"Judensau"-Skulptur:
Tafel am Regensburger Dom
Von Wolfram P. Kastner und Günter Wangerin
Institut für Kunst und Forschung, München
Am 30. März d.J. wurde am Regensburger Dom von
staatlicher Seite eine Tafel zur dortigen "Judensau"-Skulptur angebracht.
Wir hatten mehrfach und zuletzt auch durch eine öffentliche Kunstaktion auf
die Notwendigkeit hingewiesen, eine Tafel mit einem gut formulierten und
unmissverständlich distanzierenden Text dort anzubringen. So sehr wir es
daher begrüßen, dass endlich eine Tafel angebracht wurde, erscheint der Text
uns und vielen anderen kompetenten Personen als völlig misslungen.
Weder enthält er eine Bemerkung zu dem furchtbaren
historischen Kontext von Ausgrenzung, Erniedrigung, Vertreibung, Raub und
Mord, noch finden sich klare Worte der Verantwortlichkeit für die Geschichte
sowie der Schlussfolgerung daraus für Gegenwart und Zukunft.
Der Regensburger Text ist ausdruckslos und missverständlich. Es kann der
Eindruck entstehen, als solle damit um Verständnis für den Jahrhunderte
währenden Judenhass geworben werden. Das leider bestehende Problem des
heutigen Antisemitismus wird einfach geleugnet.
Bei verschiedenen Gesprächen in anderen Städten, welche die Last ähnlicher
Skulpturen haben, fanden wir dagegen sehr viel bessere und klare
Formulierungen.
Bei der Pressekonferenz in Regensburg wurde der Text als "Kompromiss"
bezeichnet. Bessere Formulierungen würden zu langatmig.
Die notwendigen Aussagen einer solchen Tafel, die einen symbolischen Wert
hat und Ausdruck einer geistigen und moralischen Haltung ist, lassen sich
aber in sehr wenige Worte und unmissverständliche Worte fassen. Wir haben
dazu einen Vorschlag erarbeitet, den wir gerne bei den vorbereitenden
Gesprächen eingebracht hätten. Von unserem wiederholten Angebot wurde aber
kein Gebrauch gemacht.
Die jetzige Tafel sollte so keinesfalls bleiben. Sie muss dringend im o.g.
Sinn. verändert werden.
Wir werden am Mittwoch, 11. Mai 2005 gegen 11.00 Uhr in aller Stille eine
weiße Tafel mit einem Textvorschlag in unmittelbarer Nähe zur Regensburger
"Judensau"-Skulptur anbringen.
Wir wollen anschließend einige Stunden die Reaktionen der Passanten sowie im
weiteren der zuständigen kirchlichen und staatlichen Stellen beobachten und
registrieren.
Wir hoffen auf einen offenen und angemessenen Dialog und laden Sie dazu
herzlich ein.
Textvorschlag für eine neue Tafel:
Hier am Regensburger Dom wurde im 14.
Jahrhundert
eine Hohnskulptur, eine sog. "Judensau" angebracht.
Dargestellt wird ein Schwein, an dessen Zitzen Juden saugen.
Damit wurden Juden von Christen auf obszöne Weise herabgewürdigt und dem als
unrein geltenden Tier gleich gesetzt.
Der im Christentum Jahrhunderte lang verbreitete und geschürte Hass gegen
Juden führte zu Vertreibungen, Raub, Pogromen und schließlich zum Mord an
den europäischen Juden durch die Nationalsozialisten.
Diese Schuld ist unauslöschlich.
Wir werden stets darauf achten, dass die Würde und die Rechte aller Menschen
gewahrt werden.
Wir werden uns allen Anfängen von Ausgrenzung, Entwürdigung oder
Antisemitismus in diesem Land entgegenstellen.
Die Katholiken Regensburgs und die Bayerische Staatsregierung, 2005
Nachtrag vom 12.05.2005:
Passanten und Stadtführer reagierten sehr
positiv. Die fast einhellige Meinung war, dass unser Vorschlag in seiner
Aussage und in seinen Formulierungen klar und unmissverständlich ist - im
Gegensatz zu den verschleiernden Worthülsen der "Staatstafel".
Wir erhielten um 14.00 Uhr den Hinweis, dass
der Bischof dafür sorgen wolle, dass die Tafel "so schnell wie möglich
wegkommt". Was hat der Herr Bischof zu verbergen, wovor hat er Angst?
Bekennt er sich nicht zur Schuld der Kirche am Raubmord, der an den Juden in
Regensburg und an den europäischen Juden begangen wurde? Oder ist er nicht
bereit, allen Anfängen von Ausgrenzung und Antisemitismus sich
entgegenstellen?
Die Tafel hing bis 15.30 Uhr. Dann wurde sie
entfernt. Von wem, wissen wir nicht. Möglicherweise von zwei Arbeitern der
Dombauhütte.
Wir haben daher Anzeige gegen Unbekannt bei
der Regensburger Polizeidirektion erstattet. Und wir werden Bischof Lehmann
als Vorsitzenden der Katholischen Bischofskonferenz und Papst Benedikt XVI
um ihre Stellungnahmen zur Schuld der Kirche und zu einem aktuellen
Bekenntnis gegen Antisemitismus bitten.
Wolfram Kastner und Günter Wangerin
[FORUM]
Künstler fordern Distanzierung von der sog. "Judensau":
Die antisemitische Schweinerei am
Regensburger Dom
Bischöfliches Ordinariat denunziert Künstler bei
der Polizei, bedauert nichts und findet Information "kontraproduktiv"...
hagalil.com 11-05-2005 |