Breloer-Dreiteiler in der ARD:
'Entlastungs-Nazi' Speer wird enttarnt
Von Jürgen Hein
KÖLN - Hitlers ehemaliger Rüstungsminister Albert Speer
geht in seiner Nürnberger Zelle auf und ab. Er liest, was die Ankläger im
Kriegsverbrecherprozess ihm vorwerfen: Dass er mitverantwortlich gewesen sei
für das unsägliche Leid, dass Hitler-Deutschland über die Welt gebracht hat,
das Leid der Juden, der Zwangsarbeiter, der unterjochten Völker. Speer,
allein in der Zelle, stockt der Atem, er hat Angst, er verkrampft sich. Aber
schon kurze Zeit später hat er sich gefasst.
Im Gespräch mit einem US-Militärpsychologen erprobt er die
Verteidigungsstrategie, mit der er seinen Kopf aus der Schlinge ziehen wird:
Verantwortung übernehmen, Reue zeigen, aber jede persönliche Schuld und das
Wissen um die Gräuel weit von sich weisen.
So beginnt das dreiteilige Doku-Drama "Speer und Er" von Heinrich Breloer,
das die ARD am 9. und 12. Mai um 21.15 Uhr (israelische Zeit, 20.15 Uhr MEZ)
zeigt.
Speer, so stellt Breloer (63) ihn dar, hat sich nur allzu
gerne verführen lassen von Hitler, hat als Architekt dem Diktator die
Kulissen geschaffen für seine Selbstinszenierungen, hat als Rüstungsminister
alles getan, um durch Ausbeutung von Sklavenarbeitern die Munition zu
liefern für Hitlers längst verlorenen Krieg.
Aber schon Monate vor Hitlers Selbstmord und der Kapitulation der Wehrmacht
denkt Speer über das Ende des Dritten Reichs hinaus. Er schreibt Briefe, die
ihm einmal zur Verteidigung dienen werden. In Nürnberg und danach als
Bestsellerautor im Spandauer Gefängnis erfindet er sich neu, als Technokrat,
als einer, der angeblich keine Befehle gab, der vom Völkermord in den
Konzentrationslagern nichts gewusst haben will. Speer liefert damit vielen
Deutschen seiner Generation die Blaupause für die Verdrängung der eigenen
Schuld.
Breloer und sein langjähriger Ko-Autor Horst Königstein enttarnen in ihrem
Dreiteiler den "Entlastungs-Nazi" Speer. Breloer verwendet dazu - wie schon
vor gut drei Jahren in seinem Welterfolg "Die Manns" und vielen anderen
preisgekrönten Filmen - die Verschränkung von Spielszenen, Originalaufnahmen
und Interviews.
Es ist faszinierend zu sehen, wie sehr Sebastian Koch in seiner Rolle dem
echten Albert Speer gleicht, wie Tobias Moretti als Adolf Hitler seine Augen
in Sekundenbruchteilen von verführerisch auf dämonisch umschalten kann, wie
Susanne Schäfer die Liebe der Sekretärin Annemarie Kempf zu ihrem Chef Speer
aufscheinen lässt.
Götz Weidners Nachbauten der Reichskanzlei, des Nürnberger Prozesssaals und
des Spandauer Gefängnisses sorgen dafür, dass Originalaufnahmen und
Spielszenen ineinander fließen. Und Gernot Roll vermittelt mit seiner
Kameraführung den Zuschauern das Gefühl, sie seien mitten im Geschehen. Dass
sie trotz der zahllosen Übergänge zwischen den Zeitebenen und Orten nie die
Orientierung verlieren, dafür sorgt die Cutterin Monika
Bednarz-Rauschenbach.
Die ergreifendsten Momente in Breloers Doku-Drama aber
sind die Szenen, in denen Zeitzeugen das kommentieren, was gerade in
Spielszenen oder Originalaufnahmen zu sehen war - ehemalige Zwangsarbeiter
in der unterirdischen Raketenfabrik und vor allem Speers Kinder, die sich
mit der Vergangenheit ihres Vaters konfrontieren lassen. Albert Speer junior
sieht in Filmaufnahmen, wie er als kleiner Junge auf Hitlers Schoß sitzt.
"Kinder haben da ja kein Sensorium, Verbrecher zu erkennen", sagt er.
320 Milliarden Dollar:
Geraubtes
jüdisches Eigentum
In der Studie wird festgestellt, dass in der Nazizeit etwa 9 Millionen Juden
ihr Eigentum verloren hätten. Allein das geraubte Gold wird mit 2 Milliarden
Dollar beziffert...
hagalil.com 09-05-2005 |