Britische Vereinigung der Universitätsdozenten:
Boykott von zwei israelischen Universitäten
Die britische Vereinigung der Universitätsdozenten (AUT)
hat nach neusten Meldungen ihrer eigenen
Homepage am
22.04.2005 entschieden, zwei israelische Universitäten zu boykottieren,
nämlich die Universität von Haifa und die Bar-Ilan-Universität.
Die Bar-Ilan-Universität wird boykottiert, weil sie gemäß den
Worten von AUT Studienprogramme am College von Judäa und Samaria in der lt.
AUT "illegalen" Westbanksiedlung Ariel beaufsichtigt. Die Universität von
Haifa wird boykottiert, weil sie lt. AUT "die akademische Freiheit von
Mitarbeiten, die kritisch gegenüber der israelischen Regierung eingestellt
sind, einschränkt".
Die Frage, warum AUT, die die angebliche Einschränkung
akademischer Freiheit in Israel kritisiert, selbst diese Freiheit
einschränkt, indem sie bestimmte akademische Mitarbeiter aus Israel
boykottiert, wird auf der Homepage der AUT nicht beantwortet. Viele weitere
Fragen bleiben ebenfalls offen.
Der folgende Ausschnitt aus einem Hintergrundartikel von
Jonathan Spyer mag helfen, etwas Licht ins Dunkel dieser Angelegenheit zu
bringen - einer Angelegenheit, die in einem Europa, das sich "aufgeklärt"
nennt, und in einer Demokratie wie Großbritannien seltsam anmutet und
Besorgnis weckt.
Nicht weniger als eine Politisierung der Angelegenheit
Ausschnitte aus einem Artikel von Jonathan Spyer,
Ha'aretz, 22.04.2005
Übersetzung Daniela Marcus
Die sachliche Basis aller spezifischen Beschwerden, die
als Gründe für den Boykott israelischer Universitäten zitiert werden, wird
bei einer genaueren Untersuchung extrem fadenscheinig. So ist z. B. der
Grund für den Boykott der Universität Bar Ilan derjenige, dass diese
Universität ein Abkommen zur Supervision von Studienprogrammen mit dem
College von Judäa und Samaria in Ariel hat. Allerdings läuft dieses Abkommen
aus rein akademischen Gründen sowieso nur noch bis Ende dieses Jahres.
Eine nähere Betrachtung derjenigen, die den Boykott
vorgeschlagen haben, und ihrer Aussagen hinsichtlich ihrer Absichten, zeigt,
dass ihre Interessen viel weiter als nur bis zum eigenen Tellerrand gehen.
Das falsche Spiel, das sie hinsichtlich bestehender Fakten spielen, ist
somit nicht überraschend. Die Leute hinter der Boykottkampagne, von der die
AUT-Initiative nur ein Teil ist, sehen in ihr den Beginn einer
internationalen Kampagne zur Delegitimation des Staates Israel.
Die Hauptinitiatorin hinter dem Boykott ist eine bekannte
anti-israelische Aktivistin namens Sue Blackwell, die an der Universität von
Birmingham englische Literatur lehrt. Bis zum Jahr 2002 war Blackwell 19
Jahre lang ein aktives Mitglied der britischen Sozialistischen
Arbeiterpartei. Diese Partei, die den Lehren Trotzkis zugeneigt ist, ist
bekannt für ihre feindselige Opposition gegen den Staat Israel. Gegenwärtig
ist sie in einer Wahlallianz mit der Moslem-Vereinigung von Großbritannien,
einer islamistischen Gruppe, die offen die Hamas unterstützt.
Als Blackwell im Jahr 2003 zum ersten Mal versuchte, ihre
berufliche Organisation davon zu überzeugen, einen Boykott israelischer
akademischer Institutionen zu unterstützen, erlitt sie eine herbe
Niederlage. Dieses Mal jedoch ist der Boykott direkt mit einer
palästinensischen Initiative verbunden, nämlich der palästinensischen
Kampagne für den akademischen und kulturellen Boykott Israels, der von der
Universität Bir Zeit im Juli 2004 gestartet wurde. (Anmerkung des
Übersetzers: Die Universität Bir Zeit liegt im Westjordanland bei Ramallah.
Unter jordanischer Annexion des Gebietes war sie nur ein College.
Palästinenser, die studieren wollten, mussten z. B. nach Kairo oder Beirut.
Erst unter israelischer Besatzung wurde es den Palästinensern im Jahr 1973
durch die israelische Regierung möglich gemacht, das College zur Universität
auszubauen und somit ihre eigene Universität vor Ort zu haben.) Diese
Kampagne wird von zwei weniger bekannten Akademikern geleitet: von der
Professorin Lisa Taraki, die in Ramallah lebt und an der Universität Bir
Zeit lehrt, und von Omar Barghouti, einem arabisch-israelischen
Doktoranwärter der Universität Tel Aviv.
Der Wortlaut des Gründungspapiers der Kampagne beinhaltet
eine Menge Forderungen, u. a. diejenige, dass Israel "die unveräußerlichen
Rechte der Flüchtlinge akzeptiert". Dies ist eine mehr oder weniger
verschlüsselte Art die Forderung zu äußern, dass den 3.9 Millionen
palästinensischen Arabern, von denen die meisten niemals in Israel waren,
erlaubt wird, zukünftig in Israel zu wohnen.
Außerdem muss Israel lt. diesem Papier solange boykottiert
werden, bis es "das fest verankerte System rassistischer Diskriminierung und
Trennung der palästinensischen Bürger Israels, das dem ausgedienten
Apartheid-System in Südafrika ähnelt", aufhebt. Dies bedeutet, dass
Blackwell, Taraki und Barghouti auch einen internationalen Boykott erreichen
wollen, der in die Politik und Identität eines funktionierenden
demokratischen Staates eingreift. Eine solche Sache ist ziemlich einmalig
hinsichtlich internationaler Angelegenheiten. Man sollte in diesem
Zusammenhang sagen, dass es der Mehrheit der Südafrikaner auf Grund des
Apartheid-Systems nicht erlaubt war zu wählen. Israel ist jedoch in der Tat
das einzige Land im Nahen und Mittleren Osten (mit der möglichen Ausnahme
des zukünftigen Iraks), das seinen arabischen Bürgern dieses zivile
Grundrecht bietet.
Man wird jedoch umsonst darauf warten, bei anderen
AUT-Konferenzen wütende Worte zu hören, die Menschenrechtsverletzungen in
den restlichen Ländern des Nahen und Mittleren Ostens verurteilen und sogar
einen Boykott dieser Länder fordern. Es ist kein Zeichen in Sicht, dass AUT
z. B. die öffentliche Hinrichtung von Minderjährigen im Iran –wie im August
2004 das Hängen der 16jährigen Ateqeh Rajabi auf Grund von "Taten, die nicht
mit sexueller Reinheit vereinbar sind"- verurteilt. Es gibt keinen Aufruf,
das Regime im Sudan zu boykottieren, das etwa 300.000 seiner eigenen Bürger
ermordet hat. Es gibt keine Stimmen gegen die von der palästinensischen
Autonomiebehörde geplanten Hinrichtungen von Personen, die sich des
Kapitalverbrechens der Kollaboration mit Israel schuldig gemacht haben.
Gegen all diese Dinge wird aus dem Grund nicht vorgegangen,
weil die Wurzel der Boykottkampagne nicht in den Menschenrechten oder ihrer
Missachtung liegt, sondern in der Politik.
Der israelisch-palästinensische Konflikt wurde von der
internationalen Gemeinschaft immer als Zusammenstoß zweier eigenständiger
nationaler Einheiten, die beide ihre eigene Souveränität verdienen,
betrachtet – der israelisch-jüdischen und der palästinensisch-arabischen
Einheit. Zwischen diesen beiden muss ein fairer Kompromiss geschaffen
werden, der durch Dialog und Verhandlung erreicht werden soll.
Doch die Organisatoren der Boykottkampagne versuchen durch
die Darstellung Israels als eines Apartheidsystems eine unterschiedliche
Version des Konfliktes zu vermarkten. Es ist eine Version, die israelische
Juden als Mitglieder einer unechten, illegitimen Schöpfung skizziert. Die
Argumentation geht dahin, dass dieses wurzellose, künstliche Kollektiv kein
generelles Recht habe, einen Staat im internationalen System zu unterhalten.
Sie hoffen, die Welt werde die dieser Argumentation logische
Schlussfolgerung ziehen, man müsse zu der alten arabisch-nationalistischen
Forderung nach Politisierung zurückkehren, was ein Ende der "unverdienten"
jüdischen Souveränität bedeuten würde. Um dies zu erreichen, ist man nicht
an einer Konfliktlösung interessiert sondern daran, die illegitime Einheit
zu jagen, zu isolieren und zu konfrontieren bis sie ihrer eigenen Auflösung
zustimmt.
Bezüglich Israels sprechen sich deshalb die Organisatoren der
Boykottkampagne und ihre vielen Freunde in europäischen und amerikanischen
radikalen Kreisen auf der Basis eines aus der Luft gegriffenen Vergleichs
für einen nur leicht versteckten politischen Nationalismus aus. Da sie fähig
sind, Einfluss auszuüben, führt dies weg von der Hoffnung auf Stabilität,
Kompromiss und Koexistenz. Jegliche Hoffnung auf eine lebensfähige
Zwei-Staaten-Lösung wird zerstört. Das Ergebnis wird sein, dass beide Völker
auch in Zukunft zu einem Kampf ohne Ende verurteilt sind. Im Moment stehen
die Initiatoren dieser Kampagne noch am Rande mit ihren Forderungen. Es ist
unbedingt erforderlich, dass sie auch dort bleiben.
Der Autor ist Forschungsstipendiat am globalen
Forschungszentrum für Internationale und interdisziplinäre Angelegenheiten
in Herzliya, Israel.
hagalil.com 10-04-2005 |