Wie die Palästinenser ihre Wirtschaft ankurbeln wollen:
Club Med Gaza
Von Thorsten Schmitz
Spätestens im Jahr 2008, wenn Israel also längst den
Gaza-Streifen verlassen und den Zaun im Westjordanland fertiggestellt hat,
will das Land seine Grenzen für palästinensische Arbeiter dicht machen. Für
die Palästinenser bedeutet das, dass sie sich schon jetzt Gedanken machen
müssen, wie sie ihre Wirtschaft ankurbeln wollen. Ideen fliegen gerade nur
so durch die Luft.
Hinter den Kulissen, vor denen die jüdischen Siedler ihre Wut
über die Aufgabe des staubigen Gaza-Streifens ablassen, wird emsig an einem
Zukunftsplan gearbeitet. Besonders engagiert dabei ist Israels
stellvertretender Regierungschef Schimon Peres. Seine Ideen aus den Osloer
Friedensjahren von einem regionalen Wirtschaftsaufschwung, die er in den
neunziger Jahren in dem Buch "Der neue Nahe Osten" veröffentlichte, wärmt er
jetzt wieder auf.
Sein kühnster Vorschlag hat den israelischen Satiresendungen
in den letzten Tagen reichlich Stoff beschert: Peres will die von August an
frei werdenden jüdischen Siedlungen im Süden des Gaza-Streifens in eine
Club-Med-Anlage umfunktionieren. Dann soll auch der Gaza-Airport wieder
seinen Betrieb aufnehmen und Charter-Touristen aus aller Welt in den
Gaza-Streifen karren - der mit 1,3 Millionen Palästinensern auf 365
Quadratkilometern laut UN zu den dichtest besiedelten Flecken der Welt
gehört.
In der israelischen Regierung ist noch immer keine
Entscheidung darüber gefallen, was mit den Reihenhäusern, Swimmingpools,
Hotels und den Gewächshäusern der Siedler geschehen soll (Friedhöfe und
Synagogen sollen abgetragen und nach Israel verfrachtet werden). Einerseits
möchte man vermeiden, dass fanatische Palästinenser die Liegenschaften
zerstören und so die Mär in der Welt verbreiten könnten, sie selbst hätten
die jüdischen Siedler besiegt und vertrieben. Andererseits kostete eine
Zerstörung inklusive des Bauschutt-Abtragens ein Vermögen - wo doch der
Abzug selbst schon mit Hunderten Millionen Dollar den Staatshaushalt in rote
Zahlen treibt.
Für die Gewächshäuser will sich nun die niederländische
Regierung einsetzen. Sie ist bereit, dort Geranien und Gerbera hochzuziehen,
wenn Israel einen ungestörten Export der Blumenfracht nach Europa zulässt.
Dort könnten dann Palästinenser aus dem Gaza-Streifen arbeiten, deren
Durchschnittseinkommen derzeit bei zweieinhalb Dollar am Tag liegt. Bislang
haben die Palästinenser die Häuser der Siedler gebaut oder sind, wenn sie
eine Arbeitsgenehmigung bekommen haben, nach Israel gefahren zu Tagesjobs
auf dem Bau.
Auch nach dem Willen der Palästinenser soll der Gaza-Streifen
künftig nicht mehr in den Schlagzeilen, sondern in Tui- und
Neckermann-Katalogen auftauchen. Der Bürgermeister von Chan Junis nahe der
ägyptischen Grenze, Osama al-Farrah, schwärmt von einer palmengesäumten
Strandpromenade, Eissalons und Caféhäusern, Windsurfschulen und
Liegestühlen. Die Häuser der Siedler aber will Farrah nicht haben, sie seien
für kleine Familien gebaut und nähmen zu viel Platz weg.
Israel solle sie abreißen und die erwarteten eine Million
Kubikmeter Bauschutt auf eigene Kosten (geschätzte 14 Millionen Euro)
wegtragen. Verteidigungsminister Schaul Mofaz ist jedoch dagegen, weil dies
Zeit und Geld koste. Auch weiß die Regierung in Jerusalem nach Angaben
israelischer Medien nicht, wo sie den zum Teil asbestverseuchten Schutt
lagern soll.
hagalil.com 01-05-2005 |