Von Max Brym
Die Moshammer Festspiel- und Trauerwochen gehen auch in München ihrem
Ende entgegen. Der tragische Tod von Rudolph Moshammer erschütterte viele
Gemüter in München. Nach dem Bekanntwerden seines Todes glich die
Maximilianstraße einer Mischung aus Altötting und Event. Trauerkerzen und
Blumengebinde waren massenhaft vor dem Geschäft des exzentrischen
"Modezaren" zu sehen. Es gab viele Menschen, die ernsthaft den Tod von
"Mosi" betrauerten, aber auch genügend Schaulustige, die ein letztes Mal den
Moshammer Kult genießen wollten.
Die Beerdigung Moshammers am 22. Januar, der Trauerzug durch die
Maximilianstraße brachte Tausende auf die Straße. Der feudale Abschied von
Moshammer und die Zeremonie in der Hofkirche waren ganz im seinem Sinne
inszeniert. Aber offensichtlich traf der Tod des Selbstdarstellers nicht den
Nerv seiner Bekannten aus der Bourgeoisie und der Schickimicki Szene. Für
Ottfried Fischer (Der Bulle von Tölz) stand fest: "Die Münchner Schickeria
hat Mosi verraten". In der Tat, an den Beerdigungsfeierlichkeiten nahm weder
eine Fürstin Gloria von Thurn und Taxis, noch Franz Beckenbauer oder Thomas
Gottschalk teil. Auch die politische Prominenz blieb der Beerdigung fern.
Oberbürgermeister Ude schickte seine Stellvertreterin, Altbundespräsident
Walter Scheel sagte ab und der CSU Finanzminister Kurt Faltelhauser meldete
Bedenken gegen die Feier in der "Allerheiligen Hofkirche" an.
Viele, die sich gern mit Moshammer zeigten, versetzten ihm nach seinem
Tod eine saftige Ohrfeige. Der Promiauftrieb hielt sich in argen Grenzen. Es
erschienen angeschlagene Figuren wie Roberto Blanco, Ex-Löwen Präsident Karl
Heinz Wildmoser, dazu der Sänger Patrick Lindner, der sich offen zu seiner
Homosexualität bekennt. Die Promiszene aus Film und Show hatte an diesem Tag
ein anderes Highlight, das Hahnenkamprennen in Kitzbühl. Einige von diesem
Menschenschlag rieten dem Anwalt Moshammers: "Du kannst doch den Termin
verschieben, der Samstag ist wegen Kitzbühl echt ungünstig". So verhalten
sich keine Freunde, sondern egozentrische Stars und Kleinbürger. Der Typus,
den Moshammer mit Klamotten bediente, stellte seine negativen
Charakterseiten offen zur Schau. Nur viele einfache Menschen und normale
Kleinbürger hielten ihm die Treue. Der Kult um Moshammer, von der Medienwelt
inszeniert, hält sich bei Teilen des 'gemeinen' Volkes.
Der Mosi Kult
Der Kult um Rudolph Moshammer erreichte mit seinem Tod einen letzten
Höhepunkt. Breit wurde seine Lebensgeschichte heruntergeleiert. Er gab den
modernen "Märchenprinzen", der es von unten her schaffte, reich zu werden
und seine Macken auszuleben. Zudem wird Moshammer dafür gerühmt, sich ein
Herz für die Obdachlosen bewahrt zu haben. In der Tat, Moshammer war nicht
intelligent, dafür aber mit einer guten Portion Frechheit und
Bauernschlauheit ausgestattet. In den letzten Lebensjahrzehnten war
Moshammer ein selbst inszeniertes "Neuschwanstein", ein "Modemärchenprinz".
Moshammer warb mit seiner Daisy für viele Produkte, wagte sich auf die Bühne
mit dem Song-"Mos-hamma" und er fehlte mit seiner Aufmachung bei keinem
Promiauftrieb. Sein Modeladen war allerdings schon länger Mega-Out, er
führte die letzen Jahre "billige Krawatten" (zwischen 30 und 50 Euro) für
das gemeine Volk.
Sein Geschäft war ein festes Ziel von Reisegruppen. Der Schnappschuss für
das Familienalbum war gefragt. Moshammer imponierte vielen Möchtegerns wegen
seiner "Prunksucht" und der barocken Selbstinszenierung. Er lebte in der Tat
einen ziemlich mutigen Kleinbürger, der sich am Gerede der Leute berauscht
und bereichert. Dieser geistlose Mut in einer geistlosen Stadt war
imponierend. Moshammer ähnelte in vielem dem neureichen Bürger aus dem
vorletzten Jahrhundert. Alte Karikaturen und Bilder porträtieren die junge
Bourgeoisie zutreffend mit Frack, Zigarre und fettem Bauch. Tatsächlich war
der durchschnittliche Kapitalist des neunzehnten Jahrhunderts in Kleidung
und Körperfülle sofort erkennbar. Sichtlich nahm sich die junge Bourgeoisie
den untergegangenen mondänen Adel zum Vorbild und achtete nicht auf
Kalorien. Zwischenzeitlich ist die Bourgeoisie vernünftig geworden, es wird
in diesen Kreisen auf Kalorienmengen geachtet und Sport getrieben.
Moshammer spielte nochmals die Rolle des Neureichen aus dem vorletzten
Jahrhundert. Es war beeindruckend wie "Mosi" sich selbst und die Leute zum
Narren hielt. Er schrieb Bücher unter dem Titel "Mama und ich" mit
aussagekräftigen Überschriften wie, "Warum Mama blaue Haare trug". Oder ein
Buch, in dem er die Hundedame Daisy ihre "Bekenntnisse" niederschreiben
ließ. Mit solchen Titeln hatte Moshammer Erfolg, nachdem seine
"Garderobenkunst" zunehmend weniger gefragt war. Sein Auftreten drehte sich
um ihn selbst, um seine Neigungen und Bedürfnisse. Diese Sucht nach dem
"Wahren, Guten und Schönen" unterschied Moshammer positiv von der Spezis
unter den Kleinbürgern, die sich unter diesen Dingen nur kraftstrotzende
deutsche Krieger vorstellen können.
Moshammer berauschte sich an der eigenen Person, seinem Haupthaar, seinen
Klamotten und seinen Automobilen. Er gab den Clown und machte mit edlen
Leuten Geschäfte. Er hatte nicht den Wahn heruntergekommener Adliger, die
stets die angeblichen Vorzüge ihres blauen Blutes betonen müssen. Auch litt
er nicht an der Krankheit vieler Kleinbürger, die die angeblichen Vorzüge
ihrer "Nationalität" hervorheben. Moshammer wollte nach oben und er hat es
aus seiner Sicht glänzend hingekriegt. Ab einer gewissen Stufe schrieben die
Gazetten mehr über den Modemacher, als über seine Kunden. In der
gelangweilten Stadt München etablierte sich Moshammer fast wie ein realer
Monarch. Obwohl jeder wußte dass Moshammer homosexuell war, hat das die
wenigsten gestört. Amtlich darf ein "Vergehen" in dieser Hinsicht in München
nicht sein. Auch in Bayern wird der homosexuelle Bürger toleriert, solange
diese "Sauerei" nicht offiziell ist. Wenn einer CSU-Mitglied ist, sind
bestimmte Einträge in das Strafregister vielleicht eher karrierefördernd.
Allerdings hört sich in Bayern die Gemütlichkeit bei offener Homosexualität
(auch in Bayern kein Straftatbestand) immer noch auf. Deshalb setzte sich
die politische Prominenz in Bayern von dem toten Moshammer ab.
Was bleibt von Moshammer
Die politische Kaste benützte den Tod von Rudolph Moshammer sofort, um
einen Schritt weiter in den absoluten Überwachungsstaat zu gehen. Nicht nur
das Nordlicht Angelika Merkel fordert den DNA-Test für alle. Der Mörder
Moshammers ist ein irakischer Kurde. Das Magazin Focus trommelte umgehend
gegen "ausländische Stricher kurdisch arabischer Herkunft" sowie gegen die
"Strichergefahr aus Osteuropa". Das tragische Ende Moshammers wird in
gemeinen Rassismus umgemünzt. Das hat Rudolph Moshammer nicht verdient, er
mag gewesen sein, wer er will, aber ein Rassist war Moshammer nicht.
Etwas eleganter versucht die Stadt München sich der Person Moshammer zu
entledigen. Ziemlich deutlich wurde der Wunsch nach einer Rudolph Moshammer
Straße zurückgewiesen. Neben einer formalen Begründung warum das vorläufig
nicht zur Debatte, steht wurde offen die Frage gestellt: "Was Moshammer denn
für München geleistet hat". Diese Frage ist berechtigt, aber bestimmte
Fragesteller aus Politik und schwarzbraunem Bildungsbürgertum haben kein
Recht eine solche Frage aufzuwerfen. Keiner der Moshammer Kritiker brachte
diese Kritik vor als Moshammer noch lebte. All die "Hochgestellten", die
jetzt den Kult um Moshammer verdammen oder belächeln, waren jahrelang der
Meinung, er sei ein liebenswertes bayerisches Unikum.
Der Tod von Rudolph Moshammer sollte genutzt werden, um eine Debatte über
Homophobie zu führen. Die Tatsache, dass Moshammer, wie die Boulevardpresse
nicht müde wird zu betonen, ein Herz für die Obdachlosen hatte, sollte zum
Nachdenken Anlass geben. Was ist das überhaupt für eine Gesellschaft, die
Obdachlosigkeit hinnimmt und einen Rudolph Moshammer dafür lobt, weil er an
Obdachlose spendete?