Neonazis besetzen Domains:
Gekaperte "Heimatseiten"
Neonazis sichern sich
Internet-Adressen mit unverdächtigem Namen: Diese Erfahrung machte
das Verdener Kulturmagazin "Överblick". Ein Heisenhof-Bewohner
besetzt die gleichnamige Website.
Von Andreas Speit
Neonazis machen sich im Raum Verden jetzt auch
virtuell breit. www.överblick.de ist der Name einer Internetseite,
die nichts mit dem gleichnamigen Verdener Kulturmagazin zu tun hat,
dafür umso mehr mit Jan Hus, einem mit fünf jüngeren "Kameraden" auf
dem Heisenhof bei Dörverden lebenden Rechtsextremen. Hus hat sich
die Adresse sichern lassen, bevor die Överblick-Redaktion erfahren
hatte, dass mittlerweile auch Internetseiten mit Umlauten im Namen
möglich sind. Bisher sind sie nur unter www.oeverblick.de zu finden.
Dass sich daran sobald nichts ändern wird, erfuhren
sie als sie sich für die Adresse mit "Ö" anmelden wollten, erzählt
Uwe Ciesla, Redakteur des in Thedinghausen produzierten Magazins.
Die Domain war schon weg. Per Email ließ sie der Inhaber wissen,
dass er diese für Johann Huss, alias Jan Hus, gesichert hätte.
"Wir waren entsetzt", sagt Ciesla. Seine Befürchtung:
Demnächst erscheinen unter der Adresse seines Magazins
Neonazipropaganda statt Veranstaltungshinweisen. Derzeit werden
Besucher der Seite mit dem kleineren Übel konfrontiert: Sie erhalten
eine Fehlermeldung.
Eine Zusammenarbeit mit Hus lehnen die Överblicker
ab. Auf ein entsprechendes Angebot des Internet-Piraten reagierten
sie nicht. Prompt "bombardierte" Hus sie mit Emails und Briefen.
"Mit dem 'ö' wollte ich euch zwingen, freundschaftliche Kontakte zu
pflegen", heißt es in einem Schreiben. Und: "Ich muss denn doch wohl
in einer härteren Sprache mit Euch kommunizieren".
Schon vorher hatte Hus betont, dass er die Ansichten
des ehemaligen RAF-Aktivisten und heute für seine rechtsextremen
Äußerungen bekannten Horst Mahler teilt: Danach sollen nach dem
"Zusammenbruch dieser Bananenrepublik" die Bundespolitiker an den
Galgen, die Mitläufer ins Zuchthaus und die Antifaschisten und
"Abartigen" ins Umerziehungslager kommen.
Die Strategie von Hus ist nicht neu, sagt der
Internet-Rechtsextremismusexperte Uwe Seher. "Das Besetzen von
Domains ist nicht unüblich." Unter unverdächtigen Namen - wie
"Överblick" - versuchten die Rechten ihre Propaganda im Netz zu
verbreiten. Dass man nicht die "Originalseite" erwischt, verrate
meist erst der eingedeutschte Sprachgebrauch, sagt Seher. Statt
"Webmaster" ist von einem "Netzmeister" die Rede, statt "Website"
heißt es "Heimatseite".
Eine bundesweite Strategie sei allerdings nicht zu
erkennen, sagt Seher. Vielmehr sei zu beobachten, dass solche
Internetaktionen im lokalen Kontext stattfinden. Schließlich sei das
Besetzen von Adressen nicht ganz so einfach. "Wird die Domain nicht
regelmäßig genutzt", erklärt Seher, "besteht die Möglichkeit, die
Adresse per Gericht einzuklagen".
Auch der Överblick hat einen Anwalt eingeschaltet. Da
formal nicht Hus, sondern ein Computerspezialist, der anonym bleiben
will, die Domain innehat, wendeten sie sich an ihn. Bisher blieben
jedoch alle außergerichtlichen Verhandlungen ohne Erfolg. "Unserem
Anwalt teilte er mit, dass wir die Domain haben könnten, wenn wir
seine Anwaltskosten tragen", sagt Ciesla. Er drohte aber auch den
Överblick zu verklagen. "Unglaublich", meint Ciesla, "so spielt er
den Rechten in die Hände".
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31-12-2004 |