Gedenkfeier in Auschwitz:
"Niemals wieder!" bleibt auch heute aktuell
Sechzig Jahre nach der Befreiung
von Auschwitz erinnern bei einer offiziellen Gedenkfeier auf dem
KZ-Gelände Holocaust-Überlebende und Politiker daran, dass damals
nicht alles getan wurde, um den Völkermord zu verhindern
Von Gabriele Lesser
Mit lautem Rumpeln hält ein Zug an der Rampe von
Auschwitz-Birkenau an. Den ehemaligen Häftlingen stockt der Atem. Es
ist kein Zug zu sehen, doch allein dass Geräusch weckt bei vielen
grausame Erinnerungen. 60 Jahre nach der Befreiung des
Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee gedachten
gestern mehr als 30 Staats- und Regierungschefs sowie Delegationen
aus 46 Staaten der Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns.
Allein in Auschwitz und Auschwitz-Birkenau hatten die Deutschen 1940
bis 1945 über eine Million Menschen ermordet.
Polens ehemaliger Außenminister Wladyslaw Bartoszewski, der als
18-jähriger Schüler bei einer Razzia in Warschau verhaftet und nach
Auschwitz gebracht worden war, mahnte in seiner Eröffnungsrede mehr
internationale Verantwortung an. Kein einziger Staat habe in den
40er-Jahren auf die Nachrichten vom deutschen Völkermord an den
europäischen Juden reagiert. Dabei seien Großbritannien und die USA
seit Ende 1942 über die NS-Konzentrationslager im besetzten Polen
genauestens informiert gewesen. Kuriere des polnischen Untergrunds
hätten unter Lebensgefahr die Nachrichten überbracht. Doch statt
Maßnahmen gegen die Mörder zu ergreifen, hätten die Westalliierten
nur gedroht, diese nach dem Krieg zu bestrafen.
Simone Veil, die Vorsitzende der Stiftung "Erinnerung an die Shoah",
wandte sich "an alle, die hier an diesem besonderen Ort versammelt
sind. Fast alle von uns sind vor der Befreiung durch die Rote Armee
über diese Todesstufen gegangen, auf denen so viele Menschen
gestorben sind." Auf der Rampe nebenan habe Dr. Mengele in Sekunden
über Leben und Tod von Tausenden entschieden. Einige der Täter
hätten ihre Strafe in Nürnberg erhalten. "Dennoch hat sich das
'Niemals wieder!' nicht erfüllt", so Veil. "Noch immer ist die Welt
Zeuge von Völkermorden. Wir, die letzten Häftlinge von Auschwitz,
haben das Recht, an dieser Stelle erneut das 'Niemals wieder!'
einzufordern - für die heute vom Tod bedrohten."
Als Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats der deutschen Sinti
und Roma, das Wort ergriff, stockte vielen der ehemaligen Häftlingen
der Atem. Rose sprach deutsch. Noch dazu grüßte er den deutschen
Bundespräsidenten Hort Köhler, der zwar eingeladen worden war, aber
nicht das Wort ergreifen durfte. Auschwitz, so Rose, sei nicht nur
das Symbol für die Shoah, sondern auch für den Völkermord an den
Sinti und Roma. 1939 bis 1945 hätten die Deutschen eine halbe
Million Sinti und Roma ermordet. Ganz besonders fürchterlich seien
die pseudomedizinischen Untersuchungen gewesen. "Ich möchte den
damaligen Alliierten dafür danken, dass sie so große Opfer auf sich
genommen haben, um uns zu retten, dass sie Deutschland und Europa
befreit haben von der nationalsozialistischen Diktatur." Papst
Johannes Paul II., der nicht selbst kommen konnte, erinnerte in
seiner vorgelesenen Rede an das Gute, das es selbst an diesem
furchtbaren Ort gegeben habe. Dies dürfe man nicht vergessen. "Das
Böse darf nicht das letzte Wort haben."
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28-01-2005 |