Braune Front:
Volksgemeinschaft im Wartestand
In der NPD versammelt sich das Spektrum
rechts der CDU/CSU zu einer braunen "Volksfront". Nach den Kameradschaften
bekennt sich jetzt auch Franz Schönhuber zur Partei.
Von Jan Langehein
Jungle World 2 v.
12.01.2005
Vor zwei Jahren schien sich das Problem erledigt zu haben.
Die NPD war eine kleine Organisation mit sinkenden Mitgliederzahlen, die
außer Alt- und Stiefelnazis kaum jemanden anzusprechen vermochte und der per
Verbotsverfahren der Todesstoß drohte. Selbst in der Naziszene schien die
NPD isoliert. Für andere rechte Parteien war ihr Bekenntnis zum
unrevidierten "Deutschen Sozialismus" zu radikal, aus der
Kameradschaftsszene wurde ihr dagegen "Legalismus" vorgehalten.
Der Versuch der Bundesregierung, die NPD mit Hilfe eines
Parteiverbotsverfahrens zu zerschlagen, geriet allerdings zum Desaster und
bescherte den Nationaldemokraten letztlich das, worum sie zuvor vergeblich
gekämpft hatten: gesellschaftliche Relevanz. Weil weite Teile des
NPD-Apparats von Agenten des Verfassungsschutzes durchsetzt waren, sah sich
das Bundesverfassungsgericht nicht in der Lage, die Partei zu verbieten und
bescherte ihr mit der Ablehnung des Verbotsverfahrens einen wahren
Aufschwung.
Spätestens der Einzug der NPD in den sächsischen Landtag hat ein Tabu
gebrochen: Es ist in der Bundesrepublik möglich, ganz offen und auf höchster
staatlicher Ebene Politik mit antisemitischen und rassistischen Inhalten zu
betreiben, ohne dass dies – von einer kurzlebigen Medienkampagne abgesehen –
einen Skandal darstellte. Die Tatsache, dass Kandidaten der NPD im
sächsischen Landtag regelmäßig mehr Stimmen erhalten, als die Fraktion
Mitglieder hat, zeigt die bedrohlichen Ausmaße, die diese "Normalisierung"
mittlerweile angenommen hat.
Und die NPD weiß ihre unverhoffte Wiedergeburt zu nutzen: Dem Bundesvorstand
um den Vorsitzenden Udo Voigt und den ehemaligen Chef der Jungen
Nationaldemokraten (JN) und jetzigen Fraktionsvorsitzenden im sächsischen
Landtag, Holger Apfel, ist es in den letzten Monaten gelungen, seine Partei
zum Dreh- und Angelpunkt einer rechtsradikalen Sammlungsbewegung zu machen.
Den Beginn machten seit Anfang vergangenen Jahres Verhandlungen mit
Funktionären aus dem Spektrum der so genannten Freien Kameradschaften. Der
Hamburger Thomas Wulff, Ralph Tegethoff aus Nordrhein-Westfalen und Thorsten
Heise aus Thüringen führten die Gespräche mit dem Parteivorstand und
einigten sich schließlich auf einen Beitritt zur NPD im September 2004. Weil
sie diesen Schritt mit umfangreicher Öffentlichkeitsarbeit begleiteten,
hatte ihre Entscheidung Signalwirkung. Die alten Vorbehalte der
Kameradschaftler gegenüber der NPD, sie biedere sich dem verhassten
parlamentarischen System an und lasse es an nationalrevolutionärer Energie
mangeln, scheinen erledigt, einer Zusammenarbeit steht nichts mehr im Wege.
Wulff, Tegethoff und Heise teilten ihren Kameraden mit, die NPD sei
eindeutig zum "nationalen Widerstand" zu zählen, es gehe jetzt darum, "eine
Bewegung zu werden". Institutionalisiert wurde dieses Bündnis auf dem
NPD-Bundesparteitag im vergangenen Herbst. Thorsten Heise wurde in den
Parteivorstand gewählt und trägt jetzt den Titel eines "Referatsleiters
Freie Kameradschaften".
Diese Öffnung der NPD zum bekennenden, militanten Neonazismus bedeutet aber
keine Abkehr vom Rest der legal arbeitenden rechten Szene, von der DVU und
den Republikanern. Da nach den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg,
bei denen jeweils nur eine rechtsradikale Liste antrat, klar ist, dass sich
durch Arbeitsteilung Wahlen gewinnen lassen, haben sich die alten Erzrivalen
von der DVU zu einer engen Zusammenarbeit mit der NPD bereit erklärt. Direkt
nach den Wahlen verkündeten Udo Voigt und der Vorsitzende der DVU, Gerhard
Frey, ein Bündnis, um den erfolgreichen Testlauf aus den beiden
Landtagswahlen für weitere Wahlen zum Vorbild zu nehmen. Man werde künftig
nicht mehr gegeneinander antreten, erklärte Voigt in einer Pressemitteilung.
Die Zusammenarbeit mit der Kameradschaftsszene dürfte für die NPD neben der
taktischen Erschließung neuer Anhänger auch inhaltlich bedingt sein. Der
"Kampf um die Parlamente" und der "Kampf um die Straße" sollen unter dem
Dach einer gemeinsamen "Volksfront von rechts" geführt werden. Die
"nationale Opposition" soll vereint gegen das "judäo-amerikanische Imperium"
(Horst Mahler) kämpfen, welches das deutsche Volk seit 1945 beherrsche und
materialistisch umerziehe.
Die NPD sieht sich in diesem Anliegen als Speerspitze einer neuen
Volksgemeinschaft im Wartestand; eine Position, die mit der
Selbstwahrnehmung der Kameradschaftsszene perfekt zusammenpasst. Beide
wollen den Deutschen, wie zuletzt auf den Montagsdemonstrationen, den
"Volkssozialismus" nahe legen; ein sozio-ökonomisches Großprogramm gegen den
Liberalismus, das das Privateigentum an den Produktionsmitteln unangetastet
lässt, die Wirtschaft aber unter die Kuratel des Staates stellen will.
Erreicht werden soll das durch Zerschlagung des vermeintlich jüdischen Groß-
und Finanzkapitals, das die Globalisierung vorantreibe und am Untergang der
souveränen Völker arbeite. Das ist der antisemitische "Antikapitalismus",
der NPD und Kameradschaften vereint.
Ob unter diesen Vorzeichen die Zusammenarbeit mit der DVU mehr als einen
taktischen Charakter hat, steht dabei auf einem anderen Blatt. Zweifellos
dürften auch die meisten Anhänger dieser Partei das paranoide,
antisemitische und rassistische Weltbild der NPD teilen; die mehr oder
weniger offene Forderung der NPD, die Bundesrepublik als illegitimes
Instrument ausländischer Fremdherrschaft zu zerschlagen, ist jedoch von der
DVU auch nach den Bündnisverhandlungen mit der NPD nicht zu hören.
Für die NPD dürfte die Zusammenarbeit mit der DVU vor allem mit der Hoffnung
verbunden sein, als ausstrahlungskräftigere Partei mit Basisverankerung
deren Anhänger langfristig an sich zu binden und Freys Parteiensimulation
überflüssig zu machen. Vor diesem Hintergrund sind auch Bemühungen zu
werten, zu einer Zusammenarbeit mit den Republikanern zu finden.
Ein großer Schritt in diese Richtung ist dem NPD-Vorstand am 3. Januar
dieses Jahres gelungen: Der ehemalige Republikaner-Chef Franz Schönhuber hat
sich nach einem Gespräch mit Udo Voigt zur NPD bekannt, möchte "das
Trennende zwischen den patriotischen Organisationen überwinden" und fungiert
jetzt als "medien- und europapolitischer Berater" der Nationaldemokraten.
Das Signal ist deutlich: Auch für Republikaner soll die NPD wählbar sein,
selbst wenn der Parteivorstand der Reps von einer solchen Zusammenarbeit
nichts wissen will. In das gleiche Horn stößt auch ein als "Hamburger
Signal" bezeichneter Aufruf von mittlerweile über 100 Republikanern, in dem
zur Wahl der NPD in Schleswig-Holstein aufgerufen wird.
Bei der "Volksfront von rechts" hat man es tatsächlich mit zwei Phänomenen
zu tun: einerseits mit der inhaltlichen Annäherung von NPD und militanten
Neonazis unter dem Banner einer kaum noch verklausulierten NS-Ideologie,
andererseits mit einer Sammlungs- und Konzentrationsbewegung im rechten
Parteienspektrum.
Dass diese beiden Phänomene neben- und vor allem miteinander existieren
können, ist der neuen Scharnierfunktion der NPD zu verdanken, die auch davon
profitiert, dass sie nach dem Scheitern des Verbotsverfahrens mit
staatlichen Mitteln kaum noch zu bekämpfen ist. Wie effektiv die Strategie
des NPD-Vorstands ist, zeigt seit kurzem ein neuer Interessent aus dem
Kameradschaftsspektrum, der bislang vor allem durch seine entschiedene
Ablehnung der Partei von sich reden gemacht hat: Christian Worch, Hamburger
Nazi-Führer und Daueranmelder von rechten Aufmärschen, hat sich zu
Gesprächen mit der Parteiführung bereit erklärt.
hagalil.com 18-01-2005 |