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Jassir Arafat:
Larger than life

Puritanischer Workaholic, Guerillaführer und gescheiterter Staatsmann: Yassir Arafat symbolisierte den nationalreligiösen Kampf der Palästinenser.

Von Jörn Schulz
Jungle World 44 v. 20.10.2004

Eine gewisse Bewunderung für ihn hegte selbst ein Feind, der immer mal wieder erwogen hatte, ihn töten zu lassen. "Es ist unmöglich, die Bereitschaft der Palästinenser zur Konfrontation nicht zu würdigen", antwortete Ariel Sharon auf die Frage nach seiner Haltung zu Yassir Arafat. "Wenn es um Mord, Grausamkeit, die Erziehung einer ganzen Generation zum Hass und den Einsatz von Kindern an der Front geht, habe ich keine Achtung vor ihm", sagte Israels Ministerpräsident im April 2001 der Tageszeitung Ha’aretz. Dennoch sei er "manchmal neidisch auf die Art, wie die Palästinenser sich einsetzen, ohne zu zweifeln".

Zweifel an der Legitimität seiner Ziele und Mittel scheint Arafat nie gekannt zu haben, und seine Bereitschaft zur Konfrontation symbolisierten die Uniform und die umgeschnallte Pistole, ohne die er nur selten einen öffentlichen Auftritt absolvierte. "Ich bin mit der palästinensischen Revolution verheiratet", bekundete er selbst. Eine Studie der Psychologen Shaul Kimhi, Shmuel Even und Jerrold Post bezeichnet ihn als "eindimensionale Persönlichkeit" ohne Privatleben und Interessen jenseits der palästinensischen Politik.

Arafat, der bereits als Student in Ägypten ein puritanischer Workaholic war, wurde Ende der vierziger Jahre Sympathisant, möglicherweise auch Mitglied der Muslimbruderschaft. Ein Islamist wurde Arafat jedoch nicht, vermutlich entwickelte er damals jene nationalreligiöse Ideologie, die später die Politik seiner Fatah-Bewegung und weitgehend auch der PLO prägte.

Wie unzählige andere Araber seiner Generation hatte auch Arafat nach der in der palästinensischen Nationalmythologie als "Nakba" (Katastrophe) bezeichneten Niederlage im Kampf gegen die Gründung Israels 1948 begonnen, den arabischen Regierungen zu misstrauen. Er gründete 1958 in Kuwait mit einigen Freunden die Fatah, noch aber hatten die arabischen Regierungen den palästinensischen Nationalismus unter Kontrolle. Der 1964 gegründete Dachverband PLO war zunächst ihr Instrument. Erst die Entlegitimierung der arabischen Regierungen nach der Niederlage im Krieg von 1967 ermöglichte es der PLO, sich aus dieser Abhängigkeit zu lösen.

Damals gelang der PLO ihr wohl bedeutendster politischer Erfolg, von dem Arafat bis zum Schluss glaubte profitieren zu können. Es gelang, dem palästinensischen Nationalismus große Anziehungskraft in aller Welt zu verleihen. Zunächst solidarisierte sich vor allem die Linke, obwohl die 1968 verabschiedete Charta der PLO konsequent jedes Bekenntnis zu den fortschrittlichen Ideen und sozialistischen Parolen vermeidet, die sonst fast jedes nationalistische Manifest jener Zeit enthält.

Stattdessen wird die "palästinensische Identität" als "ein echtes, essenzielles und angeborenes Charakteristikum" bezeichnet. Damit der Palästinenser das nicht vergisst, sollen "alle Mittel der Information und der Erziehung" eingesetzt werden: "Er muss auf den bewaffneten Kampf vorbereitet werden und bereit sein, Besitz und Leben zu opfern, um sein Vaterland wieder zu gewinnen." Die Existenz Israels galt der PLO schlicht als "illegal", und nur Juden, die bereits vor der "zionistischen Invasion" in Palästina lebten, sollte ein Bleiberecht gewährt werden.

Unter dieser Leitlinie begann die erste spektakuläre Phase des internationalen Terrorismus, in der Fatah-Kommandos eine führende Rolle spielten. Jüdische Zivilisten galten bereits damals als legitime Ziele, doch man begnügte sich mit der Sprengung entführter Flugzeuge westlicher Airlines und ließ die Passagiere frei. Diese Aktionen stärkten den Mythos des "kämpfenden Volkes", das sich heroisch der imperialistischen Übermacht entgegenstellte.

Als deren Vasallen wurden damals jedoch auch die arabischen Regierungen betrachtet. Die Fatah-Kommandos des "Schwarzen September" verdankten ihren Namen den Kämpfen zwischen PLO-Truppen und der jordanischen Armee im September 1970. Arafat war vor allem auf seine Unabhängigkeit bedacht und hielt es für das Recht der PLO, vom Territorium arabischer Staaten aus Krieg zu führen. Ende der sechziger Jahre hatte sich jedoch eine linke Opposition gebildet, PFLP und DFLP propagierten die Revolution in der arabischen Welt, deren Ziel eine sozialistische Föderation im Nahen Osten war, die auch Israel einschließen sollte.

Auf diese Ideologie bezog sich auch die westliche radikale Linke. Man mag rückblickend daran zweifeln, ob die sozialistische Nahost-Föderation jemals ein Chance hatte. Die Lage wäre aber heute wohl weniger trostlos, wenn die palästinensische Linke sich tatsächlich um ein Bündnis mit der israelischen Arbeiterklasse bemüht hätte. Stattdessen traten PFLP und DFLP mit möglichst spektakulären Guerillaaktionen in einen Wettbewerb um street credibility mit den bürgerlichen Nationalisten und kritisierten jeden Anflug von Kompromissbereitschaft bei Arafat.

Während der militaristische Nationalismus der Linken jede Solidarisierung der israelischen Bevölkerung unmöglich machte, blieb es Arafats Fatah überlassen, eine diplomatische Lösung zu torpedieren. Als Ende der siebziger Jahre im Rahmen der ägyptisch-israelischen Friedensverhandlungen die Autonomie der palästinensischen Gebiete diskutiert wurde, lehnte Arafat ab. Erst 1988 konnte er sich dazu durchringen, das Existenzrecht Israels anzuerkennen.

Es war vielleicht kein Zufall, dass sich Arafat in dieser Zeit zu einer Heirat entschloss. Seine 1992 bekannt gegebene Ehe mit der christlich getauften, blonden und der westlichen Lebensweise gegenüber aufgeschlossenen Suha Tawil war sicherlich hilfreich bei dem Versuch, das Image des Terroristen loszuwerden. Auf familiäre Intimität legte er jedenfalls keinen Wert, immerhin gönnte er seiner Frau eine großzügige Apanage.

Seiner neuen Rolle als angehender Staatsmann wurde Arafat nicht ganz gerecht. Er legte großen Wert darauf, dass seine Hände stets sauber erschienen, und lebte immer spartanisch. Doch er nutzte die Korruption in so extensiver Weise als Mittel des Machterhalts, dass kaum etwas von mehreren Milliarden Dollar Auslandshilfe für Entwicklungsprojekte blieb. Er sprach oft von "den Juden", wenn er die Israelis meinte, enthielt sich jedoch offener antisemitischer Hetze. Die überließ er seinen Untergebenen und Predigern sowie einem Bildungssystem, das weiterhin den Leitlinien der PLO-Charta folgt, obwohl deren explizit antiisraelische Passagen 1996 für ungültig erklärt wurden.

Nicht nur als nationales Symbol der Palästinenser, sondern auch als Feindbild war Arafat "larger than life". Die Konzentration auf seine Unberechenbarkeit, seine Fehlentscheidungen und sein doppeltes Spiel bei Friedensverhandlungen verdeckten oft den Blick auf die tiefer liegenden Ursachen, die sowohl ein erfolgreiches nation building als auch eine Einigung mit Israel verhindert haben. Zahlreiche Chancen wurden in den vergangenen Jahrzehnten, auch von israelischen Regierungen, verpasst. Derzeit stehen vor allem die Ideologisierung und die Warlordisierung in der palästinensischen Gesellschaft dem Frieden im Weg. Beides hat Arafat gefördert, dennoch dürfte seine Autorität die Ambitionen islamistischer und nationalistischer Extremisten gebremst haben.

Während Arafat im Sterben liegt, diskutieren linke und rechte Israelis, ob man ihm etwas zu viel Verantwortung aufgeladen hat und ob man ein Begräbnis nicht auf dem Tempelberg, aber im Gebiet Jerusalems gestatten sollte. Dies, kommentierte Meron Benvenisti in der Tageszeitung Ha‘aretz, wäre auch ein Ausdruck des Respekts der Israelis vor ihrer eigenen Geschichte. Denn "wer seinen Feind verachtet, verkleinert seine eigenen Siege".

hagalil.com 11-11-2004

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