Von Goebbels Adjutanten zu Lafontaine:
"Fremdarbeiter raus!"
Wie ein ehemaliger Parteivorsitzender
der SPD die rhetorische Mimikry der Neuen Rechten für beendet erklärt.
Von Clemens Heni
Seit einigen Tagen hetzt ein ehemaliger
SPD-Parteivorsitzender in einer Manier, wie es selbst von bekennenden Neuen
Rechten jahrzehntelang großteils vermieden wurde: "Fremdarbeiter" wollen wir
hier in Deutschland nicht. 'Arbeit muß sich wieder lohnen'. "Fremdarbeiter"?
Ja, dieses Wort fiel tatsächlich, Oskar Lafontaine, heute
Zugpferd der neuen, linken Partei Wahlalternative Arbeit & soziale
Gerechtigkeit (WAsG), eine Art Lassalle mit einem Schuß nationalem
Sozialismus, hat es mehrfach gebraucht und bis heute gerechtfertigt: "Der
Staat ist verpflichtet, seine Bürger und Bürgerinnen zu schützen, er ist
verpflichtet zu verhindern, daß Familienväter und Frauen arbeitslos werden,
weil Fremdarbeiter zu niedrigen Löhnen ihnen die Arbeitsplätze
wegnehmen."(1)
Damit wird an einem bedeutenden Punkt der politischen
Kultur der BRD ein eklatanter Tabubruch begangen. Die Anlehnung an das
Vokabular des Nationalsozialismus ist in der öffentlichen Rede der
Bundesrepublik nicht so ohne weiteres möglich gewesen – jedenfalls für
demokratische Parteien. Und jetzt Lafontaine. Nach weniger Wochen des
Bekanntseins einer Kooperation von WAsG und PDS liegt dieses geplante
Wahlbündnis in Wählerumfragen bei 11%.
Heute nun, in einer Pressekonferenz Lafontaines zusammen
mit der PDS in deren Hauptquartier in Berlin, verlangt der
sozialdemokratische Altmeister und Rentner am liebsten ein Original
"Goebbels-Zitat" oder so (2), das den Terminus "Fremdarbeiter" belege. Auch
der anerkannte Freiburger Historiker Ulrich Herbert findet den Begriff so
schlimm nicht.(3)
Nun, direkt zu Goebbels müssen wir gar nicht zurück. In
einer Zeitschrift des Adjutanten von Goebbels, Wilfred von Oven, dem in
Argentinien publizierten LA PLATA RUF, stand 1973:
"Wir müssen unsere Aussage so gestalten, daß sie nicht
mehr ins Klischee der 'Ewig-Gestrigen' passen. Eine Werbeagentur muß sich
auch nach dem Geschmack des Publikums richten und nicht nach dem eigenen.
Und wenn kariert Mode ist, darf man sein Produkt nicht mit Pünktchen
anpreisen. Der Sinn unserer Aussage muß freilich der gleiche bleiben. Hier
sind Zugeständnisse an die Mode zwecklos. In der Fremdarbeiter-Frage etwa
erntet man mit der Argumentation 'Die sollen doch heimgehen' nur
verständnisloses Grinsen. Aber welcher Linke würde nicht zustimmen, wenn man
fordert: 'Dem Großkapital muß verboten werden, nur um des Profits willen
ganze Völkerscharen in Europa zu verschieben. Der Mensch soll nicht zur
Arbeit, sondern die Arbeit zum Menschen gebracht werden.' Der Sinn bleibt
der gleiche: 'Fremdarbeiter Raus!' Die Reaktion der Zuhörer wird aber
grundverschieden sein".(4)
Das kann als "rhetorische Mimikry" der Neuen Rechten
bezeichnet werden. Dass jetzt diese Mimikry gar nicht mehr nötig ist, gut 30
Jahre nach LA PLATA RUF, ist allzu beredter Ausdruck einer Tendenz, die
wiederum vor mehr als 20 Jahren Wolfgang Pohrt formulierte: "Das Land hat
also wieder eine Zukunft – eine Zukunft für seine Vergangenheit."(5)
Anmerkungen:
(1) So Oskar Lafontaine auf einer Kundgebung in
Chemnitz am 14. Juni 2005:
http://www.welt.de/data/2005/06/17/733051.html (04.07.2005).
(2) "Man solle ihm doch Beweise vorlegen, "eine Goebbels-Rede oder
irgendwas", dass das Wort tatsächlich "klassischer nationalsozialistischer
Sprachgebrauch" sei", sagte Lafontaine,
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,363649,00.html
(04.07.2005).
(3) "Die Begriffskritik scheint mir insofern etwas überzogen, und hier
sollte die Partei Hertha Däubler-Gmelins vielleicht etwas zurückhaltender
sein. Mir würde es besser gefallen, man würde die von Lafontaine
angesprochene Thematik kritisch diskutieren, als sich über eine
Begrifflichkeit aufzuregen, die zwar mindestens fahrlässig ist, aber kein
gar so großer Skandal"
http://www.faz.net/s/RubFC06D389EE76479E9E76425072B196C3/Doc~
E7816F77D8D61440AA55B9CE79A363601~ATpl~Ecommon~Scontent.html
(04.07.2005).
(4) So eine sich "Thora Ruth" nennende Frau in einem Leserbrief an La Plata
Ruf (Buenos Aires), September 1973, S. 25, zitiert nach Margret Feit (1987):
Die ‚Neue Rechte‘ in der Bundesrepublik. Organisation – Ideologie
–Strategie, Frankfurt/Main/New York (Campus), S. 150.
(5) Wolfgang Pohrt (1982): Endstation. Über die Wiedergeburt der Nation.
Pamphlete und Essays, Berlin
(Rotbuch Verlag), S. 51.
hagalil.com 05-07-2005 |