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Deutsch-Israelische Beziehungen:
Klassentreffen nach 67 Jahren

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 2. April 2005

Der dänische Honorarkonsul Adin Talbar hatte in seiner Jerusalemer Wohnung zu einem Klassentreffen geladen. Es kam der ehemalige Ankläger Adolf Eichmanns und Oberrichter Gabriel Bach. Eli Preis, früherer Nachbar Martin Bubers, und zwanzig alte Leute in den Achtzigern erschienen ebenfalls, um mehr über Paula Fürst zu erfahren, Leiterin der Berliner "Theodor-Herzl-Schule".

"Ich kann mich ja gar nicht mehr an mich selbst erinnern", rief eine ältere Dame, als sie versuchte, sich auf einem Foto der ersten Klasse in den dreißiger Jahren zu identifizieren. Adin Talbar erzählte, wie er "ganz frech" einen Schülerstreik organisiert hatte und deswegen für eine Woche "suspendiert" wurde.

Doch das Treffen galt nicht dem Austausch von Jugenderinnerungen. Der pensionierte Zollbeamte Martin-Heinz Ehlert war aus Berlin gekommen, den ehemaligen Schülern sein Buch über deren Schulleiterin Paula Fürst vorzustellen. Es ist fast die einzige Publikation über das jüdische Schulwesen in Deutschland in der Nazizeit.

Angefangen, so Ehlert, habe sein Interesse mit Lilly Henoch, einer vierfachen Weltrekordlerin (darunter in Kugelstoßen und Diskuswerfen) und zehnfachen deutschen Meisterin. 1933 wurde sie aus den Sportverbänden rausgeworfen und lehrte als "diplomierte Sportlehrerin" am Prenzlauer Berg. Im September 42 wurde sie nach Riga deportiert. Damals wurden die Juden noch vor ausgehobenen Massengräbern erschossen, teilweise durch Soldaten der Wehrmacht. Ehlert traf einen betagten deutschen Sportler, der wie Henoch deutscher Meister war und sie vor 1933 gut gekannt hatte. Beiläufig erzählte ihm Ehlert, dass Henoch bei Riga erschossen worden war. Fünfzig Jahre nach dem Holocaust sagte der deutsche Sportler erstaunt: "Aber die hatte doch gar nichts getan..."

1933 gab es nach Angaben von Ehlert 40.000 schulpflichtige jüdische Kinder in Deutschland. 1939 waren es nur noch 9.000. In der Zwischenzeit hatte eine große Auswanderungswelle eingesetzt, nachdem die Juden durch die Nürnberger Gesetze und schließlich durch die Pogrome der "Kristallnacht" immer mehr in die Enge getrieben worden waren. Jüdische Schüler durften keine "christlichen" Schulen mehr besuchen. Die Zahl der Kinder an der jüdischen Theodor-Herzl-Schule am Berliner Kaiserdamm 78 wuchs auf 600. Bis zum Kriegsausbruch, so auch die Aussage der anwesenden Zeitzeugen wie Gabriel Bach, konnten Juden auswandern, solange sie Qualifikationen mitbrachten wie Berufsausbildung oder Geld. Danach verschloss sich die Welt, mit Ausnahme von Schanghai. Für die Einwanderung nach Palästina verlangten die Briten den Erwerb eines "Zertifikats". Bis 1940, so Ehlert, "unterstützten die Nazis die zionistischen Bewegungen" in Deutschland, weil sie in ihnen ein Mittel sahen, sich der Juden zu entledigen. Doch die Zionisten hatten unter den durchaus "deutsch-national denkenden" und ansonsten "assimilierten" Juden Deutschlands nicht viel Zulauf. Unter den 600.000 Juden 1933 gab es bestenfalls 15.000 Zionisten.

Ausgerechnet der Zionismus, also die nationale Ideologie der Juden, sollte sich als lebensrettend erweisen. Denn wer bis zuletzt glaubte, dass der antisemitische Spuk der Nazis vorübergehen würde, konnte dann nicht mehr fliehen. Ehlert: "Bis Anfang der vierziger Jahre gab es keine speziellen Konzentrationslager für Juden. In die seit 1933 bestehenden KZ wurden Oppositionelle, Homosexuelle und auch Juden geschickt, aber nicht weil sie Juden waren, sondern weil sie sich politisch betätigt hatten oder aus anderen Gründen. In der Kristallnacht wurden 20.000 Juden in verschiedene KZ verschleppt. Hunderte starben."

Erst 1941 kam der Führerbefehl, die Juden zu "vernichten". Gabriel Bach erzählt: "Ich habe mich lange mit Eichmann unterhalten. Der erzählte mir von einem mündlichen Führerbefehl. Daraufhin habe er die Wannsee-Konferenz organisiert, bei der nur noch technische und rechtliche Dinge besprochen wurden. SS-Offiziere und Juristen waren eingeladen. Eichmann und Heydrich befürchteten, dass die Juristen Einwände gegen die Ermordung von Unschuldigen, Frauen und Kindern hervorbringen könnten. Aber es gab keine Einwände. Am Abend hätten Eichmann und Heydrich einen Schnaps getrunken und vor dem großen Kamin der Wannsee-Villa vor Freude zusammen getanzt." Bach hält kurz inne: "Ich war dort mal zu einer Konferenz eingeladen. Da bemerkte ich einen Kamin im Saal. Ich fragte, ob Eichmann und Heydrich da getanzt hätten. Man bejahte es. Mir blieb der Kaffee im Halse stecken."

Bis zum 19. Juni 1942 gab es noch 96 Lehrer und 2700 Schüler unter der Verantwortung von Paula Fürst. "Sie wurden alle deportiert. Wir wissen nicht wohin. Ausgerechnet für diese Transporte fehlen die Unterlagen. Keiner hat überlebt" sagt Ehlert. Mit der "Evakuierung" des Schulpersonals - so die Gestapo - endete das "jüdische Schulwesen in Deutschland".

Bei dem Nostalgietreffen nach 67 Jahren wurde selbstverständlich deutsch geredet. Obgleich mitten in Jerusalem fühlten sich die alten Herrschaften wie in Berlin.

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hagalil.com 12-05-2005

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