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Hessen:
Bildungspolitischer Sprecher der CDU gibt rechtes Hetzblatt heraus
Rechtsextreme Drohbriefe erhalten in diesem Lande viele, so auch der
Grünen-Fraktionschef Tarek Al-Wazir. Wie viele andere wollte er dies nicht
einfach hinnehmen, sondern die Hintermänner der Hetze zur Rechenschaft
ziehen. Wie immer in solchen Fällen, fühlte sich aber keiner angesprochen,
wohl aber sprangen viele auf, um die Sache so schnell wie möglich unter den
Teppich zu kehren.
Fraktionschef
der Grünen (Hessen), MdL al-Wazir.
Al-Wazir wies auf den Zusammenhang hin zwischen den an ihn gerichteten
Drohbriefen und aktuellen Hetzartikeln im "Wetzlar Kurier".
Da der
berüchtigte "Wetzlar Kurier", der vom
bildungspolitischen Sprecher und Vize-Fraktionschef der hessischen CDU
Hans-Jürgen Irmer herausgegeben wird, wünschte sich Al-Wazir von Irmer eine
Entschuldigung und von der Unionsfraktion im hessischen Landtag eine
Distanzierung von den kritisierten Artikeln.
Dies lehnten die Angesprochenen ab. Im Gegenteil, Irmer unterstrich
seine Begeisterung für die Hetzartikel, indem er vorgelesene Auszüge immer
wieder mit dem Zwischenruf: "So ist es!" beipflichtete.
Frank Gotthardt, Geschäftsführer der Unionsfraktion, meinte zwar, man könne
über Form und Stil der Beiträge geteilter Meinung sein, inhaltlich spreche
der "Wetzlar Kurier" aber nur aus, was viele Menschen dächten. "Die
Menschen schreiben Ihnen Briefe, weil sie merken, dass in unserer
Gesellschaft an der einen oder anderen Stelle etwas nicht stimmt",
verteidigte Gotthard die ressentimentgeladenen Absender der Briefe.
Bildungspolitischer
Sprecher der Christdemokraten (Hessen), MdL Irmer.
Der "Wetzlar Kurier"
hatte u.a. die Abschaffung des Individualrechts auf Asyl gefordert, bei
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) wurde "Schwachsinn"
diagnostiziert und gegen den deutschen EU-Kommissar Günter Verheugen (SPD)
eine Anklage wegen Hochverrats angeregt. Dem Grünen-Politiker Tarek Al-Wazir
verpasste ein Artikel des Anzeigenblattes den Beinamen Mohammed und
Homosexuellen wurde eine therapeutische Behandlung empfohlen.
Für diese Aussage hatte er sich zuvor
"wissenschaftliche Unterstützung an die Seite geholt", wie das Magazin
gaypeople.de schreibt. Mit "wissenschaftlich" ist hier wieder einmal die von
der CDU bereits als Expertin zur Frage der
Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare benannte Frau Dr. Christl
Vonholdt, Direktorin des "Deutschen Instituts für Jugend und
Gesellschaft"gemeint.
Dadurch macht die Union, so gaypeople.de, deutlich, "dass sie die Menschheit
durch ihre pseudowissenschaftlichen Ansätze blenden und verwirren will".
"Falls es dennoch aufgeklärte Politiker in den Reihen der CDU geben sollte,
hoffen wir, dass diese sich in die Mitte der Gesellschaft begeben und dafür
sorgen, dass die Politik weder in die Diskriminierung noch in den
Extremismus abgleitet. Mehr als die Hoffnung wird uns in diesem Fall wohl
nicht bleiben, da gerade der Fall Martin Hohmann deutlich gemacht hat, dass
ein Politiker zwar aufgrund antisemitischer Entgleisungen aus Fraktion und
Partei ausgeschlossen wird, aber nicht wenn er sich, was Hohmann definitiv
auch getan hat, Ausfälle gegenüber von Schwulen und Lesben leistet".
Natürlich ist auch Irmer schon öfters durch rechte Sprüche
aufgefallen. 1999 wetterte er gegen den Entschädigungsfonds für
NS-Zwangsarbeiter. 2002 hetzte er gegen den Berliner "Christopher Street
Day" und selbstredend gehörte er 2003 zu den entschiedensten
Hohmann-Unterstützern, als der damalige CDU-MdB in die Kritik geriet,
nachdem haGalil onLine dessen antisemitische Hetzrede kritisiert und weit
über Fulda hinaus bekannt gemacht hatte.
Der SPD-Abgeordnete MdL Norbert Schmitt (SPD) verlangte eine Distanzierung
von diesem "rechtsextremen Weltbild", eine Distanzierung sei insbesondere
deshalb notwendig, weil Irmer bildungspolitischer Sprecher und
Vize-Fraktionschef der CDU sei.
Dies lehnte auch CDU-Generalsekretär Michael Boddenberg ab, ebenso wie
Hessens Ministerpräsident und
CDU-Chef Roland Koch, der trotz mehrfacher Aufforderung von SPD und FDP
nicht in die Debatte eingriff.
Die Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat wegen der jüngsten
Ausgabe des monatlich mit einer Auflage von 104.500 Exemplaren erscheinenden
Anzeigenblattes gegen dessen Herausgeber, den CDU-Landtagsabgeordneten
Hans-Jürgen Irmer, Beschwerde beim Deutschen Presserat in Bonn eingelegt.
Hans-Jürgen Irmer und der Wetzlar Kurier, GRÜNE schalten Presserat ein,
PM vom 27. Oktober 2004
... Nach Auffassung der GRÜNEN verstößt er in der Oktober-Ausgabe des
'Wetzlar Kurier' gegen Ziffer 6 und gegen Ziffer 9 des Pressekodex. Dabei
handelt es sich zum einen um die Veröffentlichung von Behauptungen und
Beschuldigungen ehrverletzender Natur und zum anderen achte er nicht auf die
strikte Trennung seiner Funktion als Herausgeber des Anzeigenblattes und
seiner Funktion als Landtagsabgeordneter. In dem von den GRÜNEN angemahnten
Artikel heißt es, EU-Kommissar Günter Verheugen müsste man wegen der
Verhandlungen zum EU-Beitritt der Türkei "im Grunde genommen wegen
Hochverrat an Deutschland anklagen."
"Seit Jahren schürt Hans-Jürgen Irmer im 'Wetzlar Kurier' Ressentiments
gegen Minderheiten und Ausländer. Das ist das glatte Gegenteil von dem was
zur Integration dieser Menschen notwendig ist. Es wird Zeit, dass Schluss
ist mit dem monatlichen Gebräu aus CDU-Propaganda, Vorurteilen und
Stimmungsmache gegen Minderheiten. Da Hans-Jürgen Irmer diese
unverantwortliche Stimmungsmache nicht einstellt, haben wir jetzt den
Deutschen Presserat eingeschaltet", sagt die aus dem Lahn-Dill-Kreis
kommende Abgeordnete und medienpolitische Sprecherin der GRÜNEN, Priska
Hinz.
Die Abgeordnete kritisiert zudem, dass alle Minister der CDU-Landesregierung
offensichtlich diese unerträglichen Polemiken unterstützen, da sie mit
Beiträgen ständig im 'Wetzlar Kurier' auftauchten. "Wir fordern die
Landesregierung auf, sich von diesem Blatt und Hans-Jürgen Irmer zu
distanzieren anstatt weiter alle Stahlhelmer in der CDU-Fraktion zu
tolerieren", sagt Priska Hinz.
hagalil.com
28-11-2004 |
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