Rolf Hochhuth:
Lob für einen notorischen Holocaustleugner
Von Karl Pfeifer
Die Konkurrenz am Buchmarkt ist hart. Um von den Medien wahrgenommen zu
werden und am Markt zu bestehen, glaubt Rolf Hochhuth offensichtlich ein
paar Monate vor Herausgabe seines neuen Buches ausgerechnet der Berliner
Wochenzeitung "Junge Freiheit" (1) ein Interview geben zu müssen, in dem er
höchste Worte des Lobs für den britischen Holocaustleugner David Irving
findet:
"Irving ist ein fabelhafter Pionier der Zeitgeschichte, der großartige
Bücher geschrieben hat. Ganz zweifellos ein Historiker von der Größe eines
Joachim Fest. Der Vorwurf, er sei ein Holocaustleugner, ist einfach
idiotisch!"
Nun liegt seit 2001 ein Buch vor, in dem aus dem Urteil von Richter Charles
Gray lange zitiert wird, "Irving verfuhr mit den historischen Belegen in
einer Art und Weise, die keineswegs den Ansprüchen genügte, die ein
gewissenhafter Historiker erfüllen muss. [Er] hat die Quellenbelege, die ihm
zugänglich waren, falsch wiedergegeben und inhaltlich verbogen." Es sei
außerdem "unbestreitbar", dass Irving "die Attribute eines
Holocaust-Leugners aufweist". Seine Leugnung der Gaskammern und des
systematischen und zentral gelenkten Charakters der Massenerschießungen von
Juden stehe "im Widerspruch zu den Quellen" (2)
Es entbehrt nicht der Ironie, wenn ausgerechnet die Journalisten der "Jungen
Freiheit" Einspruch erheben: "Aber Herr Hochhuth, immerhin behauptet Irving,
in Auschwitz hätte es keine Gaskammern gegeben. Er hat flapsig formuliert,
in Gaskammern seien dort "weniger Menschen umgekommen als 1969 auf dem
Rücksitz Edward Kennedys" - und da saß bekanntlich nur dessen Freundin."
Hochhuth: "Da hat er seiner nicht ganz unbritischen Neigung zum schwarzen
Humor auf zynische Weise freien Lauf gelassen. Wahrscheinlich ist er
wahnsinnig provoziert worden, ehe er das gesagt hat. Als Historiker ist er
ein absolut seriöser Mann."
Diese Erklärung des deutschen Schriftstellers ist ungeheuerlich. In
Wirklichkeit hat Irving dies vor einem zahlenden Publikum erklärt, wie das
in einem anderen Buch über den Irving-Prozess dokumentiert wird:
Während des Londoner Prozesses wurde ein Videoband abgespielt, auf dem
Irving in Kanada, vor einem zahlenden Publikum spricht und eine
ausführlichere Version der Ein-Mann-Gaskammer-Geschichte erzählt.
Richard Rampton, Anwalt der Beklagten: "Spott allein reicht nicht. Sie
müssen auch geschmacklos sein. Sie müssen Dinge sagen wie: Auf dem Rücksitz
von Senator Edward Kennedys Auto in Chappaquidick starben mehr Frauen als in
den Gaskammern von Auschwitz."
Während das Publikum in der Videosequenz anerkennend applaudiert, wendet
Irving sich an den Richter: "Leider geht der Rest des Satzes in dem Beifall
unter. Er lautet: ‚... in den Gaskammern von Auschwitz, die den Touristen
gezeigt werden’. Ich sage immer genau das Gleiche."
"O nein, das tun Sie nicht", sagt Rampton.
"Ist es auf dem Video?", fragt der Richter.
Das Video wird zurückgespult und erneut abgespielt, und tatsächlich, wie
Irving einräumen muss, "in diesem hier habe ich den Zusatz [über die
Touristen] nicht eingefügt." (3)
Junge Freiheit: "Seit 1993 hat Irving wegen seiner fragwürdigen Thesen in
der Bundesrepublik - wie in anderen Staaten auch - Einreiseverbot."
Hochhuth: "Das ist grotesk, immer wieder war er bei uns zu Hause zu Besuch,
wir telefonieren miteinander, ich kenne ihn wirklich gut."
Junge Freiheit "Was halten Sie dann für die Erklärung des Falles Irving?"
Hochhuth: "Ich kenne keinen "Fall Irving" - sondern nur einiges, was zu
seiner Verleumdung gesagt worden ist. Es ist doch so: Irving ist Halbjude,
seine Mutter war Jüdin! Ihn als Holocaustleugner zu verleumden, ist ein
Racheakt, weil er in seinen Büchern so schaurige Wahrheiten über uns
Deutsche sagt. Wer Irving verbietet, deutsche Archive zu besuchen, will -
das tun Politiker gern - vor der Wahrheit über deutsche Untaten im
Hitlerkrieg verschont bleiben."
Es ist hirnrissig zu bemerken, dass die deutschen Politiker ausgerechnet vor
den "Forschungen" dieses notorischen Geschichtsfälschers und Freund von
Neonazi Angst haben.
Richter Charles Gray stellte in seinem Urteil u.a. auch folgendes fest:
"Der Inhalt seiner Vorträge und Interviews zeigt häufig eine deutliche
Voreingenommenheit für die Nationalsozialisten und gegen die Juden. Er
stellt überraschende und häufig unbegründete Behauptungen über das
Naziregime auf mit der Tendenz, die Nationalsozialisten von den
entsetzlichen Gräueltaten freizusprechen, die sie den Juden angetan haben.
Er ist bereit, sich Neonazis anzuschließen, und teilt offenbar viele ihrer
rassistischen und antisemitischen Vorurteile. Das Bild Irvings, das uns aus
den Belegen für deine außerberuflichen Aktivitäten entgegentritt, ist das
eines politisch rechtsstehenden, für die Nationalsozialisten eintretenden
Polemikers. In meinen Augen habe die Beklagten ihren Vorwurf erhärtet, dass
Irving ein politisches Ziel verfolge. Es ist ein Ziel, das - wie man
berechtigterweise schließen darf – ihn veranlasst, wo immer er es für nötig
hält die historischen Quellen zu manipulieren, um sie mit seinen politischen
Überzeugungen in Einklang zu bringen." (4)
Vielleicht tue ich Hochhuth Unrecht und was er sagt ist kein Trick um die
Aufmerksamkeit der Medien zu ergattern, sondern er glaubt wirklich daran,
dass die wirkliche oder vorgebliche Abstammung eines Menschen es unmöglich
machen Ungeheuerliches zu behaupten.
Tatsache aber ist, dass es eine Handvoll von jüdischen Holocaustleugnern
gibt. Die dürfte es nicht geben, wenn Hochhuths These den Tatsachen
entsprechen würde.
Es ist auch bekannt, dass sich im Gegensatz zu den Nationalsozialisten,
heute wieder Antisemiten sich gerne auf jüdische oder von Juden abstammende
Kronzeugen berufen. Was aber die Sache nicht besser macht.
Anmerkungen:
1) Die Wochenzeitung Junge Freiheit (JF) ist der Neuen Rechten zuzurechnen,
einer um Intellektualisierung bemühten geistigen Strömung innerhalb des
Rechtsextremismus. Bisweilen bedienen sich Redakteure und Stammautoren der
JF gängiger rechtsextremistischer Argumentationsmuster oder lassen wenig
Distanz hierzu erkennen.
2)Richard J. Evans "Der Geschichtsfälscher/ Holocaust und historische
Wahrheit im David-Irving-Prozess", campus Verlag Frankfurt 2001, Seiten
289-290
3) D.D. Guttenplan "Der Holocaustprozess" Goldmann 2001 Seiten 323-324
4) Siehe Evans Seite 291
hagalil.com
21-02-2005 |