Demonstranten aus Israel keine Chance. "Hut auf" lautete der Befehl an die Soldaten, um nach jüdischer Sitte das Gotteshaus nicht zu entweihen. Dann betrat eine Hundertschaft Soldaten die Synagoge. Mit geübten Handgriff kamen nach wenigen Minuten jeweils vier Soldaten mit einem Siedler, an Armen und Beinen gepackt, aus dem Gebetshaus wieder raus. Die so geknebelten Siedler wurden in bewachte Busse verfrachtet. Dann war eine Hundertschaft Soldatinnen an der Reihe, auch die Frauen herauszuholen.

Wenige Meter von der Synagoge entfernt gab es eine andere Szene, die an Michael Jacksons Besuch im Adlon-Hotel in Berlin erinnerte. Ein Siedler stand am Fenster des zweiten Stocks seines Hauses und hielt sein wenige Monate altes Baby über dem Abgrund. Minutenlang standen Soldaten hilflos nahe dem Haus. Erst nach einer endlosen Weile gelang es einem Psychologen, den Vater dazu zu bewegen, sein Baby wieder ins sichere Zimmer zurückzuziehen.

Ebenfalls in Morag stieß die Polizei auf einen Mann mit "Waffen", mit denen man nicht gerechnet hatte. Neben Streichhölzern mit hoch brennbarem Klebstoff, eine tödliche Waffe, entdeckten die Ermittler auch Dutzende Infusionsspritzen. Der Mann wurde verhaftet. Die Spritzen werden auf Krankheitserreger untersucht. Ein Polizeikommandeur sagte: "Ihm droht Anklage wegen versuchten Mordes, falls die Spritzen mit HIV Erreger infiziert sind." Der Offizier zeigte auch "Ninjas", verbogene Nägel, die schon platte Reifen bei Armeejeeps verursachten.

Ein Militäroffizier zog vorläufige Bilanz: "Die unendliche Geduld der psychologisch trainierten Soldaten zahlt sich aus. Im Notfall wird der Abzug der Siedler nicht einen, sondern halt drei Tage dauern. Auch der massive Einsatz einer Übermacht Soldaten zahlt sich aus, um beim gewaltsamen Rückzug Gewalttätigkeit zu vermeiden."

© Ulrich Sahm / haGalil.com

hagalil.com 17-08-2005

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