Die Masche der "Jungen Freiheit":
Rolf Hochhuth wurde aufs Glatteis geführt
Von Max Brym
Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, ist
zu einem Gespräch mit dem Schriftsteller Rolf Hochhuth bereit, nachdem sich
dieser für seine Verteidigung des Holocaust Leugners Irving entschuldigte.
Vor zwei Wochen gab Rolf Hochhuth der rechtsradikalen Wochenzeitung "Junge
Freiheit" ein Interview, in dem er sagte, es sei idiotisch, Irving als
Holocaustleugner zu bezeichnen. Im selben Gespräch äußerte sich Hochhuth
aber auch unmissverständlich zur Schoah und erklärte: "Ich habe selbst
erlebt, wie die Juden meiner Heimatstadt deportiert worden sind. Das war
doch der Hitler nicht alleine. Dresden wäre ohne das, was in Auschwitz
geschehen ist, nicht möglich gewesen. Der Mörder ist der Mann des ersten
Schusses und dieser Mann war Hitler."
Hochhuth hat mit dem aktuellen "Historiker" David Irving
nichts gemein. Er kannte nur die Jugendschriften Irvings und fiel auf die
Masche der "Jungen Freiheit" herein. Gegenüber der ARD erklärte Hochhuth:
"Dieser Satz (bezogen auf Irving) ist idiotisch von mir. Das ist nicht zu
verantworten gewesen, dass ich das gesagt habe. Ich muss mich für diesen
Satz schämen". Paul Spiegel sagte daraufhin, er sei nun doch zu einem
Gespräch mit Hochhuth bereit. Dieser Schritt ist zu begrüßen, denn mit
Hochhuth hätte man auf den Verkehrten geschlagen und wäre in die Falle der
"Jungen Freiheit" gegangen.
Rolf Hochhut ist kein Holocaustleugner
Dass der Dramatiker und Schriftsteller Rolf Hochhuth dem
deutschnationalem Blatt "Junge Freiheit" ein Interview gegeben hat, ist
kritisierbar. Aber auch andere, wie etwa Peter Glotz oder der ehemalige
sozialdemokratische Arbeitsminister in NRW, Friedhelm Farthmann, lassen sich
von der "Jungen Freiheit" befragen. Die Herren Glotz und Farthmann benützen
diese Plattform, um der Linken "ein gestörtes Verhältnis zur Vertreibung der
Deutschen" (Peter Glotz) zu attestieren oder gegen "Homoehen" zu poltern,
wie es Farthmann in der jüngsten Ausgabe des Blattes tat.
Darüber regt sich aber schon niemand mehr auf, denn Herr
Glotz liegt vollständig im Trend deutscher Geschichtsentsorgung, wenn er
mehr über das "Leid, das Deutschen zugefügt worden ist" sprechen will. Herrn
Farthmann ist die "Ausländerpolitik" der Bundesregierung "zu liberal" und
nebenbei outet er sich in dem Gespräch zumindest als Sympathisant des
"christlichen Fundamentalismus". Die genannten Herren bewegen sich auf einem
Terrain, das beinahe komplett der redaktionellen Linie der "Jungen Freiheit"
entgegenkommt. Daneben gehört es zum Stil der "Jungen Freiheit",
unverdächtige Zeitgenossen mit Fragen zu bombardieren, die diese dann nicht
ganz exakt oder interpretierbar beantworten.
Der Schriftsteller Rolf Hochhuth ging mit einigen unklaren
Aussagen der "Jungen Freiheit" genau auf diesen Leim. Kommentatoren und
Feuilletonisten brandmarkten ihn darauf und beförderten ihn in eine Ecke, in
die er nicht gehört. Gerade weil es in diesem Land Antisemitismus en masse
gibt, ist es extrem dumm und gefährlich, alles sofort für antisemitisch und
geschichtsrevisionistisch zu erklären, was einem im ersten Moment nicht
völlig klar erscheint. Denn wenn fast alles antisemitisch ist, dann ist
letztendlich der tatsächliche Antisemitismus als Problem nicht mehr
wahrnehmbar.
Es besteht die reale Gefahr, mittels einer inflationären
Handhabung des Antisemitismusvorwurfes, den realen Antisemitismus zu
verharmlosen. Herr Hochhuth ist weder Antisemit noch Holocaust-Leugner, auch
wenn viele das nach dem Interview in der "Jungen Freiheit" behaupten. Es ist
ein Gebot des Anstandes, Herrn Hochhuth gegen ungerechtfertigte Anfeindungen
in Schutz zu nehmen. Deshalb wird hier kurz auf die Haltlosigkeit der
Vorwürfe eingegangen.
Hochhuth und David Irving
Der britische Historiker David Irving ist in Deutschland und
in England rechtskräftig wegen der Leugnung des Holocaust verurteilt. Rolf
Hochhuth brachte in dem Gespräch mit der "Jungen Freiheit" seine
"Wertschätzung gegenüber dem Historiker David Irving" zum Ausdruck. Im
ersten Moment scheint die Sache klar zu liegen, Hochhuth belobigt den
braunen "Geschichtsapostel" Irving. Um die Intuition von Hochhuth und um die
Fakten geht es nicht mehr, Hochhuth kann gegenüber der Presse erklären was
er will, er hat seinen Stempel abbekommen.
In Wahrheit bezog sich Hochhuth auf den jungen Historiker
Irving, auf sein Buch über den "Untergang Dresdens" sowie dessen "Göring-
Biographie". In diesen Büchern ist der junge Irving "eine völlig seriöse
Figur", so Hochhuth in einer Pressmitteilung. Diese Wertung ist zulässig,
denn in dem Buch von Eva Menasse über den Londoner Irving Prozess sind keine
der Bücher genannt, die Hochhuth als seriös bezeichnet. Hochhuth geht davon
aus, dass "Irving erst später durchgedreht ist", weshalb sich Hochhuth denn
auch vom "reifen Irving" in seiner Presseereklärung schärfstens distanziert.
Hochhuth, der als erster Autor mit seinem Stück "Der
Stellvertreter" Auschwitz auf bundesdeutsche Bühnen brachte, kann man solch
eine Erklärung durchaus glauben. Auch an anderer Stelle, u.a. in etlichen
Gedichten, betont er, dass der singuläre Völkermord an den europäischen
Juden durch das nazistische Deutschland nicht vergessen werden darf.
In der Pressemitteilung von Herrn Hochhuth wird eine Geschichte erwähnt, die
sich vor 25 Jahren, bei Hochhuths letztem Treffen mit Irving, zutrug. Im
französischen Colmar forderte ein Wirt die Herren Irving und Hochhuth auf,
das Lokal zu verlassen, nachdem Hochhuth Irving laut angeschrien hatte:
"Irving wollte mir erklären, Himmler habe ohne Wissen Hitlers den Holocaust
angeordnet". In der Pressemitteilung Hochhuths steht: "Bereits damals
deutete sich eine rapide Veränderung bei Irving an".
Während sich Irving veränderte, vom relativ seriösem Historiker zum
"Vorzeigepferd" der braunen Geschichtsrevisionisten, ist sich Rolf Hochhuth
treu geblieben. Im Interview in der "Jungen Freiheit" erklärte er: "Es ist
eine Schande, dass wir es noch immer nicht anerkennen: Die Weltgeschichte
kennt kein mit unserem Holocaust vergleichbares Verbrechen". So spricht kein
Holocaustleugner.
Vielleicht hat die ganze künstliche Aufregung um Hochhuth etwas mit den
"linken Neigungen" des Dramatikers Hochhuth zu tun. Rolf Hochhuth prangerte
in einem seiner letzten Stücke den "Kapitalismus" in Deutschland an. So
etwas hatte die bundesdeutsche Elite von einem Martin Walser nie zu
befürchten. Walser schrieb mit dem "Tod eines Kritikers" ein ganzes Buch,
voll mit tatsächlichen antisemitischen Klischees und antisemitischen
Hasstiraden. Zuvor attackierte er in seiner berüchtigten Paulskirchenrede
1998 die "Moralkeule Auschwitz". Dennoch oder gerade deswegen applaudierte
die gesamte bundesdeutsche Elite dem "Literaten vom Bodensee" und es
brauchte einige Beharrlichkeit, sie von dieser Begeisterung abzubringen. Dem
linken Demokraten Hochhuth wurde das Etikett "Holocaustleugner" allzu
schnell und reflexartig angeheftet.
hagalil.com 07-03-2005 |