Mit
dem Ende der NS-Herrschaft im Mai 1945 schien auch die jüdische Geschichte
in Deutschland definitiv beendet. Aber bereits 1945/46 kam es in mehr als 60
Städten Ost- und Westdeutschlands zur Neugründung jüdischer Gemeinden.
Jüdisches Leben im Nachkriegsdeutschland:
Leben im Land der Täter
Aus dem Vorwort eines Sammelbands, der auf
eine Tagung des Moses Mendelssohn Zentrums in Potsdam zurückgeht,
herausgegeben von
Professor Dr.
Julius H. Schoeps.
Als 1945 die überlebenden Juden aus den
Konzentrationslagern und Verstecken kamen, waren viele der Überzeugung, dass
die Dimension der Verbrechen für immer dem Antisemitismus in Deutschland
eine radikale Absage erteilen würde. Die Wirklichkeit, die sie vorfanden,
aber sah ganz anders aus: Im ersten Nachkriegsjahrzehnt herrschte,
unabhängig von den Differenzen in den politischen Systemen, in beiden Teilen
Deutschlands ein virulenter Judenhass sowohl in der Bevölkerung als auch in
der staatlichen Politik.
Das soziale Umfeld und die Vertreter der
Bürokratie reagierten weitgehend gleichgültig, wenn nicht gar abweisend und
feindselig auf diejenigen, die Verfolgung, Deportation, Exil und die
Ermordung von Familienmitgliedern und Freunden erlitten hatten. Die Schoah
wurde verschwiegen, oder es wurde nur konturenhaft Bezug darauf genommen.
Der nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft lag das eigene Leiden durch Krieg
und Not wesentlich näher als das Geschehen in den Konzentrations- und
Vernichtungslagern. Schnell stellte sich eine Tendenz des Vergleichs
zwischen deutschem und jüdischem Schicksal ein. In den vorherrschenden
Diskursen überlagerte das Leiden der deutschen Kriegsheimkehrer und
Kriegsopfer das Leiden der jüdischen Opfer, so dass kaum mehr zwischen
Opfern und Tätern unterschieden wurde. Die jüdischen Opfer waren nicht die
Instanz, vor der Rechenschaft für die begangene Schuld abgelegt wurde. Wo
doch so etwas wie Trauer zum Ausdruck kam, entzog sich diese selten der
ökonomischen Logik von Ausgleich und Entschädigung.
Vor diesem Hintergrund zeichnet
Y. Michal Bodemann in seinem einleitenden Text die Konturen des
schwierigen Neubeginns jüdischen Lebens in Deutschland auf. Die Existenz in
einem "spätnazistischen Umfeld" brachte in den ersten Nachkriegsjahren eine
"Mentalität des Verweilens", nicht aber dauerhafte Lebensentwürfe unter
jüdischen Überlebenden hervor.
Displaced Persons
1945 befanden sich, meist als Displaced
Persons, etwa 250.000 Überlebende in Deutschland, die vorwiegend in Lagern
und unter alliierter Aufsicht oft jahrelang auf ihre Emigration nach
Palästina oder in die USA warten mussten. Um deren Lebensbedingungen geht es
im ersten Teil des vorliegenden Bandes. Angelika Konigseder schildert
die Situation der jüdischen Displaced Persons in Berlin von 1945 bis 1948.
Neben dem problematischen Verhältnis zur nichtjüdischen Umwelt analysiert
sie vor allem die politischen, sozialen und kulturellen Entwicklungen in den
drei Berliner DP-Lagern. Eine Besonderheit der Berliner Situation war, daß
im Jahre 1946 noch zusätzlich zahlreiche Juden, die vor den Pogromen in
Polen geflohen waren, in der Stadt Zuflucht suchten.
Joachim Schroeders Beitrag über das DP-Lager Föhrenwald untersucht
den Übergang des Lagers von der amerikanischen in die deutsche Verwaltung
bis hin zu seiner Auflösung im Jahre 1957. Mit der Übernahme von deutscher
Seite verschlechterte sich die Betreuung der Bewohner, ohne dass die
politischen Entscheidungsträger willens waren, dieser Entwicklung
entgegenzusteuern.
Das Kulturleben in den jüdischen DP-Lagern in den
westlichen Besatzungszonen steht im Mittelpunkt der Ausführungen von
Angelika Eder. Die vielfältigen kulturellen Aktivitäten leisteten einen
entscheidenden Beitrag für die Entwicklung einer kollektiven Identität unter
den jüdischen Überlebenden. Durch die mehrheitlich osteuropäische Herkunft
der Lagerinsassen waren vorwiegend kulturelle Traditionen des polnischen
Judentums der Vorkriegszeit und Jiddisch als Mehrheitssprache Grundlage der
Lebenswelt in den Lagern.
Das
kulturelle Leben diente zur Verarbeitung der Vergangenheit, aber auch zur
Bewältigung des Lageralltags und zur Nutzung der Zeit des Wartens auf die
Ausreise.
>> Teil 2:
Deutschland nach 1945:
Geschichte der jüdischen
Gemeinden
Zwischen den Juden osteuropäischer
Herkunft mit ihren mehrheitlich orthodoxen Traditionen und den deutschen
assimilierten Juden kam es in der Gemeinde in München zu erheblichen
Spannungen...
Jüdisches Leben im Nachkriegsdeutschland:
Leben im Land der Täter
Mit dem Ende der NS-Herrschaft im Mai 1945 schien auch
die jüdische Geschichte in Deutschland definitiv beendet. Aber bereits
1945/46 kam es in mehr als 60 Städten Ost- und Westdeutschlands zur
Neugründung jüdischer Gemeinden.
Ein Sammelband zu einer Tagung des Moses Mendelssohn Zentrums in Potsdam...