Kinostart:
Alles auf Zucker!
Von Gudrun Wilhelmy
Der Film von Dani Levy ist reich an
Wutausbrüchen, Tränenströmen, Streit, Davonlaufen, Alltags- und Lebenslügen.
Damit ist er ein humor- und liebevoller Spiegel einer (jüdischen)
Mischpoche, die sich nach Jahren wieder trifft. Die beiden zerstrittenen
Brüder stehen am Grab der Mutter, Schiwa sitzen (siebentägige Trauerzeit)
und Versöhnung fordert sie im Testament, damit ein Erbe angetreten werden
kann.
Lebenskünstler Jacky Zucker ist nicht gerade beglückt, trifft ihn diese
Nachricht in seiner größten Lebenskrise und nicht einmal seine Frau wusste,
dass er Jude ist. Er schlägt sich seit dem Fall der Berliner Mauer im
zwielichtigen Milieu von Spielern und Prostituierten durch. So wie er in
seinem neuen Namen den Jakob Zuckermann unterschlägt, als der er geboren
wurde, so ist er von allen jüdischen Wurzeln abgeschnitten. Nachvollziehbar,
denn Mutter und Bruder ließen den 14jährigen allein in der DDR zurück und
nutzten die Zeit einer Operation in der BRD, um dort zu bleiben.
Zucker
erreicht die Nachricht vom Tod seiner Mutter und dem Besuch der brüderlichen
Familie, als er mit allen Mitteln versucht Geld für die Teilnahme an einem
Billard-Turnier zusammenzuschnorren. Von seinem Sieg bei einer Teilnahme
überzeugt, erhofft er sich davon seine finanzielle Rettung. Er ist nicht nur
pleite, er hat nicht nur Schulden, ihm droht bei Nicht-Zahlung Knast. Keine
günstige Voraussetzung, um sich mit Schiwa ein Erbe zu ersitzen und nicht
die geeignete Atmosphäre zur Versöhnung der Brüder.
Foto: Dani Levy
Der Bruder kommt mit seiner frommen Familie und dem Sarg auf dem Flughafen
an. Ihre Kleidung weist sie schnell als eher orthodoxe und wohlhabende Juden
aus. Diese trifft auf Berliner Arbeitslose, denen "koscher" bis vor kurzem
ein Fremdwort war. Treibende Kraft für Versöhnung und dem Versuch, damit das
Erbe antreten zu können, ist dabei Jacky Zuckers Frau. Selbst keine Jüdin,
versucht sie das testamentarisch geforderte Schiwa-Sitzen der Familie in der
eigenen Wohnung zu organisieren. Mit Hilfe eines literarischen Schnellkurs
verwandelt sie ihre Küche in eine koschere.
Unausweichlich müssen die beiden Familien, voran die beiden Brüder, sieben
Tage und sieben Nächte miteinander verbringen. Auf Dauer lässt sich kein
Familien-Geheimnis vor den anderen verborgen halten. Jacky versucht mit
phantastischen Einfällen Schiwa-Sitzen und Turnier-Anforderungen gerecht zu
werden und zieht andere in seine Doppelstrategie mit ein. Die Angst vor dem
drohenden Gefängnis und die Aussicht auf eine Erbschaft, zwingt ihn zu einem
Amoklauf zwischen Turnier-Ort und Wohnung. In allem liegt die Tragik eines
gescheiterten Lebens und ein Lachmuskel aktivierender Kleine-Leute-Heroismus
unter keinen Umständen aufzugeben.
Das Schöne an dem Film von Dani Levy ist die Liebe, mit der er Zucker
zeichnet: Einem ewigen Verlierer, gäbe es nicht die Frauen, die seinem
Charme immer wieder erliegen. Aber mit gleicher Sympathie zeigt er seinen
sehr bürgerlichen Bruder, der unter Einfluss einer gewissen Pille frei von
Eigenbeschränkungen sein fröhliches, lebensbejahendes Ich zeigt.
Das sie alle dann gemeinsam trotz eindeutiger Überschreitungen der
Schiwa-Regeln dem Rabbiner einen Teil ihrer Erbschaft abtrotzen, ist ein
Meisterstück zwischen Chuzpe und Menschlichkeit. Und so ist auch der Film.
Harry Hübchen und Udo Samel als Jacky Zucker und sein
Bruder
Keine Sekunde langweilig, niemals kitschig oder weinerlich, Henry Hübchen
spielt Jacky Zucker mit solch einer Überzeugungskraft, dass es nur einer
Schauspielerin wie Hannelore Elsner (als seine Ehefrau) und einem so guten
Schauspieler wie Udo Samel (als sein Bruder) gelingen kann, sich neben ihm
zu behaupten und ihren Figuren ein eigenes Gesicht zu geben.
Dani Levy ist mit diesem Film ein humorvoller
Film über jüdisches Leben heute gelungen. Mit dem Casting wurde eine
hochprofessionelle Besetzung des Films umgesetzt. Die Story, als Geschichte
von einem Bruderzwist und der Spannung zwischen Assimiliation und
Identitätsbewahrung, ist auf komödiantische Weise filmisch umgesetzt.
Co-Existenz bei gleicher Interessenlage ist die Botschaft, die der Film
signalisiert. Nicht mehr und nicht weniger als ein ausgezeichneter
Unterhaltungsfilm.
Bundesweiter Kinostart am 6. Januar 2005
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hagalil.com
05-01-2005 |