Die Zeit nach der Loslösung:
Keine israelische Marionette
Von Dani Reshef, Maariv, 14.06.2005
Die meisten von uns sprechen und lesen kein Arabisch,
erfreuen sich nicht an arabischer Kunst und verfolgen keine Nachrichten in
den arabischen Medien. Wir kennen die Palästinenser über Kommentatoren und
Politiker mit einer bestimmten Agenda. Dennoch diskutieren Israelis, von der
Rechten und der Linken, mit Begeisterung darüber, welche Schlussfolgerungen
die Palästinenser aus unseren Maßnahmen ziehen werden, so als sei die
palästinensische Gesellschaft eine Marionette Israels.
"Die Hamas wird wegen Ariel Sharon und seinem
Loslösungsprogramm stärker", behaupten einstimmig Rechte und Linke, die
außer ihrem Widerstand gegen die Loslösung nichts gemeinsam haben, wenn auch
aus verschiedenen Gründen. So als gäbe es keine Prozesse in der
palästinensischen Gesellschaft, sondern nur Reaktionen auf das Verhalten
Israels.
Im gesamten moslemischen Raum, von Indonesien über
Palästina bis Marokko, wird der fundamentalistische Islam immer stärker.
Sobald die Sicherheitsapparate ihren Griff lockern, gibt es eine Blüte und
Stärkung des Islam. Dieser Prozess wird von Korruption und Osama Bin-Laden
beeinflusst, nicht von Israel.
Die palästinensische Gesellschaft litt noch vor der
Intifada an tiefgehender Korruption, die von einer Vielzahl verschiedener
Geheimdienstapparate genährt wurde, die mehr wie eine Mafia arbeiteten, als
wie eine staatliche Einrichtung. Die Hamas fiel als einzige ehrliche
Organisation auf. Als die hohen Stellen in der Palästinensischen
Autonomiebehörde (PA) mit Anzügen und gepanzerten Dienstfahrzeugen durch die
Gegend fuhren, so als sei die Intifada nicht Teil von ihnen, fielen die
hohen Stellen in der Hamas durch ihre Bescheidenheit auf. Sie gelten heute
als Führer des nationalen Kampfes.
Die PA hat niemals echtes Interesse an der Not und der
Armut der palästinensischen Bevölkerung gezeigt und hat auch niemals
bedeutende Wohlfahrtseinrichtungen gegründet. Hingegen unterhält Hamas ein
weit verzweigtes Netz von Hilfsorganisationen, Waisenhäusern, Schulen und
Gesundheitsdiensten, und sie ist die einzige Stelle in der PA, die dies
effektiv und systematisch tut.
Die palästinensische Gesellschaft ist auch heute, unter
Abu-Masen, eine anhaltende Anarchie. In der PA rühren die USA und Europa
mit, Ägypten und Syrien, Iran und Hisbollah, Saudi-Arabien und auch Israel.
Sie alle finanzieren ihre Verbündeten, üben Druck aus und ein Teil von ihnen
unterhalten über Fernbedienung geldgierige Terrorfaktoren.
Wir, die Israelis, haben den Verhaltenscode der
palästinensischen Gesellschaft nicht geknackt. Wir haben keinerlei
Fähigkeiten vorauszusehen, was bei ihnen oder bei uns nach der Loslösung
geschehen wird. Wir haben jedoch immer die Fähigkeit zu wissen, was wir von
uns selbst wollen und was unsere moralischen Grenzen sein müssen.
Anstatt die palästinensische Zukunft zu analysieren,
sollten wir uns darauf konzentrieren, was wir für unserer Zukunft wollen,
denn die palästinensische Gesellschaft ist keine Marionette Israels.
Medienspiegel der Deutschen Botschaft Tel Aviv
hagalil.com 16-06-2005 |