Hans Coppi, Vorsitzender der VVN-BdA Berlin
"antifa" - Magazin für
antifaschistische Politik und Kultur
Lange Zeit sah es so aus, als ob regierungsoffiziell zum 60. Jahrestag
der Befreiung vom Hitlerfaschismus lediglich an die Kapitulation und das
Kriegsende erinnert werden sollte. Die Befreiung schien medial bereits mit
der Landung der Alliierten am 6. Juni 1944 in der Normandie über die
Deutschen gekommen zu sein. Die innere Befreiung hatten, wenn auch
vergeblich, die Verschwörer des 20. Juli versucht.
Richard von Weizsäckers Rede, in der er vor 20 Jahren den 8. Mai 1945 zum
ersten Mal in dieser Deutlichkeit als Tag der Befreiung in der
Bundesrepublik bezeichnet hatte, schien vergessen, wie ein überfälliges
Relikt aus der Entspannungszeit. Der in der DDR begangene Tag der Befreiung
war mit der Wende abgeschafft worden. Statt an die Opfer des Faschismus
wurde nunmehr vielerorts an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft
erinnert.
In dem erinnerungspolitischen Diskurs der letzten Monate geriet der 8.
Mai 2005 zunehmend zu einem Volkstrauertag für die deutschen Kriegsopfer. In
geistiger Nähe zur Argumentation der NPD stilisierten auch Politiker aus der
Mitte der Gesellschaft die Deutschen zu den eigentlichen Opfern des Krieges.
Die Bombenangriffe wurden nicht nur von Jörg Friedrich als sinnlos
hingestellt, obwohl noch an allen Fronten erbittert gekämpft wurde.
Auch bei der von der Nazi-Führung zu verantwortenden Flucht von Millionen
Zivilisten wird zumeist ausgeblendet, dass es die Deutschen waren, die den
Krieg begonnen hatten. Ursache und Wirkung verkehren sich. Eine Versöhnung
aller Opfer wird beschworen. Die Täter geraten in dieser Selbstinszenierung
selbst zu Opfern. Im Dickicht der Aufrechnung entlädt sich das Bedürfnis
nach Entlastung, Schuldumkehr und Wiederherstellung einer zweifelhaften
nationalen Ehre.
Als der Krieg auf die Deutschen zurückschlug, wurden sie in großer Zahl
selbst Opfer einer verbrecherischen Politik, die sie überwiegend
mitgetragen, geduldet und zu verantworten hatten. Für das Leid der deutschen
Bevölkerung und den Tod von Hunderttausenden Menschen noch in der Endphase
des Krieges sind die Nazi-Führung, die Generalität und die vielen, allzu
vielen willfährigen Helfer verantwortlich. Statt die Waffen niederzulegen
und bedingungslos zu kapitulieren, setzten sie den verbrecherischen Krieg
bis zum bitteren Ende fort. SS- und Wehrmachtsangehörige erschossen bis in
die letzten Kriegswochen Tausende von Häftlingen aus Konzentrationslagern
und Zuchthäusern, Soldaten und Offiziere, die sich weigerten,
weiterzukämpfen, Zivilisten, die mit weißen Fahnen ein Friedenszeichen
setzen wollten und viele andere. Gerade auch sie dürfen nicht vergessen
werden.
Die Rote Armee und ihre Verbündeten haben die Häftlinge in den KZ und
Zuchthäusern, haben Europa und die Welt vom Faschismus und nicht zuletzt
auch die Deutschen selbst von einem beispiellosen Terrorregime befreit.
Dafür gelten ihnen unser Dank und unser Respekt. Und dies ist uns heute
Verpflichtung und Mahnung, für eine Welt ohne Krieg und Faschismus zu
kämpfen.
Bei den zahlreichen Diskussionen der letzten Wochen wird immer
deutlicher: Der 8. Mai ist und bleibt in Deutschland und Europa der Tag der
Befreiung und des Sieges über den Hitlerfaschismus.
Mitglieder der Berliner VVN und viele Berlinerinnen und Berliner werden
am 8. Mai am sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow und anderen Orten der
über 100.000 sowjetischen Soldaten und Offiziere ehrend gedenken, die bei
der Befreiung Berlins vor 60 Jahren ihr Leben gaben.
Am 8. Mai 2005 um 10:00 Uhr sprechen auf der Kundgebung am
sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow Wladimir Kotenew, Botschafter der
Russischen Föderation in Deutschland; Moritz Mebel, ehemaliger Angehöriger
der Roten Armee, VVN-BdA, DRAFD und Walter Momper, Präsident des Berliner
Abgeordnetenhauses.