Warum die Kärntner "Kameradschaft der
Gebirgsjäger" zur Zeit recht gestresst ist und was das mit einem nackten
General zu tun hat.
Von Bernhard Torsch
Der alte Mann im Zeugenstand hat schon einiges durchgemacht, den
Zweiten Weltkrieg zum Beispiel. Aber "so einen Vertrauensbruch habe ich noch
nie erlebt", klagt der 80-jährige Landwirt und Obmann der "Kameradschaft der
Gebirgsjäger" am 6. Dezember am Klagenfurter Landesgericht. Der Grund für
das späte Trauma: Ausgerechnet der Schriftführer seines Vereins, ein Kamerad
und Weggefährte, soll den alten Kämpfer bestohlen haben.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem 48-jährigen Frühpensionisten vor, aus
dem Privatmuseum des Oberkameraden Nazi-Devotionalien im Wert von rund
36.000 Euro entwendet zu haben, darunter Uniformen, Abzeichen und
Maschinenpistolen. Aber nicht nur der Verrat durch einen der Seinen lastet
dem Weltkriegsteilnehmer auf der Seele, sondern auch die Vorermittlungen der
Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen des Verdachtes des Verstoßes gegen das
Verbotsgesetz.
Dass die Justiz aber auch plötzlich so pingelig ist! Jahrzehntelang hat
der Mann Reliquien der Nazi-Zeit gesammelt und in verschiedenen Schauräumen,
die er "NSDAP-Raum", "SS-Raum", "KZ-Raum" und "Russen-Raum" nannte,
unbehelligt ausgestellt und ausgewählten Besuchern gezeigt. Laut Gerichtsakt
bezeichnete er selber seine Ausstellung gegenüber der Exekutive als
"Nazi-Museum". Bei der Verhandlung gegen seinen Schriftführer will der
Veteran davon aber nichts mehr wissen: "Das ist ein zeitgeschichtliches
Privatmuseum. Sogar Hugo Portisch hat sich von mir Exponate für seine
Dokumentationen ausgeborgt." NS-Propaganda habe er niemals betreiben wollen.
Der des Diebstahls angeklagte Ex-Kamerad hingegen berichtet von "jährlichen
Feiern der Kameradschaft nach dem Ulrichsberg-Treffen, bei denen auch
Politiker und Neonazis zugegen sind". Außerdem soll vor allem der "KZ-Raum"
sehr geschmackssicher eingerichtet gewesen sein: Uniformen von SS-Wärtern,
Lampenschirme und - hoffentlich "nur" nachgemachte - Hautfetzen mit
eingeritzten Häftlingsnummern seien dort zu sehen gewesen, erzählen
Eingeweihte.
Der Angeklagte bestreitet vor Richter Christian Liebhauser-Karl die
Vorwürfe seines Obmannes. Er habe die NS-Souvenirs auf Befehl des alten
Mannes beiseite geschafft, da dieser sich vor einer Hausdurchsuchung durch
die Staatspolizei gefürchtet habe. Dem widerspricht der kameradschaftlich
engagierte Bauer: "Ich fürchte mich doch nicht vor der STAPO, ich habe ja
nichts getan." Allzu große Angst muss er wohl tatsächlich nicht haben,
erfreut sich die "Kameradschaft der Gebirgsjäger" doch seit Kriegsende der
Protektion höchster politischer Würdenträger. Der Verein ist mit 155
Mitgliedern zwar klein, aber dank seiner Verbindungen zum Militär und
Politik höchst aktiv und lebendig. Gegründet wurde diese Kameradschaft vom
Vater des derzeitigen Klagenfurter Bürgermeisters Herbert Scheucher, Blasius
Scheucher, und für etliche Politiker von SPÖ, ÖVP und FPÖ gehört bis heute
zumindest eine unterstützende Mitgliedschaft zum guten Ton.
Nachdem der frühere Schriftführer seiner 92 Lenze wegen sich nicht länger
im Stande sah, der Kameradschaft zu Diensten zu sein, suchte man einen
Nachfolger und bewies mit der Wahl des Frühpensionisten, der 16 Vorstrafen,
unter anderem wegen Diebstahl und Bankraub, aufweisen konnte, ein eher
unglückliches Händchen. Am 24. September 2004 verschwanden plötzlich etliche
Exponate aus dem schrägen Museum. Besonders geschockt war der Betreiber, als
er feststellte, dass auch die Uniformen fehlten: "Ich kam heim und sah, dass
der General nackt war", sagt er vor Gericht aus. Aber nicht nur Anziehsachen
für Hitlers Vollstrecker waren abhanden gekommen, sondern auch Orden,
Abzeichen, Dolche und sogar Maschinenpistolen. Insgesamt Nazi-Trash, der auf
dem Sammlermarkt laut gerichtlichem Gutachten einen Wert von immerhin 36.000
Euro hat. Unberührt blieb hingegen der "Russen-Raum", obwohl dort "eine
Visitenkarte von Stalin" aufbewahrt werde, so der stolze
Hobby-Museumsdirektor. Offenbar hat es sich bis zum mutmaßlichen Dieb
herumgesprochen, dass man Stalin nicht mehr anrufen kann.
Dem sichtlich genervten Richter entfährt ob der unübersichtlichen
Faktenlage und der Anhäufung bizarrer Aussagen der Stoßseufzer "ich glaube,
ich bin im falschen Film". Dem Schöffensenat fällt schließlich auf, dass
wichtige Zeugen im Vorverfahren nicht gehört wurden und bei den
Untersuchungen zum Fall nicht gerade genau gearbeitet worden ist. "Mit solch
lückenhaften Ermittlungsergebnissen kann der Schöffensenat nicht arbeiten",
sagt Liebhauser-Karl, und der Akt landet wieder auf dem Tisch des
Untersuchungsrichters. Einen neuen Schriftführer zu finden, wird der
Kameradschaft wohl nicht schwer fallen, sitzen doch beim Prozess etliche
Mitglieder im Saal, die gerade mal der Pubertät entwachsen sind.