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Zum Gipfel in Scharm A Scheich:
Waffenstillstand verkündet
Von Ulrich W. Sahm
"Eine Autorität und ein Gewehr." Das war der Schlüsselsatz
in der Rede des palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas bei dem
Gipfeltreffen im ägyptischen Scharm A Scheich. Zwei Tage zuvor hatte die
amerikanische Außenministerin Condoleezza Rice in Ramallah diesen Satz
öffentlich ausgesprochen und Abbas in die Feder diktiert. So versprach
Abbas, die unkontrollierten Milizen und bewaffneten Banden unter Kontrolle
zu bringen und das Machtmonopol der Autonomiebehörde wieder herzustellen.
Israels Ministerpräsident Ariel Scharon griff das gleiche Motiv auf. Doch
Scharon forderte, den "Terror in die Knie zu zwingen und die Infrastruktur
des Terrors zu zerstören". Hierin unterscheiden sich beide Politiker. Denn
Scharon will ein gewaltsames Ende des Terrors, während Abbas glaubt, die
Extremisten durch gutes Zureden von der Gewalt abbringen zu können. Nicht
nur in dieser Frage galt der Ratschlag des Gastgebers, Präsident Hosni
Mubarak von Ägypten, das gegenseitige Vertrauen zu stärken.
Im Mittelpunkt der Rede von Abbas stand die Versicherung, dass "ab heute"
der Waffenstillstand für "alle Israelis an jedem Ort" gelte. Auch die
Siedler in den besetzten Gebieten sind also kein "legitimes Ziel des
palästinensischen Widerstandes" mehr.
Präsident Mubarak hatte die feierlichen Reden am großen runden Tisch
eröffnet. Er sprach vom bisherigen Blutvergießen und dem Traum der Völker,
in Frieden, Sicherheit und mit Unabhängigkeit leben zu können. Immer wieder
erwähnte er die "gerechten internationalen Regeln" und die Verträge, auf
denen der künftige Frieden mit zwei Staaten, Israel und Palästina, aufgebaut
werden müsse. Mubarak erwähnte auch die Notwendigkeit eines "umfassenden"
Friedens für den Nahen Osten, womit er Syrien und Libanon meinte. Im
Gegensatz zu Ägypten und Jordanien haben diese beiden Länder noch nicht zu
einer Einigung mit Israel gefunden.
Wohl auch um ein Störmanöver der Syrer vor und während des Gipfels zu
verhindern, gab es intensive Gespräche mit Syriens Präsident Baschar el
Assad. 1996, als ebenfalls in Scharm A Scheich eine internationale
Friedenskonferenz einberufen wurde, damals um die Osloer Verträge nach
schweren Terroranschlägen in Tel Aviv und Jerusalem zu retten, hatte die
Hisbollah auf Befehl der Syrer Katjuscha-Raketen auf den Norden Israels
abgeschossen. Mehrere Israelis wurden getötet. Das war für Israels
Regierungschef Schimon Peres eine derart schlimme "Kriegserklärung", dass er
wenig später die "Operation Früchte des Zorns" im Libanon startete.
Scharon erwähnte "wichtige Abmachungen" mit den Palästinensern. Sie könnten
den Weg zu einer Kooperation in Richtung Frieden bahnen. Entsprechend der
palästinensischen Absicht, alle Gewalttaten gegen Israelis an jedem Ort zu
beenden, versprach Scharon, die militärischen Aktivitäten Israels zu
stoppen. Scharon erwähnte eine geplante Freilassung hunderter Gefangener,
ohne jedoch eine genaue Zahl zu nennen, den Abbau von Straßensperren und
andere "Erleichterungen". Scharon warnte die Palästinenser davor, jetzt
schon zum Endstadium vorzupreschen. Erst müssten alle Steine und Hindernisse
auf dem Weg zu der Errichtung eines palästinensischen Staates beiseite
geräumt werden, ehe über endgültige Regelung und Grenzen gesprochen werden
könne.
Ausführlich beschrieb Scharon seinen in der arabischen Welt falsch
verstandenen Plan einer "einseitigen Abkopplung" Israels von den
Palästinensern. Dieser Plan der Abtrennung, in dessen Rahmen sich Israel aus
dem Gazastreifen und dem Norden des Westjordanlandes zurückziehen will,
könne nun, angesichts der neuen Stimmung im Nahen Osten auch im Einvernehmen
mit den Palästinenser durchgesetzt werden. Dieser Plan ist aus der Sicht
Scharons ein Schritt "in Richtung Roadmap".
Scharon wandte sich direkt an die Palästinenser, die Israelis und die
arabischen Völker. Er forderte alle auf, diese Chance zu nutzen. Das Ziel
aller Völker der Region sei es doch in Frieden, Sicherheit und Wohlstand
leben zu können. Gemeinschaftlich sollten sie gegen die finsteren Kräfte der
Vergangenheit vorgehen. Scharon erwähnte einen palästinensischen Staat neben
Israel, äußerte sich aber nicht zum Verlauf der künftigen Grenzen. Der
Palästinenserpräsident hingegen stellte konkret die bekannten Forderungen in
den Raum, eine "Rückkehr zu den Grenzen von 1967" und Ansprüche auf
Jerusalem. Gleichwohl sagte Abbas, dass diese Ziele nur durch Verhandlungen
erreicht werden dürften. "An die Stelle der Sprache der Gewehre ist die
Sprache des Dialogs getreten."
Der jordanische König saß schweigend mit am Tisch. Mubarak hatte auch in
dessen Namen gesprochen. Gleichwohl wandten sich der Israeli und der
Palästinenser persönlich an den König und gratuliertem ihm und seiner Frau
Rania zum neugeborenen Sohn.
Hinter den Kulissen gab es bei dem Gipfel weitere Erfolge. Scharon sprach
Mubarak eine Einladung nach Jerusalem aus, ohne mehr einen Korb erhalten.
Jordanien wie Ägypten sind bereit, ihre bilateralen Beziehungen mit Israel
aufzuwärmen. Drei Jahre nach dem Abzug ihrer Botschafter aus Tel Aviv soll
schon bald der in Berlin amtierende ägyptische Botschafter nach Israel
umziehen, während König Abdullah den jordanischen Botschafter in der Türkei
zum Botschafter in Tel Aviv ernannte.
Politisch bedeutsam war die Zusammensetzung der Delegationen. Scharon hatte
nur Technokraten, darunter seinen Berater Dov Weißglas, mitgebracht, aber
keinen Politiker, nicht einmal seinen Vizepremier Schimon Peres. Abbas
hingegen brachte die ganze Riege der "nächsten Generation mit: die beiden
"starken Männer" Muhammad Dahlan und Dschibril Radschoub. Ebenso war der
Neffe Jassir Arafats dabei, der ehemalige UNO-Botschafter Nassar el Kidwa.
hagalil.com
09-02-2005 |
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