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40 Jahre deutsch-israelische Beziehungen und ihre Instrumentalisierung:
Die wirkliche Befreiung

Von Natan Sznaider
Erschienen in: Die Welt, 7. Mai 2005

Vierzig Jahre deutsch-israelische Beziehungen und man kann sich vor lauter symbolischer Gewalt kaum retten. Dies ist die Zeit der unpolitischen Phrasen. Die wenigen Israelis, die sich für Köhlers Staatsbesuch interessierten fanden ihn ganz sympathisch. Warum auch nicht? Wo man nur falsches sagen kann, hat er nur richtiges gesagt. Ein kurzes Lob und man kann sich wieder den wichtigeren Themen widmen.

In der Tat übertrumpft die Tages- die Geschichtspolitik und das ist gut so. Denn um Gerechtigkeit kann es hier nicht gehen. Wenn nämlich die Welt gerecht wäre, hätte Deutschland als politisch souveräner Staat 1945 aufgehört zu existieren und seine Bevölkerung wäre in alle Winde verstreut worden. Aber darum geht es nicht mehr. Deutschland existierte trotz allem weiter und keiner zweifelte je die Legitimität der Existenz Deutschlands an. Es gehört sich heutzutage nicht, sich gegen das Versöhnen zu stellen. Das Leiden der Menschen ist nun universales Gut, und damit wird "Versöhnung" zum Gebot der Stunde. Zu viele Wochen der Brüderlichkeit sind nun schon vorbei. Wer kann noch nein sagen?

Daher ist wohl Besonderheit angesagt. "Besondere Verantwortung", heißt es aus aller Munde. Das Täter- und Opferkollektiv sind durch "besondere" Beziehungen des Massenmords aneinander gekettet worden. Israel und Deutschland entstanden gemeinsam und aus der "besonderen" Beziehung entstand einer der ironischsten Partnerschaften, die es je in der Geschichte gab. Diese Partnerschaft war für beide Seiten lange sinnvoll. Die Bundesrepublik brauchte Israels Anerkennung dringend. Das hatte nichts mit kollektiver Schuld zu tun, denn die besiegte Volksgemeinschaft war sich von Anfang an keiner wirklichen Schuld bewußt. Die Niederlage war die eigentliche Schuld. Dadurch wurde die Anerkennung Deutschlands durch Israel zum Pfeiler der westdeutschen Diplomatie der nächsten Jahrzehnte. Wie konnte man den Rest Europas davon überzeugen, daß es keine Kontinuität zwischen Hitler- und Adenauerdeutschland gab? Der schnellste Weg nach Europa und in die Nato führte über Israel. Und Deutschland mußte für diese Anerkennung bezahlen. Der beispiellose Reparationsvertrag wurde 1953 verabschiedet.

Deutschland brauchte die Anerkennung und das junge Israel, durch Masseneinwanderung und militärischen Konflikt verarmt, das Geld. Die moralische Rehabilitierung Deutschlands durch den Weg über Israel hatte im Endeffekt das realpolitische Ziel erreicht. Deutschland mußte nicht mehr besetzt sein.

Aber die Ironie dieser Partnerschaft war, daß Israel sehr bald verstand, daß Deutschland zu einem der engsten politischen Verbündeten wurde, denn Deutschland brauchte Israel. In der Tat war Deutschland das einzige Land in der Welt, das Israel brauchte. Ohne Israel kein "Anderes Deutschland", eine von Ben Gurion damals geprägte Formel. Gerade nach 1967 wuchs die Bedeutung dieser besonderen Beziehung. Die deutsche Politik akzeptierte auch, daß Israel für die Juden der Welt sprach und daß jede Kritik an Israel gleichzeitig Kritik an Juden ist. Ohne diesen Anspruch wäre der "Anderes Deutschland Stempel" nicht viel wert. Auch wurde in der deutschen Politik die Legitimität eines ethnischen Staates nie angezweifelt. Von 1967 bis zum Ende des Kalten Krieges und der Wiedervereinigung waren Deutschland und Israel damit beschäftigt, gegenseitige Anerkennungspolitik zu betreiben und die Besonderheit der Beziehung zum Leitmotiv ihrer Politik zu machen.

Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde das vereinigte Deutschland schnell in die Völkerfamilie aufgenommen. Da jeder glaubte, daß die Teilung das Resultat kommunistischer Verbrechen war, konnte wohl kaum jemand im Westen dagegen sein.

Und hier begann langsam der Abkopplungsprozess Deutschlands von Israel. Die Rituale sind alle noch da. Die besondere Vergangenheit wird immer noch beschworen, aber Deutschland braucht Israel nicht mehr. Deutschlands Existenzrecht in der Nato und EU wurde von niemand mehr angezweifelt. Plötzlich wurde die automatische Formel, daß man "für Israel ist" eine komplizierte Angelegenheit für die aufgeklärte Welt, die nach dem kalten Krieg auch Deutschland einschloss.

Dann kam noch der Zusammenbruch Jugoslawiens und das Prinzip des ethnischen Nationalismus wurde zum Feind der aufgeklärten Welt. Das war auch die Zeit, wo humanitäre Interventionen noch legitim waren. Und sie waren es wegen Auschwitz. "Nie wieder Auschwitz" hieß ja damals die Rechtfertigung für das Eingreifen. Es war dieser besondere historische Moment in der neuen Identitätsfindung Deutschlands, wo die sogenannte besondere Verantwortung Deutschlands im Einklang mit der westlichen amerikanischen und demokratischen Weltgemeinschaft stand. Aber auch das sollte sich bald gegen Israel richten. Denn nun sollte Israel von Deutschland lernen, wie man multikulturelle Menschenrechtspolitik betreibt.

Und Jugoslawien machte auch deutlich, daß die aufgeklärte Welt sich einmischen mußte. Und die aufgeklärte Welt ist immer auf Seiten des Schwachen. Das änderte Israels Bild in der Welt. Die alte Formel des Zionismus als Rassismus bekam nun endgültig seine globale Legitimität. Israel wurde in den Augen der Aufgeklärten zum Anachronismus. Nicht nur die Besatzung war nicht mehr legitim, sondern die Existenz Israels als jüdischer ethno-nationaler Staat. Das war auch der Beginn der Beteuerungen, daß man das Existenzrecht Israels für selbstverständlich hält.

Und dann kam der 11. September 2001. Die aufgeklärte Welt stellte sich in der Folge nicht hinter die USA sondern gegen sie. Es gibt wohl kaum in der Weltgeschichte der Ressentiments eine solche Entwicklung. Die USA wurden zum Außenseiter erklärt. Und Israel wurde im Rückenwind dieser Entwicklung gefangen. Man begann den Terror als legitimen Widerstand zu erklären. Man konnte guten Gewissens die Feinde Israels unterstützen. Deutschlands Normalisierung ist eine Erfolgsgeschichte geworden. Der Umerziehungsprozess hat so gut funktioniert, daß die meisten wirklich glauben, dass Deutsche damals und Deutsche heute verschieden Menschengattungen sind. Nazis und Deutsche sind zwei völlig verschiedene Kategorien geworden. Und niemand hat mehr Angst vor Deutschland und das in einer Welt, in der die meisten Europäer Angst vor Israel haben.

So bildete sich die Ungleichzeitigkeit der Gleichzeitigkeiten heraus, auf der die politischen Miss- und Unverständnisse, was Israel angeht, beruhen. Auf der einen Seite hatte sich in den vergangenen Jahren über die nationalstaatlichen Grenzen hinweg ein globales Gedächtnis konstituiert, transnational ausgeprägt in der Erinnerung an Holocaust, Völkermord, Sklaverei und Kolonialismus. Auf der anderen Seite ist im offiziellen israelischen Gedächtnis der Holocaust nach wie vor ein Verbrechen gegen das jüdische Volk. Diese beiden Sichtweisen treffen trotz und wegen aller Rituale und Gedenkstätten frontal aufeinander. Das ist gerade das, welches den Vergleich von Israelis mit Nazi leicht von der Zunge gehen läßt. Solange der Nahostkonflikt anhält, kann Israel kein Teil des imaginären multiethnischen, multinationalen, kosmopolitischen Europa sein, das seine weltpolitische Rolle selbstbewusst vor allem gegen die USA definiert und entfaltet.

Plötzlich gibt es ein fast schon natürliches anmutendes Kerneuropa. Die sogenannte anamnetische Solidarität mit den ehemaligen Opfern wird mit einer Solidarität aller Kriegsopfer ausgetauscht. Natürlich ist es falsch diese Kosmopolitisierung und Europäisierung Deutschlands als die Auflösung des Nationalen mißzuverstehen. Auch in Deutschland birgt die Europäisierung des Holocaust nicht nur ein emanzipatorisches Potential wie man von sich selbst so gerne glaubt, sondern wird auch apologetisch gedeutet.

Vor allem die Generation der Mitte-Links-Kritiker, für die der Holocaust die Ikone des Sonderwegs der alten Bonner Republik darstellte, sorgten sich um den Verlust dieser für einen negativen Nationalismus bestimmenden Form. Die massenmediale Wiederentdeckung von deutschen Opfern ist mittlerweile ein integraler Bestandteil einer neuen Geschichtspolitik wie auch der sich entwickelnde Diskurs über die Vertreibung deutlich zeigen. Dann ist auch das Verhalten der sächsischen NPD nur eine Konsequenz dieser Entwicklung. Sie sind näher am Konsens, wie ihnen selbst lieb kann. Die Mitte-Links geführte Berliner Republik zeichnet sich durch eine Entwicklung aus, die den Argumentationsmustern der Rechten während der 80er Jahre häufig ähnelt. Berufungen auf die "Gnade der späten Geburt" ist heute kein Anlass mehr zur Kanzlerschelte. Das kann und wird an trotz aller Beteuerungen an den deutsch-israelischen Beziehungen nicht vorübergehen können.

Das sinnstiftende Potential, das durch die Entkontextualisierung des Holocausts freigesetzt wird, ermöglicht es unterschiedliche Menschenrechtsverletzungen mit dem Holocaust gleichzusetzen. Wenn man früher wegen Auschwitz pro-Israel sein konnte, ja sein musste, kann man heute, ja muss man sogar, wegen Auschwitz gegen Israel sein, wobei die höchste Trumpfkarte der direkte Vergleich von Israelis und Nazis ist. Hier dann auch die ständige Verknüpfung von Israel als Menschenrechtsverletzer, da ja Menschenrechtsverletzungen nun Teil der Holocaust-Ikonographie geworden sind.

Dies entspricht auch in zunehmenden Maße einer Affinität von Antiamerikanismus und Antisemitismus, und die oftmals mit ihm einhergehende gesinnungsethische Haltung die um jeden Preis geo-politische Probleme in ein universales Völkerrecht aufgehen lassen will. Besonders seit dem 11. September und dem Irakkrieg ist diese Tendenz in der politischen Kultur Deutschlands und den transatlantischen Spannungen zwischen Europa und den USA und Israel unverkennbar. Hier wird der durch eine universalgeschichtliche Deutung des Holocausts zustande gekommene Menschenrechtsdiskurs weniger zum Anlass von konstruktiven politischen Lösungsvorschlägen, sondern eher ein Auslöser von tiefliegenden Ressentiments gegen die ursprünglichen Opfer des Holocausts und diejenigen, die Europa vom Faschismus befreit haben. Auschwitz ist nach 60 Jahren nun endgültig befreit.

Dossier:
40 Jahre diplomatische Beziehungen Deutschland-Israel
Am 12. Mai 1965 haben Israel und die Bundesrepublik Deutschland offiziell diplomatische Beziehungen aufgenommen. "Aus der Geschichte lernen - die Zukunft gestalten" lautet das Motto dieser Verbindung, die nun schon 40 Jahre andauert...

[FORUM]

hagalil.com 20-05-2005

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