Mit Supermann fing alles an:
Jüdische Künstler prägen den Comic
Vom 16.6. bis zum 17.7.2005 ist in der Galerie
Neurotitan, im Haus Schwarzenberg, Rosenthaler Str. 39, 10178 Berlin, die
Comic-Ausstellung "Mit Supermann fing alles an - Jüdische Künstler prägen
den Comic" zu sehen.
Ergänzt wird die Ausstellung durch ein Programm aus
Lichtbildvorträgen, Podiumsdiskussionen und Gesprächsrunden, die vom 17.6.
bis zum 19.6. stattfinden. Unter anderem werden der US-amerikanische
Zeichner Ben Katchor und der israelische Schriftsteller Etgar Keret anwesend
sein.
"Die unglaublichen Abenteuer von Kavalier & Clay" von
Michael Chabon haben jüngst einen lange vernachlässigten Fakt der
Comic-Geschichte ins öffentliche Bewusstsein gerückt: die Erfinder des
omnipotenten Superhelden waren jüdischer Herkunft. Als Jerry Siegel und Joe
Shuster 1938 ihre erste "Superman"-Geschichte herausbrachten, hatten sie
damit ein neues Genre ins Leben gerufen, dass während des Zweiten Weltkriegs
vor allem in den USA boomte. Mehr noch, sie etablierten eine neue
Erscheinungsform des Comics: das Comic-Heft mit originären Serien.
Wie Chabon gezeigt hat, ist es leicht möglich, etwa
Superman als Reaktion auf den deutschen Nationalsozialismus und weniger als
pure Allmachtsphantasie pubertierender Jungs zu lesen. Die Ausstellung wird
zeigen, wie seitdem immer wieder jüdische Künstler mit explizit jüdischen
Erfahrungen und Themen der Comic-Geschichte neue Impulse gaben und geben,
wie jüdische Zeichner und Szeneristen auf die ästhetische, formale und
inhaltliche Entwicklung des Comics Einfluss genommen haben.
Gerade
in der thematischen und ästhetischen Verschiedenheit der Arbeiten zeigt
sich, dass sich die Zeichner ganz unterschiedlichen Traditionen verpflichtet
fühlen, die auch gar nicht comicimmanent sein müssen. Ziel der Ausstellung
ist es daher, einen Eindruck von der Vielfältigkeit des Schaffens zu
vermitteln und gleichzeitig das Besondere herauszustellen.
Folgende Künstler werden unter anderem in der Ausstellung
zu sehen sein:
Will Eisner: SPIRIT,
A contract with God,
Asaf
Hanuka und Etgar Keret: Pizzeria Kamikaze (Bild rechts)
Ben Katchor: The Jew of New York
Bernard Krigstein: Master Race u.a.
Joann Sfar:
Die Katze des
Rabbiners
Art Spiegelman: MAUS
Elke Steiner und Etgar Keret: Ich und
Ludwig töteten Hitler ohne Grund (Berliner Frühling)
Programm:
16. Juni 20.00 Vernissage
17. Juni 20.00 "The Deep Tub and other stories."
Lichtbildvortrag von Ben Katchor über Architektur und urbanes Design mit
Comicstrips aus Metropolis.
18. Juni 16.00 Podiumsdiskussion mit dem israelischen Schriftsteller Etgar
Keret, der deutschen Zeichnerin Elke Steiner und dem Zeichner und
Herausgeber des Comicmagazins bipolar Asaf Hanuka
19. Juni 16.00 "Vom Golden Age zum Teflon Age - Jüdische Künstler
beeinflussen die Comic-Industrie" - Vortrag von Lutz Göllner
Die Gäste:
Asaf und Tomer Hanuka sind nach eigenen Aussagen "in the mid 70's in
the outskirts of a major town in the Middle East" geboren, anderen Quellen
zu Folge im Jahr 1974 in der Nähe von Tel Aviv. Als Kinder fallen den
Zwillingsbrüdern amerikanische Superhelden-Hefte in die Hände, die ganz
offensichtlich einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Obwohl mittlerweile
räumlich voneinander getrennt – nach dem Militärdienst geht Asaf nach
Frankreich und Tomer nach New York – geben sie seit 2002 gemeinsam das viel
beachtete englischsprachige Independent-Comic-Heft bipolar heraus. Dort
erscheint derzeit auch die englische Pizzeria Kamikaze-Fassung, die Teil der
Ausstellung ist.
Von Asaf Hanuka sind bisher veröffentlicht worden:
Cassidy (Textvorlage Roger Martin)
Hors Limites (Textvorlage Didier Daeninckx)
Carton Jaune! (Textvorlage Didier Daeninckx)
Streets of Rage (Textvorlage Etgar Keret)
Ben Katchor wird 1951 in New York geboren, wo er bis heute lebt.
Neben seiner Arbeit als Autor und Zeichner von Comic-Strips unterrichtet er
an der School of Visual Arts, schreibt Libretti und Szenarien für Opern und
inszeniert Theaterstücke. Überdies ist er bekannt für seine hoch
unterhaltsamen Vorträge über die kleinen und oft unterbewerteten Dinge des
Alltags und ihre überraschenden Beziehungen zu den großen Dingen des Lebens.
Als Comic-Zeichner debütiert er Anfang der 80er in RAW, seit 1988 realisiert
Ben Katchor den Comic-Strip Julius Knipl, Real Estate Photographer, der
flanierende Immobilienfotograf, für The New York Press. Ben Katchors Comics,
er selbst bevorzugt die Bezeichnung picture stories, sind nicht für den
schnellen Konsum geeignet. Sie verlangen dem Leser vielmehr Geduld ab, ganz
so, als ob man seiner Hauptfigur Julius Knipl bei seinen melancholischen
Streifzügen durch die Stadt tatsächlich folgen würde. Insbesondere gilt dies
für sein bisher komplexestes Werk The Jew of New York. In dieser Geschichte
versammelt Katchor eine Reihe erstaunlicher jüdischer Biographien und
Begebenheiten – etwa die von Mordechai Noah, der im Norden der USA einen
jüdischen Staat gründen wollte – die es im New York des Jahres 1825 so
gegeben haben mag. Wie unter einer Patina liegend, wirken dabei die Figuren
und die Orte, die der aufgeklärte Nostalgiker auf ihre scheinbar verlorene
Vergangenheit hin untersucht.
Als Strip-Anthologien sind erschienen:
Cheap Novelties, The Pleasures of Urban Decay
Julius Knipl, Real Estate Photographer
The Jew of New York
The Beauty Supply District
Etgar Keret wird 1967 in Tel Aviv geboren, wo er bis heute lebt. Der
nicht unumstrittene Autor von über 40 Kurzfilmen – einer seiner Filme bringt
es als antisemitisch verdächtigt sogar zum Tagesordnungspunkt in der Knesset
– lehrt an der dortigen Filmakademie.
Zum Schreiben kommt Etgar Keret bereits während seiner Militärzeit. Um die
Isolation nach einer Strafversetzung aushalten zu können, beginnt er
Kurzgeschichten zu schreiben. Eine gute Entscheidung, denn Kerets mal
absurde, mal ironische und manchmal schmerzhafte Kurzgeschichten über die
jüdisch-israelische Wirklichkeit sind in Israel sehr populär und bislang in
mindestens fünfzehn Sprachen übersetzt worden.
Auffällig viele seiner Geschichten reizen offensichtlich Zeichner dazu,
diese für den Comic zu adaptieren. Gemeinsame Arbeiten gibt es mit der
ebenfalls in Tel Aviv ansässigen Künstler-Gruppe Actus Tragicus und mit Asaf
Hanuka, zuletzt Pizzeria Kamikaze – der Kurzroman wird ursprünglich als
Kneller's Happy Campers veröffentlicht. Am ungewöhnlichsten ist sicherlich
seine Zusammenarbeit mit der Berliner Zeichnerin Elke Steiner. Anlässlich
der deutsch-israelischen Kulturtage illustriert Elke Steiner in regem
Austausch mit dem Autor die auf feinnervige Weise den Holocaust zitierende
Erzählung Shoes, die anschließend von Etgar Keret selbst gelettert wird.
Auf
deutsch sind bisher u.a. erschienen:
Gaza Blues
Der Busfahrer, der Gott sein wollte
Mond im Sonderangebot
Pizzeria Kamikaze
Comics:
Nobody Said it Was Going to Be Fun (Zeichnungen Rutu Modan)
Streets of Rage (Zeichnungen Asaf Hanuka)
Pizzeria Kamikaze (Zeichnungen Asaf Hanuka)
Der Busfahrer, der Gott sein wollte (Zeichnungen Elke Steiner)
Shoes (Zeichnungen Elke Steiner)
Comix ojf Jidisch:
An Opmakh mit Got
Die bekannte graphische Novelle "Eine Abmachung mit Gott",
von Will Eisner.
hagalil.com 19-06-2005 |