Das Ende der Hoffnung:
Hamas und die Wiedergeburt der Illusion
Kommentar von Dr. Jonathan Spyer, Ha'aretz,
27.05.2005
Übersetzung Daniela Marcus
Gegenwärtig findet in der britischen und
amerikanischen Außenpolitik ein Prozess des Überdenkens hinsichtlich
der Hamas statt. Die Fähigkeit dieser Bewegung, über eine große
Unterstützung seitens der Bevölkerung zu verfügen, schenkt früheren
Randmeinungen, die sich für die Annäherung westlicher Demokratien an
den militanten Islamismus einsetzten, inzwischen Glauben.
Die Positionsänderung ist in Großbritannien zurzeit am weitesten
fortgeschritten. Doch auch in den Vereinigten Staaten ist sie
vorhanden. Die Gruppe um den früheren MI6-Beamten und Gesandten der
Europäischen Union, Alistair Crooke, stellt nun fest, dass ihre lang
anhaltende Sicht der Hamas als einer "nationalen palästinensischen
Bewegung, die ihre Anstrengungen darauf konzentriert, eine
Gemeinschaft zu mobilisieren, sich einer illegalen Besatzung zu
widersetzen" die Mainstream-Meinung im Außenministerium des
britischen Commonwealth beeinflusst. Crooke und Co. sehen Hamas als
eine Organisation, die "fundamentale Fragen der Gerechtigkeit und
der demokratischen Reform" in der palästinensischen Politik
widerspiegelt.
Es gibt Berichte über einen bedeutenden Positionswechsel in der
britischen Politik in Richtung einer „öffentlichen Verlobung“ mit
dem palästinensischen Islamismus. Auch in den USA nutzt eine
wachsende Anzahl alt gedienter Advokaten, die eine ähnliche Position
einnehmen, den Raum, der ihnen durch Berichte über den "arabischen
Frühling" geboten wird, um ihre Ansichten zu verbreiten. Das
Argument, das nun hervorgebracht wird, lautet: Wenn Wahlen die
Antwort sind und die Islamisten die Wahlen gewinnen, müssen wir die
Islamisten als Partner willkommen heißen. Somit beschreibt Mark
Perry von der "Allianz für Sicherheit" in Washington Hamas als eine
von mehreren Bewegungen, die die "historische Wahl" getroffen haben,
"ihre Gesellschaften auf Werten aufzubauen, die uns lieb sind – auf
Gerechtigkeit und Frieden, auf Verantwortlichkeit und Transparenz".
Das Problem eines solchen Gedankengangs ist die Tatsache, dass seine
Vertreter von uns verlangen, die eigentlichen, offen proklamierten
Ziele und Praktiken der Hamas zu ignorieren. Die Hamas ist eine
Bewegung, deren Gründungscharta in ihrem Eröffnungsparagraphen die
folgende Erklärung beinhaltet: "Israel wird aufstehen und wird
bestehen bleiben bis der Islam es eliminiert wie er Israels
Vorgänger eliminiert hat." In Artikel 7 folgt dann die Ermahnung:
"Diese Zeit wird nicht kommen bis Moslems die Juden bekämpfen (und
sie töten) werden; bis die Juden sich hinter Felsen und Bäumen
verstecken, die rufen: Oh Moslem! Ein Jude versteckt sich hinter
mir. Komm und töte ihn!"
Die Charta fährt damit fort, die Gründung eines islamischen Staates
zu unterstützen mit dem Ziel, "das Banner Allahs über jedem
Zentimeter Palästinas zu erheben". Und ihr ultimatives Ziel lautet:
"Der Islam, der Prophet als Vorbild und der Koran als Verfassung".
Die Aktionen der Bewegung, die sie zur Unterstützung ihrer Ziele
ausführt, sind wohl bekannt. Sie beinhalten eine anhaltende
Verpflichtung zu den Praktiken des Terrors, der während der
dunkelsten Tage der letzten fünf Jahre Chaos in Israels Stadtzentren
gebracht hat. Die Liste ist lang und der Respekt vor den Toten
ermahnt uns eindringlich, uns gelegentlich daran zu erinnern: Das
Park-Hotel, Mike's Place, das Dolphinarium, die Restaurants Sbarro
und Moment sind nur einige der Namen, an die wir uns erinnern.
Die Hamas-Bewegung mit ihrer Verpflichtung zur Umsetzung des "Islam
als eine Lebensweise" unterdrückt auch ihr eigenes Volk. Die
Bewegung hat eine lange Geschichte der Gewaltanwendung, um
islamische Normen in Gebieten ihres Einflussbereiches durchzusetzen.
Insbesondere haben ihre Bemühungen um die Unterdrückung der Frauen
ihre Aktivitäten charakterisiert. Der kürzliche Mord an der
20jährigen Yusra Azzami in Gaza durch Mitglieder der Bewegung liegt
auf einer Linie mit den diesbezüglichen Aktivitäten der Gruppe.
Azzami wurde in Begleitung eines jungen Mannes gesehen. Später
stellte sich heraus, dass dies ihr Bräutigam war, was bei einem
Hamassprecher im Gazastreifen eine seltsame und halbherzige
Entschuldigung für den Mord hervorrief.
Auf gewisse Weise erinnert die Atmosphäre, die Crooke, Perry und Co.
darzustellen wünschen, an die frühen Tage der Oslo-Periode. Die
damals erhobenen Zweifel über die Bereitschaft von Yassir Arafat,
einen Friedenskompromiss mit Israel zu schließen, wurden abschätzig
zur Seite geschoben. Denjenigen, die auf anstachelnde Bemerkungen
der PLO-Führung deuteten –wie z. B. Arafats Rede in der Moschee in
Johannesburg im Jahr 1994, während der er die Weiterführung des
Heiligen Krieges unterstützte-, wurde empfohlen, sie sollten eine
größere politische Klugheit entwickeln. Man müsse die Rhetorik von
der Realität trennen, wurde ihnen gesagt. Wir erinnern uns gut
daran, als Rhetorik und Realität schließlich am Ende des
illusionären Prozesses im Herbst 2000 aufeinander trafen.
Es besteht kein Zweifel, dass die Unterstützung des Volkes, deren
sich radikale islamistische Kräfte erfreuen, eine ernsthafte Frage
für Unterstützer der regionalen Demokratisierung aufwirft. Hamas'
Freunde im Westen wünschen, die Verwirrung, die diese Angelegenheit
umgibt, zu umgehen, um der Bewegung einen Platz am Tisch zu sichern.
Doch um des Fortschrittes des israelisch-palästinensischen Themas
Willen und um eine breitere regionale Demokratisierung möglich zu
machen, ist es wichtig, dass diese Verwirrung geklärt und vom Tisch
geräumt wird.
Die Geschichte ist voller Beispiele von Bewegungen, die versuchten,
die Benutzung von Werkzeugen der Demokratie mit der substantiellen
Ablehnung demokratischer Ziele und dem Wunsch, die Demokratie
letzten Endes zu untergraben und zu zerstören, zu verbinden. Die
totalitären Ideologien des 20. Jahrhunderts sind Beispiele dieser
Art. Die andauernde Gesundheit und Existenz von Demokratien
erfordert, dass sie diese Gefahren rechtzeitig erkennen und nicht
den Willen vermissen lassen, gegen sie vorzugehen. Solche
Erfordernisse gelten auch für die Bedrohung durch die Hamas, die
versucht, Israel zu zerstören und die Palästinenser zu versklaven.
Deshalb muss klar gemacht werden, dass die anhaltende
Vormachtstellung dieser Bewegung das Ende der Hoffnung auf einen
Fortschritt in Richtung verbesserter Beziehungen zwischen den beiden
Völkern bedeutet. Die Entwaffnung der Hamas und der Sieg über ihre
Ideen muss das gemeinsame, dringliche Interesse von Israelis,
Palästinensern und dem gesamten Westen sein.
Dr. Jonathan Spyer ist Forschungsstipendiat am globalen
Forschungszentrum für internationale und interdisziplinäre Angelegenheiten
in Herzliya, Israel.
hagalil.com 29-05-2005 |