Gewaltbereite NPD:
Polka und Prügel
Auch nach heftigen Gewaltausbrüchen von
Landesfunktionären und Bundesvorstandsmitgliedern der NPD steht vor der Wahl
in Schleswig-Holstein die rechte "Volksfront".
Von Andreas Speit, Steinburg
Jungle World 2 v.
12.01.2005
"Wir haben ein Recht auf Selbstverteidigung", betont Udo
Voigt, Bundesvorsitzender der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands
(NPD). Und seine Botschaft "Wir schlagen zurück" gefällt den etwa 120 Gästen
beim Wahlkampfauftakt der schleswig-holsteinischen NPD am 4. Dezember: Laute
"Jawohl"-Rufe ertönen und starker Applaus kommt im Festsaal des "Hotels zur
Steinburg" auf. Nun muss sich die Staatsanwaltschaft Itzehoe mit dem
vermeintlichen "Recht auf Verteidigung" auseinandersetzen.
Denn in der vorigen Woche erstmals ausgestrahlte
Filmaufnahmen des NDR-Magazins "Panorama" belegen, dass führende NPD-Kader
an jenem Samstagnachmittag diverse Gewalttaten verübten. Die auf der
Veranstaltung von Vertretern fast aller rechten Gruppen Schleswig-Hosteins
für die Landtagswahl am 20. Februar beschworene Eintracht rechts von der
Union scheint von den Vorfällen wenig erschüttert.
"Alle kräftigen Männer raus", ruft Klaus Baier,
NPD-Bundespressesprecher, keine 20 Minuten vor der Rede seines Parteichefs
in den Saal des Hotels in der kleinen Gemeinde Steinburg nahe Itzehoe. Mit
Flaschen und Stühlen bewaffnet und mit Tischen und Tabletts als Deckung
stürmen die Neonazis daraufhin sofort auf die Straße. 70 Linke protestieren
dort gegen die NPD-Versammlung. Vereinzelt haben sie von der
gegenüberliegenden Straßenseite Steine auf das Hotel geworfen. Kaum sind die
NPD-Sympathisanten vor der Tür, greifen sie an. Unter den Augen des Chefs
des NPD-Ordnerdienstes, Manfred Börm, schlagen und treten junge wie ältere
Kameraden auf die fliehenden Demonstranten ein. Unter den Schlägern ist auch
der NPD-Landtagsspitzenkandidat Ingo Stawitz.
"Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung sind
eingeleitet", erklärt Oberstaatsanwalt Wolfgang Zepter. Insgesamt ermittelt
die Itzehoer Staatsanwaltschaft mittlerweile gegen sechs NPD-Funktionäre.
Die Fernsehbilder zeigen nicht nur, wie der 54jährige ehemalige
DVU-Abgeordnete Stawitz und der verurteilte Neonaziterrorist Börm gezielt
Steine auf die Demonstranten werfen, auch Stefan Köster, Ludwigsluster
NPD-Fraktionschef und Bundesvorstandsmitglied, ist zu sehen, wie er auf eine
am Boden liegende Frau eintritt.
"Ich hatte das Gefühl, jetzt schlagen sie dich tot", sagt die
Betroffene später aus. Stawitz sei noch dazugekommen, berichtet die junge
Frau: "Ich glaube, der wollte diesen Moment nutzen, jetzt auch noch mal
reinzuhauen." Gegenüber "Panorama" zeigte sich der Polizeieinsatzleiter Uwe
Kleinig "schockiert": Die Gewalt der Rechten sei "deutlich stärker" gewesen.
Als einer der Rechten mit einem Stuhl auf einen auf der Straße liegenden
verletzten Demonstranten einschlagen wollte, musste ein Zivilbeamter gar
zwei Warnschüsse abgeben. Von den Linken gab es "keine Gegenwehr", betont
Kleinig.
Noch an Ort und Stelle rechtfertigt Stawitz gegenüber den
Medien sein Verhalten. Ganz im Sinne des Bundesvorsitzenden erklärt er: "Es
sieht manchmal so aus, als ob es sich um Kämpfe handelt. In Wirklichkeit ist
es eine Abwehrmaßnahme und der Versuch, einige dingfest zu machen." Auch der
NPD-Landesvorsitzende und Landtagskandidat Uwe Schäfer beteuert: "Wir setzen
uns mit dem Gegner nicht mit Gewalt auseinander." Überhaupt habe die Partei
nichts mit Gewalttätern zu tun.
Doch schon ein Blick auf die Vergangenheit einiger
Landtagskandidaten verrät, dass das Gegenteil wahr ist. So tritt im
Wahlkreis Kiel-West für die NPD der 27jährige Maurer Peter von der Born an,
der mehrfach wegen Körperverletzung bestraft wurde. In Lauenburg-Nord
kandidiert Heino Förster für die Neonazipartei. Der 77jährige wurde 1993
wegen versuchten Mordes zu vier Jahren Haft verurteilt, da er an einem
Überfall auf das Flüchtlingsheim in Bahlen in Mecklenburg-Vorpommern
beteiligt war. "Er ist als ein alter Kämpfer in unseren Reihen bekannt und
gut beleumundet", sagt Schäfer über ihn.
Während sich draußen auf der Straße die "kräftigen Männer"
austoben, spielt im Festsaal des etwas schäbigen Hotels die Kapelle
"Landsturm" Volksmusik und Polka. Einige Gäste tummeln sich am Infotisch der
Freien Kameradschaften aus Schleswig-Holstein, wo unter anderem das
Neonaziheft Durchblick und die Selbstdarstellung des Aktionsbüros
Norddeutschland ausliegen. Kaum haben nach der erfolgreichen
"Selbstverteidigung" wieder alle NPD-Aktivisten und -Sympathisanten an den
vier Tischreihen Platz genommen, beendet Voigt seine Rede. "Wir haben nur
einfache Lösungen, sagen die etablierten Parteien", führt er aus, und die
"Lösungen für Deutschland" seien tatsächlich ganz einfach: "Erstens:
nationale Volkswirtschaft, die Spekulantentum und undeutsches
Unternehmerverhalten abstraft" und "zweitens: Ausländerheimführungsgesetz".
Als "Verteidigung" werden die gerade geschehenen Gewalttaten
offenbar auch von den Vertretern der Deutschen Volksunion (DVU) und der
Republikaner (Rep) bewertet. Unter Applaus bekunden Funktionäre beider
Parteien, fest zur NPD zu stehen. Und Kay Oeckel, einst
schleswig-holsteinischer Landesvorsitzender der Schill-Partei, nun
NPD-Mitglied, erklärt: "Rechts von der CDU müssen alle zusammenstehen." Mit
seinem Eintritt in die NPD will er für die Schillianer sogleich eine
Wahloption aufzeigen. "Ich hoffe, wir können auch diese Wähler gewinnen",
meint er.
Seine früheren Parteikollegen beteuern hingegen, dass er
nicht für sie spreche. Schließlich kandidiere die Partei Rechtsstaatliche
Offensive selbst zu den Landtagswahlen. Auch die Rep-Landesvorsitzende
Ingeborg Lobocki distanzierte sich von ihren der NPD nahe stehenden
Parteifreunden: "Es gibt keinerlei Unterstützung für die NPD. Wer mit der
NPD zusammenarbeitet, hat bei uns keinen Platz", ließ sie verlauten. Doch
prompt folgte die Erklärung "Hamburger Signal", in der neben dem Hamburger
Rep-Landesvorsitzenden Thomas Nissen auch der sächsische Landeschef Thomas
Jäckel betont: "Der Bruderkampf ist eingestellt. Wir rufen dazu auf, in
Schleswig-Holstein die NPD zu wählen."
Dem Vorbild der Kameradschaftsführer Thomas Wulff und
Thorsten Heise folgend, reihen sich in dem Bundesland zwischen Nord- und
Ostsee ganz offiziell auch die Freien Kameradschaften in die "Volksfront von
rechts" ein, wie die Sammlungsbewegung in rechten Kreisen genannt wird. In
Steinburg erklärt Martin Engelbrecht vom Rednerpult herunter: "Die Gräben
sind zugeschüttet." Und der mehrfach wegen Körperverletzung vorbestrafte
Anti-Antifa-Spezialist verspricht, dass die Kameradschaften ganz pragmatisch
die "Volksfront" mittragen werden. Zuvor war Engelbrecht, wie andere Freie
Nationalisten auch, in die Partei eingetreten.
"Das ist die Basis für den Wahlerfolg", meint im Anschluss an
die Veranstaltung Uwe Schäfer. Der 67jährige hofft, dass seine Partei, wie
schon einmal 1967, in den Kieler Landtag einzieht. Damals erhielt die Partei
5,8 Prozent der Stimmen. Nun erwartet sie fünf bis zehn Prozent. Die ersten
Umfragen sprechen von zwei Prozent entschlossenen NPD-Wählern und weiteren
zwei Prozent, die sich vorstellen können, der Partei ihre Stimme zu geben.
Der zu erwartende Erfolg für die NPD habe vor allem mit Hartz IV zu tun,
glaubt Spitzenkandidat Stawitz. Am 29. Januar will die NPD gemeinsam mit den
Freien Kameradschaften in Kiel aufmarschieren unter dem Motto: "Gegen
Multikulti und Hartz IV".
hagalil.com 19-01-2005 |